2.72.1 (ma31p): Entwaffnungsfrage. [Polizeifrage.]

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Entwaffnungsfrage. [Polizeifrage.]

Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß es wünschesnswert sei, die Polizeifrage jetzt endgültig zu bereinigen1, damit der I.M.K.K. kein Vorwand zu einem weiteren Verbleiben in Deutschland gegeben werde.

1

Zu den unerledigten und umstrittenen Punkten des all. Entwaffnungsprogramms, wie es in der all. Kollektivnote vom 4.6.25 fixiert worden war (vgl. Dok. Nr. 62, Anm. 7), gehörte die zahlenmäßige Begrenzung der dt. Polizeikräfte. Über die diesbezüglichen dt.-all. Verhandlungen orientiert eine Aufzeichnung im „Material über die Entwaffnungsfrage für Genf“ (R 43 I /439 , Bl. 155–270). In dieser Aufzeichnung (ebd., Bl. 252–254) heißt es: Die all. Kollektivnote vom 4.6.25 stelle fest, daß Dtld. nicht, wie in der Note von Boulogne festgesetzt, 150 000 Köpfe, sondern 180 000 Köpfe Polizei habe und verlange den Abbau von 30 000 Beamten. Die Dt. Reg. habe die Verminderung auf 150 000 Köpfe zugesagt. In den mündlichen Verhandlungen mit der IMKK sei dann festgestellt worden, daß Dtld. nach Abbau von 30 000 staatlichen Polizisten über 100 000 staatliche und 50 000 kommunale Polizeibeamte verfügen würde. Bei ihrer Zustimmung zu dieser Regelung seien die dt. Vertreter von der Voraussetzung ausgegangen, daß über die Zahl von 150 000 Köpfen hinaus für das besetzte Gebiet noch etwa 10 000 weitere Polizeibeamte zugestanden werden würden. Von Nov. 1925 bis Juli 1926 sei mit der Botschafterkonferenz über eine solche Erhöhung verhandelt worden. „Die Botschafterkonferenz hat jedoch sämtliche Anträge auf Erhöhung über 150 000 Mann abgelehnt und hat auch den dt. Vorschlag, durch Anrechnung der bisher als staatliche Polizei geführten Polizei der Hansestädte auf die kommunale Polizei eine Verschiebung der Grenze zwischen staatlicher und kommunaler Polizei herbeizuführen, nicht angenommen.“ Das RIMin. stehe auf dem Standpunkt, daß diese Ablehnung (vgl. Note der Botschafterkonferenz vom 9.7.26) „lediglich eine Ablehnung der deutschen Vorschläge auf Erhöhung über 150 000 Mann hinaus, nicht aber eine Ablehnung der Verschiebung der Grenze zwischen staatlichen und kommunalen Polizeibeamten bedeute. Das Reichsministerium des Innern ist der Ansicht, daß […] für Deutschland die Möglichkeit offen gelassen ist, durch Einrechnung von 8000 Köpfen bisher staatlicher Polizei der Hansestädte und Abbau von 8000 Köpfen kommunaler Polizei eine tatsächliche Erhöhung der staatlichen Polizei um 8000 Köpfe zu erreichen, so daß Deutschland dann nicht über 100 000 Köpfe staatlicher und 50 000 Köpfe kommunaler, sondern über 108 000 Köpfe staatlicher und 42 000 Köpfe kommunaler Polizei verfügen würde.“ – Siehe dazu auch ADAP, Serie B, Bd. I,1, Dok. Nr. 142 und 251; Bd. I,2, Dok. Nr. 27 und 31.

Der Reichsminister des Innern sprach sich dafür aus, der I.M.K.K. als Antwort den bereits mündlich Herrn Massigli in Paris nahe gebrachten Vorschlag zu machen, daß 8000 Beamte der Hansestädte der Kommunalpolizei zugerechnet würden, die Kommunalpolizei insgesamt dafür um 8000 Mann verringert werde[175] und der staatlichen Polizei auf diese Weise 8000 Mann erhalten blieben. Die Gesamtzahl von 150 000 Beamten, die in Boulogne2 vereinbart sei, werde dadurch nicht vermehrt3.

2

Note der all. Regg. aus Boulogne vom 22.6.20, gedr. in: Materialien zur Entwaffnungsfrage, Berlin 1925, S. 62 ff.

3

Siehe dazu das Schreiben des RIM an das AA vom 26.8.26 (R 43 I /420 , Bl. 160–161).

Ministerialdirektor Abegg zweifelte die Aussichten von Gegenvorstellungen an. Man möge der Entente mitteilen, was alles bisher geleistet worden sei; z. B. habe Preußen allein im letzten Jahre 8000 Beamte tatsächlich abgebaut. Weitere Zugeständnisse oder Versprechungen möge man aber nicht machen; die Entente würde uns später beim Worte nehmen. Preußen könne jedenfalls eine weitere Verminderung seiner staatlichen Polizeikräfte nicht ertragen, weil es sonst die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nicht mehr übernehmen könne. 67 500 staatliche Beamte für Preußen sei und bleibe das Mindestmaß. Von einer Besprechung mit den Ländern verspreche er sich keinen Erfolg.

Legationssekretär Clodius führte aus, daß der Vorschlag des Reichsministeriums des Innern nach Ansicht des Auswärtigen Amts aussichtslos sei. Er sei implicite von der Botschafterkonferenz bereits abgelehnt.

Der Reichsminister des Innern stellte zur Erwägung, ob man nicht das von Ministerialdirektor Abegg vorgeschlagene Verfahren mit seinem Vorschlage vereinigen könne. Eine Besprechung mit den Vertretern der Länder halte er nur dann für zweckmäßig, wenn er als Gegenleistung für eine Verminderung der Polizeikräfte eine auf einen bestimmten Termin festgelegte Abreise der I.M.K.K. in Aussicht stellen könne.

Der Reichsminister des Auswärtigen schlug daraufhin vor, folgendermaßen zu verfahren:

General von Pawelsz möge sich bemühen, alle, außer der Polizei, noch ausstehenden Fragen baldmöglichst so zu bereinigen, daß nur noch die Polizei als Hauptfrage übrig bliebe. Dann möge der Entente vorgeschlagen werden, die Polizeifrage durch Nachgeben von deutscher Seite, dessen Ausmaß heute noch nicht näher zu bestimmen sei, zu bereinigen, falls von der Gegenseite demgegenüber die endgültige Entfernung der I.M.K.K. zu einem bestimmten Termin zugesagt werden könne. Sage die Entente dies zu, so würden auch die innerpolitischen Schwierigkeiten zu überwinden sein.

Ministerialdirektor Abegg betonte, daß er diesen Weg zwar für sehr zweckmäßig halte, für Preußen aber das Zugeständnis einer Verminderung unter 67 500 Mann nicht in Aussicht stellen könne.

Der Reichsminister des Innern sprach trotzdem die Hoffnung aus, daß sich bei dem von dem Reichsminister des Auswärtigen vorgeschlagenen Wege noch ein Einvernehmen mit sämtlichen Ländern werde erzielen lassen.

Im übrigen wurden gegen das vom Reichsminister des Auswärtigen vorgeschlagene Verfahren keine Bedenken erhoben.

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen4.

4

Zur Regelung der Frage der Polizeistärken siehe Dok. Nr. 83, Anm. 29.

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