2.7 (mu11p): Nr. 7 Besprechung mit einer Deputation aus Gotha. 1. April 1920

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Nr. 7
Besprechung mit einer Deputation aus Gotha. 1. April 1920

R 43 I /2313 , Bl. 59

Anwesend: Müller, Koch; von der Deputation: Büchel, Witzmann, Krüger, Görlach, Koch; Protokoll: RegR Kempner.

Die Gothaer Deputation überreichte anliegenden Bericht an die Reichsregierung datiert von Gotha den 31. März 1920, sowie eine Erklärung der Gothaischen Abgeordneten und die Antworterklärung der Gothaischen Landesregierung1.

1

In dem Bericht hatten Abgeordnete des Landtags von Gotha dargestellt, wie sich die politische Lage ihres Landes seit dem Kapp-Putsch entwickelt habe. Danach war es zu schweren Ausschreitungen und Kämpfen gekommen, als sich die von der USPD gebildete Regierung nicht nur generell gegen die Reichswehr, d. h. auch gegen verfassungsfreundliche Truppen, gewandt, sondern auch zum Kampf gegen die Regierung Ebert-Bauer aufgerufen hatte und schließlich an die Stelle der Landesregierung ein Vollzugsrat getreten war (R 43 I /2313 , Bl. 60. Bestätigt wird dieser Bericht durch schriftliche Darlegungen des SPD-Abg. Büchel aus Gotha, R 43 I /2719 , Bl. 139-147, und einen Bericht des RKom. Käppler, R 43 I /2313 , Bl. 61-67). Am 29. 3. hatten die Gothaer Landtagsabgeordneten, soweit sie nicht der USPD angehörten, ihre Mandate niedergelegt und die Landesregierung zur Ausschreibung von Neuwahlen und zum Rücktritt aufgerufen (R 43 I /2313 , Bl. 60). Darauf war am gleichen Tag von der Landesregierung erwidert worden: „Die Gothaische LandesReg., die November 1918 aus dem Vertrauen des revolutionären Volkes gebildet worden ist und sodann im April 1919 und wiederum nach Annahme des Gesetzes über die vorläufige Regierungsgewalt im Dezember 1919 durch die Landesversammlung bestätigt worden ist, erklärt, daß sich die von der Not der Stunde diktierten Maßnahmen der Regierung zur Sicherung der Gothaischen Republik, der Reichsverfassung und zur Niederwerfung der militärischen Gegenrevolution durch die Besetzung der Republik Gotha und das Eingreifen der Reichswehrtruppen erledigt haben. – Die LandesReg. wird mit allen Mitteln den Schutz der Einwohnerschaft und die Entspannung der politischen Aufregung durchzuführen versuchen. Die LandesReg. wird gegenüber allen Bestrebungen bürgerlicher Parteien, den Putsch von rechts zu der von ihnen längst gewünschten Umformung der Regierung zu benutzen, nur der Gewalt weichen, da sie zu den schweren Nackenschlägen, die die militärische Gegenrevolution über das Land Gotha heraufbeschworen hat, nicht noch den politischen Selbstmord der verfassungsmäßigen Regierung hinzufügen will“ (R 43 I /2313 , Bl. 60).

Herr Krüger trug den Inhalt des überreichten Berichts vor. Die Deputation war der einmütigen Ansicht, daß nachdem die Gothaische Landesregierung durch ihre Handlungsweise, insbesondere durch Einsetzung eines Vollzugsrats,[14] die Reichsverfassung gebrochen habe, nur durch ein Eingreifen der Reichsgewalt geordnete Zustände wieder hergestellt werden könnten.

Reichsminister des InnernKoch: Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die Gothaer Landesregierung ihren Pflichten nicht nur nicht nachgekommen sei, sondern insbesondere durch Einsetzung des Vollzugsrats die Reichsverfassung verletzt habe. Es sei demnach die Voraussetzung des Artikel 48 der Reichsverfassung vorliegend. Es erhebe sich nun die Frage, ob ein Reichskommissar bis zu den vorgesehenen Wahlen für Groß-Thüringen die Geschäfte der Landesregierung führen solle oder ob es sich empfehle, sofortige Neuwahlen für die Gothaische Landesversammlung anzuberaumen.

Nachdem die Herren der Gothaer Deputation sich übereinstimmend dahin geäußert hatten, daß die Wahlen von Groß-Thüringen nicht vor Ende Herbst zu erwarten seien, wurde beschlossen, daß die Reichsregierung dem Herrn Reichspräsidenten Vorschläge dahingehend unterbreiten solle:

1.

Wahlen für die Landesversammlung Gotha alsbald vornehmen zu lassen,

2.

bis zum Zusammentritt der Gothaischen Landesversammlung eine politisch-neutrale Persönlichkeit, möglichst einen bewährten Verwaltungsbeamten, als Reichskommissar für Sachsen-Gotha einzusetzen, dem ein Beirat mit beratender Stimme beizuordnen sei2.

2

Der RPräs. setzte am 10.4.20 zur Lösung der Konflikte einen RKom. ein (s. RGBl., S. 477  f.; dazu auch E. R. Huber, Dokumente Bd. III, S. 236 f.), der am 24. 4. die Gothaer Landesvers. auflöste und zum 30. 5. Neuwahlen anordnete; daraufhin erhoben die Abgeordneten der USPD Verfassungsbeschwerde. Bei den Wahlen verlor die USPD einen Platz (9 statt bisher 10), die bürgerlichen Parteien gewannen einen hinzu (10 statt bisher 9). Am 7.7.20 konnte der Ausnahmezustand in Gotha aufgehoben werden, nachdem sich die USPD verpflichtet hatte, die Regierungsbildung nicht durch Obstruktion zu behindern. Die ersten Wahlen für das Land Thüringen, dessen Bildung die NatVers. am 23.4.20 beschlossen hatte, fanden am 20.6.20 statt.

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