2.85 (sch1p): Nr. 79 Geheime Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen über seine Besprechung mit dem Reichsminister der Finanzen am 18. Mai 1919 in Spa. 19. Mai 1919

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[348] Nr. 79
Geheime Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen über seine Besprechung mit dem Reichsminister der Finanzen am 18. Mai 1919 in Spa. 19. Mai 19191

1

Über das Zustandekommen der Besprechung in Spa am 18.5.1919 schrieb MinDir. Simons in seinen „Aufzeichnungen zu den Friedensverhandlungen von Versailles im Jahre 1919“, S. 13 f.: „In Versailles wurde wiederholt die Frage einer Reise des Grafen [Brockdorff-Rantzau] nach Berlin erörtert, um mit dem Kabinett in Fühlung zu bleiben. Aus außenpolitischen Gründen erschien es nicht zweckmäßig, den Boden der Entente zu verlassen. Der Graf entschloß sich daher am 16. Mai, mit der dt. Finanzkommission am 17. Mai nach Spa zu fahren, um die persönliche Fühlung mit dem Kabinett durch den Vizepräsidenten, Reichsminister Dernburg, aufzunehmen. Von einer Reise nach Berlin, für die überdies die Zeit mangelte, befürchtete der Graf die Möglichkeit politischer Mißdeutung. Am 17. Mai abends erfolgte die Abreise nach Spa. In Spa waren anwesend die Reichsminister Dernburg und Wissell sowie der preußische Minister Südekum zusammen mit Finanz- und Wirtschaftssachverständigen aus Berlin zur Erörterung einschlägiger Fragen in Hinblick auf die Fassung der dt. Gegenvorschläge. In Spa war zugegen auch der Kolonialminister Bell. […] Aus Versailles waren insbesondere die Herren Warburg, Melchior, UStS Schröder etc. erschienen.“ (PA, Nachl. Brockdorff-Rantzau , Az. 20).

PA, Nachlaß Brockdorff-Rantzau, Az. 19

Exzellenz Dernburg eröffnete die Sitzung, der der Reichsminister Wissell und der preußische Finanzminister Südekum beiwohnten, indem er betonte, das Kabinett und er persönlich seien mir besonders dankbar, die Begegnung in Spa herbeigeführt zu haben. Er habe mir im Auftrage des Kabinetts verschiedene Mitteilungen zu machen. Ich erwiderte, ich hätte längst gewünscht, persönlich mit dem Kabinett in Verbindung zu treten, habe aber die Gründe, aus denen dies unmöglich, telegrafisch nach Berlin mitgeteilt. Anschließend daran erklärte ich, ich glaube, der Start in Versailles sei bisher für uns nicht ungünstig; ich schließe das aus den Stimmen der internationalen Presse und Nachrichten, die mir persönlich zugekommen seien. Nachdem ich durch den Reichspräsidenten und das Kabinett sowie die Nationalversammlung ermächtigt sei, die Friedensverhandlungen unter Vorbehalt der Zustimmung der Nationalversammlung zum Abschluß zu bringen, müsse ich mir unbedingt die Führung vorbehalten. Ich könne und werde nicht dulden, daß man mir hereinrede, selbstverständlich erkenne ich an, daß das Kabinett über prinzipielle wie praktisch schwerwiegende Fragen informiert werden müsse, um der Nationalversammlung und dem Friedensausschuß Rede stehen zu können und vor allem, weil es schließlich vor der öffentlichen Meinung die Verantwortung trage; ich müsse aber beanspruchen, die Verhandlungen als Führer der Delegation zu leiten.

Herr Dernburg äußerte, ein Zweifel an dem, was ich erklärt habe, sei bisher nicht zu Tage getreten und persönliche Fragen überhaupt nicht erörtert. Ich erwiderte ihm mit starkem Nachdruck, ich bitte versichert zu sein, daß es sich bei mir überhaupt nicht um persönliche Fragen handele, sondern daß ich[349] verlange, in sachlichem Interesse die persönliche Leitung in der Hand zu halten, weil ich im Einvernehmen mit der Delegation, die hinter mir stehe, allein die ausschlaggebenden internationalen Gesichtspunkte beurteilen und nicht zulassen könne, daß die Entscheidungen in dieser schwersten Stunde, wie es in Berlin leicht der Fall sein würde, von innerpolitischen Erwägungen abhängig gemacht würden.

Exzellenz Dernburg erwiderte, er verstehe vollkommen, daß sich unter den gegebenen Verhältnissen in meiner Person auch alle sachlichen Rücksichten konzentrierten; er könne mich versichern, daß das Kabinett und die ganze Nation mit Ausnahme eines Teils der Unabhängigen die Ablehnung des Vertrages in der uns vorgeschlagenen Form, wenn nicht wirklich weitgehende und grundlegende Konzessionen seitens unserer Gegner gemacht würden, verlangen, ich sei daher ermächtigt, den Vertrag, wenn diese Voraussetzungen nicht zuträfen, abzulehnen.

Ich entgegnete, es sei für mich von größtem Wert, die Nation für diese Eventualität hinter mir zu wissen, ich werde aber mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln versuchen, zu mündlichen, und wie ich glaube, damit zu praktischen Verhandlungen zu kommen, und nur sofern diese meine Absicht sich als undurchführbar herausstellen sollte, zu einem Abbruch der Verhandlungen schreiten. Ich möchte aber bereits jetzt, und zwar nachdrücklichst, betonen, daß meine Taktik darauf hinausgehe, die Ablehnung nicht von uns durchzuführen, sondern das Odiums des Scheiterns dem Gegner zuzuschieben; ich werde daher versuchen, die von mir gestellten Vorschläge einer praktischen Lösung so zu leiten, daß die Gegner sich durch die Ablehnung vor der Öffentlichkeit ins Unrecht setzten.

Der Minister Wissell, der wieder eine hervorragend klare und sympathische Haltung einnahm, bemerkte, er müsse der Äußerung Dernburgs, die Deutsche Nation verlange eine Ablehnung des Vertrages und sei sowohl darauf wie auf die Konsequenzen, nämlich die Besetzung eines weiteren Teils des deutschen Gebiets und die Hungerblockade, vorbereitet, unbedingt widersprechen; er fürchte, es handele sich um ein Strohfeuer, entstanden unter dem Eindruck der schamlosen Zumutungen unserer Gegner, das nach kurzer Zeit, wenn tatsächlich die Erpressungsmaßnahmen der Entente einsetzten, insbesondere unter dem Druck der Verschärfung der Hungerblockade, schnell erlöschen werde.

Herr Dernburg äußerte, indem er damit seine erste zuversichtliche Bemerkung offenbar einschränkte, die drohende Hungerblockade sei allerdings sehr bedenklich. Ich erwiderte darauf, ich müsse, um mit einigermaßen Aussicht auf Erfolg in Versailles auch taktisch richtig verhandeln zu können, wissen, ob das deutsche Volk auf alle Konsequenzen eines Scheiterns der Verhandlungen vorbereitet sei. Ich hoffe und glaube, daß, wenn wir noch zwei Monate durchhalten könnten, ein annehmbarer Friede zu erzielen sein werde. Exzellenz Dernburg glaubte oder meinte dies zusichern zu können.

Am Schluß der Konferenz fragte ich, um meine scharfe Stellung bezüglich der Einmischung des Kabinetts zu erklären, ob den Herren die niederträchtigen Intrigen des Reichsministers ohne Portefeuille Herrn Erzberger bekannt[350] seien. Ich erwähnte dabei die Mission Driesen2 und das Schreiben Erzbergers an den Ministerpräsidenten Scheidemann3. Die Herren erklärten mir, sie seien weder über die eine noch über die andere Frage informiert. Ich ersuchte sie darauf, in Berlin Aufklärung zu verlangen und wiederholte, daß ich entschlossen sei, jede Intrige von dieser Seite auf das Schärfste zurückzuweisen.

2

Dr. Driesen war Mitarbeiter und Pressechef Erzbergers; nach einem Telegramm Leinerts an Paxkonferenz vom 10.5.1919 war Driesen am 9.5.1919 in Versailles eingetroffen und hatte mehreren Mitgliedern der Friedensdelegation mitgeteilt, „er habe den Auftrag dem Minister Erzberger über Vorgänge der Friedenskommission zu berichten.“ Während einer Sitzung der Friedensdelegation habe der RAM erklärt, daß er die Aufgabe Driesens als unzulässig ansehe, „da alle politischen Mitteilungen, die sich auf hiesige Friedensverhandlungen beziehen, namens Delegation ausschließlich von ihm an gesamtes Kabinett gerichtet werden.“ Die Angehörigen der Delegation unterstützten die Auffassung des RAM. Das Telegramm schließt mit den Worten: „Dr. Driesen, der Unhaltbarkeit seiner hiesigen Stellung einsah, hat sich entschlossen, sofort zurückzukehren.“ (PA, Nachl. Brockdorff-Rantzau , Az. 19). Am 12.5.1919 übersandte der RAM an Paxkonferenz zu Händen des UStS v. Langwerth ein Telegramm „zur vertraulichen Information und mit dem Ersuchen um Verwertung bei sich bietender Gelegenheit, insbesondere bei Reichspräsidenten und [Reichs-]Ministerpräsidenten“. Danach hatte Driesen ihm eine von Erzberger unterschriebene Vollmacht gezeigt, nach der er befugt sei, direkt an Erzberger aus Versailles zu berichten. Das Telegramm gipfelte in dem Satz: „Ich sehe voraus, daß zwischen mir und Erzberger ein Zusammenarbeiten unmöglich sein wird und bitte Dich, Ebert und Scheidemann darauf vorzubereiten. gez. Brockdorff-Rantzau.“ (PA, Nachl. Brockdorff-Rantzau, Az. 19).

3

Siehe Dok. Nr. 55.

Dernburg versuchte die ihm offenbar unbequeme Diskussion mit der Bemerkung abzulenken, das Kabinett wünsche ja nur seine Vorschläge nach Versailles zu machen; die Führung der Verhandlungen bleibe mir überlassen, und ich genieße das vollkommene Vertrauen der Regierung; unter Umständen müßte das Kabinett sich vorbehalten, mir gewisse Aufträge zu geben, weil es der Nationalversammlung und dem Friedensausschuß Rede und Antwort zu stehen habe.

Ich entgegnete, ich werde keinen Auftrag, der mir inopportun oder undurchführbar scheine, ausführen, sondern nehme für mich ausschließlich das Recht in Anspruch, in Versailles zu entscheiden. Herr Dernburg nahm diese Bemerkung ohne Erwiderung zur Kenntnis.

Ich fuhr dann fort, ich möchte noch die Differenz mit dem Kabinett wegen der Schuldfrage zur Sprache bringen4. Ich hätte bereits am 8. Mai, einen Tag nach der Sitzung im Trianon, offiziell nach Berlin mitgeteilt, die Delegation beabsichtige, in einer kurzen Note die Schuldfrage zur Sprache zu bringen, um die Basis der Entente, die mit der Behauptung, wir seien allein die Schuldigen, uns diese schamlosen Bedingungen diktieren wolle, zu erschüttern5. Neun Tage habe ich keine Antwort erhalten, infolgedessen das Einverständnis der Entente voraussetzen müssen. Im übrigen habe ich bereits in meiner Rede im Trianon entsprechend den Richtlinien des Kabinetts bezüglich der Schuldfrage[351] alles Erforderliche betont6. Außerdem bedeute die kurze Note keineswegs die prinzipielle Aufrollung der Schuldfrage, sondern habe lediglich den Zweck gehabt, die Entente zur Vorlegung ihres sogenannten authentischen Schuldmaterials zu veranlassen. Geheim möchte ich bemerken, mir sei bekannt, daß dieses Material durchaus ungenügend sei und sich auf ein ganz oberflächliches Gutachten stütze, das wir bereits in den Händen hätten.

4

Siehe Dok. Nr. 72, P. 8.

5

Siehe Dok. Nr. 67, Anm. 2.

6

Der Text der Rede des RAM bei der Entgegennahme der all. Friedensbedingungen in: Brockdorff-Rantzau, Ulrich Graf: Dokumente und Gedanken um Versailles, Berlin 1925, S. 70 ff. ; Materialien betr. die Friedensverhandlungen, Teil I: Der Notenkampf um den Frieden in Versailles, Teil I, hrsg. v. AA, Charlottenburg 1919, S. 15 ff. ; Ursachen und Folgen, Bd. III, Dok. Nr. 714 a, S. 347 ff.

Dernburg erwiderte, der Minister David und sämtliche Parteiführer, die der Minister Bell informiert habe, seien auf Grund des authentischen Materials, insbesondere des von Ludo Hartmann zur Verfügung gestellten Aktenmaterials so tief von der Schuld der ehemaligen deutschen Regierung überzeugt, daß David erklärt habe, wir setzten uns einer Antwort der Entente aus, die nichts anderes als eine politische Niederlage und eine schwere diplomatische Ohrfeige bedeuten würde7.

7

Siehe Dok. Nr. 72, P. 8.

Ich entgegnete mit dem Bemerken, meine Mitteilungen seien streng geheim, die Auffassung Dr. Davids sei nach meiner Überzeugung durch geheimes, mir von dem deutsch-österreichischen Staatssekretär Bauer zur Verfügung gestelltes Material vollkommen erschüttert; ich habe Dr. Gooß beauftragt, in Berlin darüber zu berichten8.

8

Näheres über die Kontakte des RAM mit österr. Stellen in der Kriegsschuldfrage findet sich in: PA, Dt. Friedensdelegation Versailles, Pol 7. Dr. Heinrich Gooß edierte im Auftrag des österr. Min. für auswärtige Angelegenheiten die Diplomatischen Aktenstücke zur Vorgeschichte des Krieges 1914: Ergänzungen und Nachträge zum Österreichisch-Ungarischen Rotbuch [vom 3.2.1915], 3 Bde., Wien 1919.

Dernburg bemerkte, Dr. David kenne dieses Material und sei dadurch in seiner Auffassung nicht erschüttert. Ich entgegnete, David könne dieses Material nicht kennen, da es nicht einmal Hartmann zur Verfügung gestellt sei, und ich müsse bitten, in der Schuldfrage die bisherige Auffassung des Kabinetts auf Grund der von Dr. Gooß vorgelegten Akten nachzuprüfen. Leider geht daraus hervor, daß wir politisch infolge der Impotenz der damaligen Leiter der auswärtigen Politik moralisch zwar vollkommen gerechtfertigt seien, hingegen intellektuell und politisch elend versagt hätten. Diese meine Bemerkung blieb sichtlich nicht ohne Wirkung, und ich habe den Eindruck, daß das Kabinett auf Grund des ihm jetzt vorzulegenden Materials meinen Standpunkt teilen wird.

Die Diskussion war damit geschlossen.

Als ich mich abends von Exzellenz Dernburg verabschiedete, wiederholte ich ihm ausdrücklich, ich hoffe und erwarte, er habe meine Auffassung verstanden, ich bitte ihn, dem Kabinett keinen Zweifel darüber zu lassen, und ich sei entschlossen, bei jedem ausschlaggebenden passiven oder aktiven Widerstand mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzutreten.

Dernburg war formell unendlich liebenswürdig, ich habe aber doch den Eindruck,[352] daß er mit Erzberger gemeinsame Sache macht und betonte daher noch, ich bitte ihn, sich über die Vorgänge Klarheit zu verschaffen, da ich mir unter keinen Umständen Intrigen von dieser Seite gefallen lassen werde.

Zur Verlesung der von der Delegation in territorialen Ostfragen ausgearbeiteten Note9 war keine Zeit, da die Finanzberatungen10 zu lange dauerten. Das Projekt der Regierung scheint mir auf einen erstaunlich hohen Standpunkt der Ablehnung allen Ententeforderungen gegenüber zu stehen. Minister Südekum sprach wie ein reaktionärer Minister aus früheren Zeiten, erklärte beispielsweise, die Abstimmung in Oberschlesien müsse zu unseren Gunsten ausfallen. Ich erwiderte: „Hoffen wir das beste.“ Bezüglich Posens sind kaum überhaupt Konzessionen in Aussicht genommen; in der Militärfrage werden 350 000 Mann verlangt, mit einer Reduzierung auf 200 000 Mann usw. usw.11

9

In der dt. Note vom 20.5.1919 betr. noch zu übergebende Noten und Fristverlängerung wird u. a. eine Note über territoriale Ostfragen angekündigt (Materialien betr. die Friedensverhandlungen, Teil I: Der Notenkampf um den Frieden in Versailles, Teil I, hrsg. v. AA, Charlottenburg 1919, S. 40); die angekündigte Note wurde jedoch nicht übergeben; s. Dok. Nr. 77.

10

Laut einer ungezeichneten Aufzeichnung über eine Besprechung am 20.5.1919, 10 Uhr 15 bei der Friko in Berlin berichtete GehR Hagen über die finanziellen Gespräche in Spa folgendes: „Bei den Besprechungen in Spa drehte es sich um zwei verschiedene Projekte für einen Gegenvorschlag. Herr Warburg vertrat das Projekt der Pariser Delegation, das die wirtschaftliche und finanzielle Kontrolle der Entente auf Jahre hinaus vermeiden will, indem es den Franzosen ein Fixum von 27 Mrd. Gold anbietet. Herr GehR Hagen vertrat das Projekt des Herrn RFM, welches keine feste Summe anbietet, sondern vorschlägt, es einer aus Vertretern der vertragschließenden Mächte und der neutralen Staaten paritätisch zusammengesetzten Kommission zu überlassen, die finanzielle Leistungsfähigkeit Deutschlands von 5 zu 5 Jahren festzustellen und danach die Entschädigungssumme zu bemessen. Man hat sich aus folgenden Gründen für das letzte Projekt entschieden:

1. Man fürchtet, durch die Anerbieten von 27 Mrd. Gold, die Begehrlichkeit der Franzosen zu reizen und schließlich gezwungen zu werden, sich auf einer mittleren Basis, die weit höher sein wird als unser Anerbieten, einigen zu müssen und somit eine Verpflichtung einzugehen, die Deutschland nicht erfüllen kann.

2. Man glaubt, daß die Frage der Höhe der Entschädigungssumme durch schriftlichen Notenwechsel erledigt wird, während die Regelung des vorgeschlagenen Kontrollverfahrens nur in mündlichen Besprechungen zum Abschluß gebracht werden kann und damit die gewünschte Möglichkeit für mündliche Verhandlungen gegeben sei.“ (Nachl. von Le  Suire , Nr. 64). Die Argumente der dt. Friedensdelegation erläuterte MinDir. Simons in seinen „Aufzeichnungen von den Friedensverhandlungen zu Versailles im Jahre 1919“, S. 14: „Die Delegierten waren der Meinung, daß wir um so erfolgreicher sein würden, je größer die Summe sei, die wir nennen könnten. Auf diese Weise könnte man mit einer Summe Geldes möglichst viele der Scheußlichkeiten des Vertrages, namentlich auch die unerträglichen territorialen Bestimmungen, z. T. beseitigen. Die Ansicht der Finanzkommission wurde auch von Graf R[antzau] geteilt. Der Ausgang der Besprechungen verlief gegen die Versailler Herren.“ (PA, Nachl. Brockdorff-Rantzau, Az 20). Tatsächlich setzten sich, wie bereits aus dem Protokoll der zweiten Besprechung in Spa am 23.5.1919 hervorgeht, die Auffassung der Finanzkommission durch (s. Dok. Nr. 84); in den dt. Gegenvorschlägen wurden feste Summen angeboten (Materialien betr. die Friedensverhandlungen, Teil III: Die dt. Gegenvorschläge zu den Friedensbedingungen der all. und ass. Mächte, hrsg. v. AA, Charlottenburg 1919, S. 67 f.)

11

Die Auffassung der dt. Friedensdelegation über die Behandlung der Ostfragen legte der RAM in einem Telegramm aus Spa vom 18.5.1919 an Paxkonferenz dar, s. Dok. Nr. 77; zur Militärfrage s. Dok. Nr. 80, P. 8.

Ich erklärte zum Schluß, ich müsse mir das Recht vorbehalten, unausführbare Vorschläge zur Weitergabe abzulehnen. Dernburg erwiderte, ich habe ja[353] für die Verhandlungen freie Hand, worauf ich entgegnete, wir seien in der Delegation, gestützt von der überwiegenden Mehrheit der Sachverständigen in Versailles, bei unseren Vorschlägen von der Überzeugung geleitet gewesen, daß große Konzessionen unvermeidlich seien; ich möchte daher bezüglich Polens, nachdem wir uns in einer Zwangslage befänden, weitgehende Zugeständnisse machen und habe auch mit Minister Landsberg besprochen, daß wir speziell in militärischen Fragen unter der Voraussetzung, daß unsere territorialen Grenzen von der Entente garantiert würden, über den bisherigen Entwurf hinausgehende Konzessionen machen müßten. Dernburg und Südekum bestanden aber darauf, daß speziell die Herabsetzung der Präsenzstärke des Heeres ausgeschlossen sei, und zwar in erster Linie, um die innere Lage aufrechtzuerhalten. Ich erwiderte, ich werde das Menschenmöglichste tun, um zu Verhandlungen zu kommen und hoffe, daß dann eine annehmbare Verständigung mit unseren Gegnern gefunden werden würde.

Ich habe dann auch beim Abschied Dernburg angedeutet, ich freue mich, die feste Stimmung zu Haus zu finden, ich hoffe nur, sie werde schließlich auch von Bestand sein, falls die Entente ihre Drohungen mit dem Einmarsch und der Verschärfung der Blockade aufrechterhalte. Dernburg wie Südekum gaben durchaus zuversichtliche Erklärungen ab, die ich aber skeptisch beurteile.

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