2.185.1 (wir1p): [Reparationsfragen: Vorbereitung auf die Konferenz von Cannes.]

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[Reparationsfragen: Vorbereitung auf die Konferenz von Cannes.]

Staatssekretär Schroeder berichtet, daß Staatssekretär Fischer ihm nachts telegraphiert habe, die deutsche Regierung würde aufgefordert werden, Vertreter nach Paris bzw. Cannes zu schicken.

Reichskanzler Zur Frage stände die Beantwortung der Noten der Reparationskommission und des Garantie-Komitees. Wegen der Note der Reparationskommission1 sollten die Ämter das Material nochmals prüfen, das morgen übergabereif vorliegen müsse.

1

Über die Beantwortung der Note der Repko vom 16.12.21 (Wortlaut siehe Dok. Nr. 170 Anm. 2) waren zunächst Verhandlungen mit der Repko geführt worden (siehe Dok. Nr. 170 Anm. 8), dann hatte die Klko sie mit einer Note vom 3.1.1922 hinhaltend beantwortet: die dt. Reg. sei der Auffassung, daß die in der Note vom 16.12.21 aufgeworfenen Fragen Angelegenheiten betreffen, die von dem Ausgang der bevorstehenden Besprechungen des Obersten Rates abhingen; daher wolle sie sich zur Zeit nicht dazu äußern (Wortlaut siehe RT-Drucks. Nr. 4140 , S. 32, Bd. 372). Am 6.1.1922 antwortete daraufhin die Repko in einer Note an die Klko, daß das in dem Schreiben der deutschen Regierung vom 14.12.21 (siehe Schultheß 1921 II, S. 272) ausgesprochene Stundungsgesuch von der Repko erst nach Beantwortung der von ihr in der Note vom 16.12.21 gestellten Fragen bearbeitet werden könne (Wortlaut der Note siehe RT-Drucks. Nr. 4140 , S. 33, Bd. 372). Die letztgenannte Note der Repko vom 6.1.22 steht hier zur Debatte.

Die Beantwortung der Noten des Garantiekomitees2 stelle er nunmehr zur Diskussion.

2

Es handelt sich um eine Note der Berliner Delegation des Garantiekomitees, gez. durch Haguenin, vom 5.1.1922, in der der Inhalt eines Telegramms des Garantiekomitees mitgeteilt wird: die Erklärungen Fischers über die Erfassung der Devisen für die 25%ige Ausfuhrabgabe seien unbefriedigend gewesen, und das Garantiekomitee erwäge daher, die unmittelbare Erhebung der 25%igen Ausfuhrabgabe; um der dt. Reg. noch einmal entgegen kommen zu können, verlangte das Garantiekomitee Stellungnahme zu folgenden drei Punkten:

„1.) d’approuver le protocole que j’ai eu l’honneur de vous remetre hier, relatif aux modalités du versement des fonds affectés en garantie; 2.) d’accepter les conclusions de la lettre du Comité à vous adressée en date du 8 décembre 1921; 3.) de verser le 8 janvier, en application du protocole, 6 millions de marks-or pour le produit des douanes et 25 millions de marks-or afférents au prélèvements de 25% sur les exportations.“ (R 43 I /24 , Bl. 193). Über einen Zusammenstoß, den Fischer bei seinem Bericht im Garantiekomitee mit Bemelmans gehabt hatte, siehe Fischers Aufzeichnung vom 6.1.1922 in R 43 I /24 , Bl. 237-240, hier: Bl. 238f.

Staatssekretär Schroeder: Die Beantwortung sei durch die inzwischen ergangene Einladung nach Cannes erleichtert. Zu den drei Forderungen der Note könne man sagen:

1.

Die Zahlung zum 8. Januar sei erfolgt.

2.

[504]Zur Unterschreibung des Protokolls3: Die Frage habe durch die inzwischen ergangene Einladung nach Cannes eine andere Gestalt gewonnen, sei also zunächst überholt.

3.

Zu der Note vom 8. Dezember4 müsse man sagen, ein Rest an Devisen sei nicht übrig geblieben, es sei alles zur Abdeckung der Kredite gebraucht worden, die zur Beschaffung der ersten Milliarde aufgenommen waren.

3

Am 4.1.1922 hatte das Garantiekomitee ein Protokoll über die Regelung der Zahlungen der zur Sicherheit gestellten Einnahmen vom 31.12.21 übersandt und in der Begleitnote gefordert, die dt. Reg. möge etwaige Bemerkungen über dieses Protokoll dem Garantiekomitee in möglichst kurzer Frist; schriftlich übermitteln oder dem Protokoll durch Unterzeichnung zustimmen (R 43 I /24 , Bl. 216-221).

4

In R 43 I nicht ermittelt.

Die Staatssekretäre v. Simson, Müller und Hirsch schließen sich dieser Auffassung an.

Ministerialdirektor Trendelenburg berichtet über die Noten des Garantie-Komitees vom 4. und 5. Januar 1922. Die Verschärfung in der zweiten Note sei offenbar auf einen Zusammenstoß zurückzuführen, der sich in der Sitzung zwischen Herrn Fischer und Herrn Bemelmans ergeben habe5.

5

Am 4.1.1922 hatte das Garantiekomitee das in Anm. 3 zitierte Protokoll übersandt; am 5.1.1922 hatte es außer der bereits in Anm. 2 genannten Note eine weitere Note übersandt, in der es Beschwerde führte über seine Verhandlungspartner Fischer und Trendelenburg, die von ihnen verlangte Informationen nicht hätten geben können. Zu den dieser Note voraufgegangenen Vorgängen hat Fischer am 6.1.22 eine Aufzeichnung verfaßt, in der er zu dem Schluß kommt, das Garantiekomitee habe den Beweis dafür erbringen wollen, daß die Pariser Klko nicht genügend über die berliner Vorgänge orientiert sei und infolgedessen das Garantiekomitee seinen Sitz nach Berlin verlegen müsse (die genannten Dokumente in R 43 I /24 , Bl. 241 f., 237-240).

Minister Dr. Rathenau ist grundsätzlich derselben Auffassung, wie die Staatssekretäre von Simson, Müller und Hirsch. Die Formulierung der Antwortnote sei jedoch äußerst wichtig wegen des durch die Note vom 5. Januar 1922 beabsichtigten „Bauernfangs“. Man solle hineinschreiben, daß Deutschland sich zwar mit der Methode der Aufbringung einverstanden erklären könne, nicht aber mit den vorgesehenen Beträgen, denn es sei bekannt, daß infolge der erklärten Zahlungsunfähigkeit6 über die Höhe der Beträge zur Zeit in Cannes verhandelt würde.

6

Siehe Dok. Nr. 167 Anm. 1.

Fraglich sei, ob man zweckmäßig in der Antwortnote schon den Artikel 234 des Versailler Vertrages ausdrücklich nennen solle.

Staatssekretär v. Simson schließt sich dem Formulierungsvorschlag von Minister Rathenau an7.

7

Die hier zur Debatte stehende Note des Garantiekomitees vom 5.1.1922 wird mit einem Schreiben der Klko vom 9.1.1922 in den wesentlichen Punkten wie folgt beantwortet: „I. Die Anweisung zur Zahlung von 31 Millionen Goldmark ist ergangen, die Bestätigung der Empfangsstelle wird dem Garantie-Komitee spätestens bis zum 11. ds. Mts. vorliegen. – II. Die deutsche Regierung hat gegen das in dem Protokoll vom 21.12.21 vorgesehene technische Abrechnungsverfahren bis auf einen untergeordneten Punkt, der noch zu erörtern wäre, keine Einwendungen zu erheben. Die deutsche Regierung steht auf dem Standpunkt, daß die in dem Protokoll angegebene Höhe der zu überweisenden Beträge über ihre Leistungsfähigkeit geht, zu deren Nachprüfung sie einen Stundungsantrag gestellt hat. Gestern hat die deutsche Regierung eine Einladung erhalten, Vertreter zu entsenden, die vor der Konferenz von Cannes gehört werden sollen. Aus diesem Grunde glaubt die deutsche Regierung, daß die Unterzeichnung eines Protokolls, das zur Grundlage die gegenwärtige Höhe der Verpflichtungen nach Maßgabe des Zahlungsplanes vom 5.5.21 hat, zur Zeit nicht erfolgen sollte. – III. Zu der Note des Garantie-Komitees vom 8.12.21 erlaubt sich die deutsche Regierung wie folgt Stellung zu nehmen: 1. Es sind die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Ablieferung der auf Grund der Vereinbarungen mit den Außenhandelsstellen anfallenden Exportdevisen in der der deutschen Regierung vorgeschriebenen Höhe an die von dem Garantie-Komitee bezeichnete Stelle sicherzustellen. 2. Die deutsche Regierung hat alle seit dem 15.10.21 bei der Reichsbank auf Grund der Maßnahmen der Außenhandelsstellen angefallenen Exportdevisen zur Abdeckung der für die 1. Milliarde Goldmark aufgenommenen Kredite verwenden müssen und hat darüber hinaus für den gleichen Zweck auf dem offenen Markt Devisen beschaffen müssen. Es ist daher ein Rest aus der Beschaffung der Devisen durch die Außenhandelsstellen nicht vorhanden gewesen. 3. Daneben hat die deutsche Regierung bis Anfang Januar im ganzen 44,5 Millionen Goldmark für Zölle und Ausfuhrabgaben angekauft und überwiesen. Die deutsche Regierung hat ferner neben den oben erwähnten Goldmarkzahlungen seit 15. 10. für die 25% des Wertes der Ausfuhr bis jetzt 3,375 Milliarden Papiermark auf das Girokonto des Garantie-Komitees bezahlt. Sie hat bereits im Oktober erklärt, daß sie zur Umwandlung dieser Papiermarkbeträge voraussichtlich einstweilen nicht in der Lage sein würde. Sie ist zu ihrem Bedauern auch heute noch nicht im Stande, für die Umwandlung dieser Papiermarkbeträge Vorschläge zu machen. Die deutsche Regierung erlaubt sich dem Garantie-Komitee vorzuschlagen, über diesen Punkt nach Ablauf der gegenwärtigen Verhandlungen in erneute Erörterungen mit der deutschen Regierung eintreten zu wollen.“ (R 43 I /24 , Bl. 244-246).

[505] Minister Rathenau: Man müsse ferner schon jetzt überlegen, welche Fragen in Cannes gestellt werden würden. Sie würden wahrscheinlich die gesamte ökonomische Lage betreffen. Ferner müsse man sich darüber klar sein, welche Zahlungen außer den eigentlichen Reparationsleistungen Deutschland zu tragen habe. (Clearing, innere Okkupationskosten, internationale Kommissionen, Restitutionen, Aufbringung der Sachleistungen, schiedsgerichtliches Verfahren, Entschädigung der Liquidations-Geschädigten).

Ein Vertreter des Auswärtigen Amts überbringt nunmehr die inzwischen eingegangene offizielle Einladung an die deutsche Regierung, Vertreter nach Paris bzw. Cannes zu senden.

Staatssekretär v. Haniel berichtet, daß ihm der englische Botschafter privat 4 Fragen mitgeteilt habe, die in Cannes voraussichtlich zur Verhandlung kämen.

Es wird beschlossen, daß in einer Kabinettssitzung um 5 Uhr die Mitglieder der Delegation bestimmt werden sollen8.

8

Siehe Dok. Nr. 183.

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