2.89.3 (cun1p): 3) Verordnung des Reichspräsidenten aufgrund Art. 48.

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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Text

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3) Verordnung des Reichspräsidenten aufgrund Art. 485.

Heinze: Reichsjustizministerium hat Spionage-Verordnung ausgearbeitet6. Gewisse politische Bedenken. Minister Severing allerschwerste Bedenken. Arbeiterschaft würde sich auflehnen. Mißstimmung.

v. Seeckt: Spionage hat sich an Truppe heran[gemacht]. Fühlbare Lücke. Gesetz jetzt schwierig. Bitte dringend, mildernde Umstände nicht einzusetzen, soweit militärische Fälle in Frage kommen.

Heinze: Haben mildernde Umstände hereingenommen, weil wir Gnadenweg scheuen.

Albert: Ist es nicht Zeichen der Schwäche?

Hermes: In engster Verständigung mit Preußen7. Mit Severing [sprechen], ehe Beschluß. Starke politische Bedeutung. Mit Preußischer Regierung besprechen.

v. Maltzan: Rosenberg war dagegen. 1. Ausland wird [die VO] ausnutzen.[289] 2. Franzosen werden es [im] Ruhrkampf gegen uns nutzen. 3. Ang[st] vor Kommunisten. Keine Bedenken vor allem [gegen] § 1, Spionage-§. § 2, Abs. 3 bedenklich.

Reichskanzler Einverst[anden], daß mit Preußen in Verbindung [getreten wird]. Als Abwehr [VO] erforderlich.

v. Welser: Mit preußischer Regierung Frage [klären], welchen Eindruck [VO] im besetzten Gebiet [macht]. Im altbesetzten Gebiet kann sie nicht verkündet werden.

Geib: Zu § 2 Ziff. 2 bei Gew[erkschafts]konf[erenz], die regelmäßig im Arbeitsministerium stattfindet, Preußen dagegen. Bei diesen Besprechungen [haben] die Gewerkschaften sich auch angeschlossen. Reichsarbeitsmin[ister] glaubt, man sollte ohne § versuchen auszukommen.

Groener: [Gegen] § 2 Bedenken stark. Gegen § 1 keine. Ordonnanz 147 der Rheinlandkommission8. § 2 Antwort hierauf. 147 hat Gewerkschaften in große Erregung [versetzt]. [… unleserlicher Satz] Gewissensnot. § 2 wird Gewerkschaften stützen. Außenpolitisch ungünstig. Vielleicht § 1 hinaus und 2 lassen.

Reichskanzler Nur grundsätzliche Frage heute, dann Justizmi[nister] mit Preußen und mit Reichspräsidenten9.

v. Seeckt: Militärischen Erfordernissen durch § 1 genügt, wenn ich auch bedaure, wenn § 2 fällt. Muß verlangen, daß verstärkter Schutz der Reichswehr jetzt geschaffen [wird].

Heinze: Kann auch als Entschlossenheit der Deutschen Regierung [aufgefaßt werden].

Groener: Gewerkschaften erwarten auf 147 Weisung der Regierung10.

Fußnoten

5

In einem Vermerk zur Ministerbesprechung hatte Hamm dem RK diesen Punkt wie folgt erläutert: „Dieser heute vom RJMin. übersandte Entwurf ist dort in Besprechungen mit den preußischen Ressorts vorberaten worden. Der Herr PrIM erhebt gegen den Entwurf stärkste Bedenken aus innenpolitischen Gründen. Es wird daher zweckmäßig sein, den Entwurf heute zunächst im Kreise der RM unter Zuziehung des Herrn StS Joel (gemäß Wunsch des Herrn RJM) nach der politischen Seite zu erörtern und danach je nach Ergebnis Fühlung mit dem Herrn RPräs. zu nehmen und dann erst die Angelegenheit förmlicher Kabinettsberatung zusammen mit dem preußischen Kabinett zu unterstellen.“ (R 43 I /1383 , Bl. 7 f.).

6

Der Entwurf der VO lautet in seinen wichtigsten Bestimmungen: „§ 1: Mit lebenslangem Zuchthaus wird bestraft, wer während der in Friedenszeit erfolgten Besetzung deutschen Gebietes durch eine fremde Macht dieser in wirtschaftlichen, politischen oder militärischen Angelegenheiten als Spion dient oder Spione dieser Macht aufnimmt, verbirgt oder ihnen Beistand leistet. In minder schweren Fällen kann auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren erkannt werden. Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Jahre. § 2: Mit Zuchthaus wird bestraft, wer während der in Friedenszeit erfolgten Besetzung deutschen Gebietes durch eine fremde Macht wissentlich zum Nachteile des Deutschen Reichs oder eines deutschen Landes dadurch der besetzenden Macht Vorschub leistet, 1. daß er Verkehrsmittel, Werkstätten, gewerbliche Anlagen, Wälder, Bergwerke, fremde Gelder oder Guthaben, Zucht- oder Reittiere, Schlachtvieh oder Vorräte an Kohlen, Holz, industriellen Rohstoffen oder Erzeugnissen oder Lebens- oder Futtermitteln in die Verfügungsgewalt der fremden Macht bringt oder zum Vorteil dieser Macht zerstört, beseitigt oder unbrauchbar macht, oder ihre Ausfuhr nach dem unbesetzten Gebiet oder ihre Einfuhr nach dem besetzten Gebiet hindert; 2. daß er sich zum Dienste für die besetzende Macht abwerben läßt oder ihr seine Dienste anbietet oder andere für diese Dienste anwirbt; 3. daß er es unternimmt, Anordnungen der fremden Macht, deren Befolgung einem Verbote der deutschen Behörden zuwiderläuft, in der Bevölkerung zur Durchführung zu bringen. Bei mildernden Umständen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten.“ Die §§ 3, 4, 5 entsprechen den §§ 2, 3, 4 der endgültigen Fassung der VO vom 3. 3. (RGBl. I, S. 159), nennen neben dem Reichsgericht aber auch die Strafkammern als zuständig für die Aburteilung (R 43 I /1383 , Bl. 10).

7

In einer handschriftlichen Notiz für Luther betonte Hamm die bewußte Ausschaltung des pr. Vertreters bei dieser Sitzung: „Es ist heute keine förmliche Kabinettssitzung, sondern – wegen der Getreidewirtschaft 23/24 auf Ihren Wunsch sowie auch wegen der VO zu Art. 48 – eine Ministerbesprechung ohne den preußischen Vertreter.“ (R 43 I /1383 , Bl. 11).

8

Die Ordonnanz Nr. 147 vom 26. 2. stellte Gefährdungen, Behinderungen, Störungen und Schädigungen des Bahnbetriebes unter schwere Strafen und erklärte auch den Versuch, die Beihilfe, Anstiftung oder Vorbereitung dazu für strafbar (RT-Drucks. Nr. 5876 , S. 60 ff.).

9

Über diese Besprechungen waren keine Hinweise in R 43 I zu ermitteln. Am 3. 3. wird die VO erlassen; der § 2 des Entwurfs ist gestrichen (RGBl. I, S. 159). Er wird in etwas veränderter Fassung am 17. 5. erneut als VO-Entwurf vors Kabinett gebracht (Dok. Nr. 161, P. 6).

10

Die RReg. weist mit Note vom 6. 3. diese VO zurück: „Sie [die VO] will durch Strafbestimmungen von unerhörter Grausamkeit die deutschen Eisenbahnbediensteten zwingen, sich in Widerspruch mit ihrem Diensteid, ihrem vaterländischen Gefühl und ihrem Gewissen aktiv an der rechtswidrigen Aktion Frankreichs und Belgiens gegen Deutschland zu beteiligen.“ (RT-Drucks. Nr. 5876, Bd. 378, S. 63 ). Die dt. Eisenbahner werden nochmals darauf hingewiesen, daß sie nach wie vor ausschließlich den dt. Anordnungen zu gehorchen haben.

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