2.98.3 (cun1p): 3) [Militärkontrolle]

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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[313] 3) [Militärkontrolle]

Der Herr Reichsaußenminister teilte mit, daß General Nollet mit Note vom 15. März eröffnet hat, die Kontrollen würden wieder in vollem Umfange durchgeführt7. Es erhebe sich die Frage, was nun zu geschehen habe.

Der Herr Reichsschatzminister ist für eine klare Entscheidung dahin, daß Kontrollen durch französische und belgische Offiziere abgelehnt werden sollen. Wir sollten Angriffen gegenüber dies in der Öffentlichkeit des Auslands mit dem Hinweis auf die Unproduktivität der Kontrollen begründen.

Der Herr Reichsaußenminister hielt es für notwendig, alles zu vermeiden, was als Aufreizung erscheinen könnte.

Der Herr Reichsarbeitsminister bittet um vertrauliche Unterrichtung der Presse.

Der Herr Reichswehrminister hielt es für geboten, offen zu sagen, daß infolge des Vorgehens der Franzosen gegen die Schupo8, der Beschimpfung des deutschen Heeres durch Degoutte9, die Lage so verschärft worden sei, daß die Deutsche Regierung die Zuziehung der Franzosen und Belgier zu Militärkontrollen nicht mehr zulassen könne10.

Fußnoten

7

Gemeint ist offenbar die Note Nollets vom 10. 3., in der die Wiederaufnahme der Kontrollen zum 15. 3. angekündigt wurde. Diese Note führt zu einer Interpellation der DNVP (RT-Drucks. Nr. 5676 vom 17. 3., Bd. 377 ), die im Rahmen der Etatdebatten am 16. und 18. 4. vor dem RT behandelt wird (RT-Bd. 359, S. 10562  f. und 10607).

8

Nach der Weigerung der Schupo, eine Grußpflicht gegenüber frz. und belg. Offizieren anzuerkennen bzw. in Zivil Dienst zu tun (s. Anm. 5 zu Dok. Nr. 86) und verschiedenen Mißhandlungen dt. Polizeibeamter durch frz. Militärs, gingen die Franzosen dazu über, die Beamten der Schupo in großer Zahl auszuweisen. Erst am 16. 3. ergeht die VO Nr. 25, mit der General Degoutte die allgemeine Entwaffnung der Schupo und die Ausweisung aller Polizeibeamten verfügt (abgedruckt in RT-Drucks. Nr. 5876, Bd. 378, S. 158  f.).

9

Sachverhalt war nicht eindeutig zu klären.

10

Am 27. 3. versucht die IMK eine Reihe von Kontrollen vorzunehmen, die aber in den Fällen belg.-frz. Beteiligung scheitern. Sowohl das RWeMin. als auch das AA beklagen jedoch am 28. 3., daß immer noch keine einheitliche Regelung der Kontrollfrage zwischen den Ressorts zustandegekommen sei. Als Grundlage für diese einheitliche Regelung werden die Richtlinien empfohlen, die das AA mit Rundschreiben vom 5. 2. verbreitet und dem Kabinett am 13. 2. vorgelegt hatte (s. Anm. 7 zu Dok. Nr. 74). Am 10. 4. erklärt das AA eine neuerliche Kabinettsberatung für überflüssig, nachdem alle beteiligten Ressorts an der Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung festhalten und den Eventualbeschluß vom 5. 2. grundsätzlich gutheißen. Im einzelnen bittet das AA, „dafür Sorge zu tragen, daß sich die von der Kontrolle betroffenen Stellen der Kommission gegenüber nicht auf die von der Zentrale gegebenen Richtlinien berufen; die Ablehnung französischer und belgischer Kontrolloffiziere muß in jedem Einzelfalle als ein Akt freier Entschließung des Leiters der kontrollierten Stelle erscheinen und daher jeweilig durch einen Hinweis auf die konkreten Umstände des Falles (erregte Stimmung des Personals und dgl.) motiviert werden.“ (R 43 I /416 , Bl. 103 f.). Über die Reaktion der IMK auf die dt. Note vom 7. 3. (s. Anm. 2 zu Dok. Nr. 93) berichtet v. Rosenberg am 6. 4. in einem als „ganz geheim“ gekennzeichneten Rundschreiben an die beteiligten RMin. Danach hatte Nollet über die dt. Note Beschwerde bei der Botschafterkonferenz geführt, die dt. Vertreter in London und Rom aber hatten diesen Schritt durch ihre Vorstellungen weitgehend paralysiert, so daß eine scharfe Reaktion der Botschafterkonferenz in ihrer Note vom 21. 3. unterblieb. Darüber hinaus hatten diese dt. Bemühungen „eine Instruktion an General Nollet zur Folge gehabt, in der dieser angewiesen wird, bei Ausübung der Kontrolle nach Möglichkeit alles zu vermeiden, was geeignet sein könnte, deutsche Gefühle zu verletzen und Zwischenfälle hervorzurufen. Wenn dabei die fremden Regierungen von der Voraussetzung ausgegangen sind, daß Deutschland nunmehr seinerseits dafür Sorge tragen werde, daß sich die amtlichen Stellen einer mit Maß ausgeübten Kontrolle auch durch französische und belgische Offiziere unterwerfen, so ist sich das AA darüber klar, daß diese Voraussetzung aus innenpolitischen Gründen zur Zeit nicht zu erfüllen ist. Ich sehe daher einstweilen davon ab, die Angelegenheit nach dieser Richtung weiter zu verfolgen, wollte aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß eine wirkliche Entspannung im Verhältnis zur IMK noch keineswegs eingetreten ist.“ (R 43 I /416 , Bl. 106). Dieses Spannungsverhältnis bleibt auch in der Folgezeit bestehen. Nach umfangreichen diplomatischen Schriftwechseln und Sondierungen fordert die Botschafterkonferenz die RReg. mit Note vom 7. 6. erneut auf, „gemäß Art. 206 des VV die notwendigen Maßnahmen zu treffen und insbesondere sowohl den Beamten wie der Bevölkerung alle in Betracht kommenden Verwarnungen zukommen zu lassen, damit die IMK und das Luftfahrt-Garantie-Komitee ihre Tätigkeit sofort in ihrem vollen Umfange und ohne Zwischenfälle ausüben können.“ (R 43 I /416 , Bl. 162 f., 172 f.). Lt. Vermerk vom 14. 6. kommen der RK und der RAM überein, diese Note zunächst einmal unbeantwortet zu lassen. Am Verhalten gegenüber der IMK ändert sich nichts; eine Diskussion in der Öffentlichkeit wird bewußt vermieden. Die innenpolitischen Schwierigkeiten einer Kontrolle durch die IMK werden drastisch aufgezeigt in einem Bericht v. Haniels aus München vom 14. 6.: „Bei einer heutigen Unterredung kam MinPräs. von Knilling auch darauf zu sprechen, daß die alliierten Regierungen beabsichtigten, die militärischen Kontrollmaßnahmen wieder beginnen zu lassen. Herr v. Knilling äußerte die Befürchtung, daß es dabei zu Zwischenfällen kommen werde. Selbstverständlich werde die bayerische Regierung alles zum Schutze der Kommissionsmitglieder Mögliche veranlassen. Wenn indessen französische Offiziere in Uniform hier im Lande herumführen, so erscheine es ihm bei der Stimmung der hiesigen Bevölkerung kaum vermeidlich, daß dabei – wie er sich ausdrückte – ein paar über den Haufen geschossen würden.“ (R 43 I /416 , Bl. 169-171). Bei verschiedenen Kontrollmaßnahmen der Alliierten am 28. 6. werden die beteiligten frz. und belg. Offiziere wiederum zurückgewiesen, worauf die Kontrollen im Juli ganz eingestellt werden. Erst Anfang Oktober 1923 wird die Frage der Kontrollen von der Botschafterkonferenz erneut aufgegriffen und führt schließlich im Januar 1924 zur Wiederaufnahme der Kontrollen (Aktenmaterial dazu in R 43 I /416 ). Vgl. auch die Darstellung von Michael Salewski: Entwaffnung und Militärkontrolle in Deutschland 1919 – 1927, 1966, die das Aktenmaterial des AA auswertet.

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