2.53 (cun1p): Nr. 53 Besprechung mit Vertretern der Beamtenorganisationen. 24. Januar 1923, 16 Uhr

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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[192] Nr. 53
Besprechung mit Vertretern der Beamtenorganisationen. 24. Januar 1923, 16 Uhr

R 43 I /206 , Bl. 93-96

 

Anwesend1: [Cuno]2, Becker, Groener, Stingl; StS v. Welser, RegPräs. Gf. Adelmann; von den Beamtenverbänden: Völter, Flügel, Maerz, Rathke, Scaruppe. Warstein; [Protokoll: ORegR Offermann].

Der Herr Reichswirtschaftsminister eröffnete im Namen des zunächst verhinderten Herrn Reichskanzlers die Sitzung und sprach der Beamtenschaft den Dank der Regierung für ihr mannhaftes Verhalten aus. Die Regierung werde sich in jeder Lage der Beamten annehmen und sie schützen. Im Anschluß hieran gab er eine eingehende Schilderung der Lage im Ruhrgebiet und der Kohlenversorgung Deutschlands.

Der inzwischen erschienene Herr Reichskanzler begrüßte die Herren und sprach ihnen ebenfalls den Dank des Vaterlandes aus. Diesem Dank schlossen sich der Herr Reichspostminister und der Herr Reichsverkehrsminister an.

Der Herr Reichsverkehrsminister machte des weiteren davon Mitteilung, daß der Widerstand der Beamtenschaft gut organisiert sei und daß zur Zeit die Züge für Deutschland, jedoch nicht für den Feind gefahren würden. Er habe allerdings die Mitteilung bekommen, daß Frankreich kleinere Trupps französischer Eisenbahner, insbesondere aus Elsaß-Lothringen heranziehe, und ihm sei auch die zunächst unverbürgte Mitteilung gemacht worden, daß von Frankreich 5 Züge mit Eisenbahnern im Anrollen begriffen seien. Es sei selbstverständlich, daß diese Züge angehalten werden würden. Bestimmte Beamte der einzelnen Eisenbahndirektionen stellten die Verbindung mit den Organisationen in dem altbesetzten und dem neubesetzten Gebiet her, und er bäte die Beamtenvertreter, sich vertrauensvoll an diese Herren, die von Berlin bzw. ihrem Präsidenten nähere Weisung hätten, zu wenden. Ferner sei ihm leider zu Ohren gekommen, daß deutsche Reisende eines D-Zuges, der auf der Strecke liegengeblieben sei, verlangt hätten, von französischen Beamten weitergefahren zu werden. Er habe Anweisung gegeben, daß solche Reisende von den Beamten gewaltsam aus den Zügen entfernt werden sollten. Die Vorwürfe gegen die Eisenbahndirektion Essen würden besonders untersucht3.

Herr Flügel dankte der Regierung für die Einladung und stellte mit Genugtuung fest, daß die Regierung fest entschlossen sei, den Kampf mit allen Mitteln aufzunehmen. Er bewundere den mannhaften Widerstand der Volksgenossen an der Ruhr. Hier handle es sich um die letzte Phase des Weltkrieges, um einen Krieg mit andern, nämlich mit wirtschaftlichen Mitteln. Wer hier unterliege, habe den Weltkrieg endgültig verloren. Er könne die Versicherung abgeben, daß die Beamtenschaft geschlossen hinter Regierung und Volk träte.

Herr Scaruppe legt Wert darauf, daß zwischen Organisationen und Dienststellen[193] eine enge Verbindung hergestellt werde. Die Kommunisten seien mit ihren Wühlereien an der Arbeit, und es gelte, dieses Gift unschädlich zu machen.

Auf eine Anfrage bestätigte der Reichsverkehrsminister daß jeder Versuch der französischen Militärbehörde, die Bahnen zu militarisieren, mit allen Mitteln bekämpft werden würde. Er bat aber die Herren, davon in der Presse möglichst wenig Aufhebens zu machen.

Dr. Völter wies auf die Differenzierung der Sonderzuschläge in den Bezügen der Beamten und Arbeiter hin und glaubt, daß man da ausgleichend wirken müsse.

Herr Maerz versicherte der Regierung im Namen der Ruhrbeamten unverbrüchliche Treue.

Herr Rathke glaubt, daß man beruhigend wirken könne, wenn man jetzt sofort die Urlaubsfrage der Beamten dahin erledigt, daß eine Kürzung für 1923 nicht in Frage käme4. Dann wies er noch auf die Wucherbekämpfung hin.

Herr Maerz betonte, daß, wenn ein Generalstreik geplant sei, er seines Erachtens bald inszeniert werden müsse, denn sonst könne durch allerlei Machenschaften die Stimmung verdorben werden. Auch glaube er, erwähnen zu müssen, daß es einen guten Eindruck machen würde, wenn die aus Anlaß des letzten Streiks Gemaßregelten amnestiert würden. Der Reichsverkehrsminister sagte Nachprüfung der Frage zu5.

Der Herr Reichswirtschaftsminister machte davon Mitteilung, daß der Herr Reichskanzler leider durch eine andere Sitzung am Wiedererscheinen verhindert sei6 und schloß mit warmen Worten des Dankes die Besprechung7.

Fußnoten

1

Nach beiliegender handschriftlicher Anwesenheitsliste.

2

Der RK fehlt auf der Anwesenheitsliste; er erschien erst später zur Sitzung.

3

S. dazu Anm. 15 zu Dok. Nr. 51.

4

Lt. Vermerk Offermanns vom 10. 1. hatten sich bis dahin das RVMin. und das RFMin. für eine Kürzung, das RIMin., REMin. und RMinWiederaufbau für die Beibehaltung der bisherigen Urlaubszeiten ausgesprochen (R 43 I /2635 , Bl. 292). Am 20. 2. teilt das RIMin. mit, daß mit Rücksicht auf die heutige Lage diese Frage mit den Beamtenorganisationen besprochen worden sei, die sich stark ablehnend verhalten hätten (R 43 I /2635 , Bl. 319). Am 28. 2. spricht sich das Kabinett für die Beibehaltung der bisherigen Urlaubsregelung aus (Dok. Nr. 86, P. 4).

5

Am 31. 1. weist StS Hamm den RVM darauf hin, daß die Frage der Amnestie immer wieder an den RK herangetragen werde und daher demnächst im Kabinett besprochen werden müsse (R 43 I /2125 , Bl. 236). Das geschieht am 27. 2. (Dok. Nr. 85, P. 3).

6

Um 17 h fand in der Rkei eine Besprechung über das Notgesetz und die Rückwirkungen der Ruhrbesetzung auf die inneren Verhältnisse statt (Hinweis in R 43 I /1347 , Bl. 11 ‚Inhaltsangabe von Kabinettsprotokollen‘).

7

Offermann fügt noch handschriftlich an: „Für die Presse wurde anliegender Bericht gefertigt“. Darin heißt es u. a.: „Der RK sprach der deutschen Beamtenschaft seinen und des Vaterlandes Dank für die mannhafte und bestimmte Art aus, in der sie die Politik der Regierung unterstützt habe. Die Regierung werde in jedem Falle hinter der bedrängten Beamtenschaft stehen, komme, was da wolle. Im Anschluß hieran gab die Regierung den Beamtenvertretern eingehende Informationen über die Lage. Die Beamtenvertreter dankten der Regierung für die Einladung und für die gegebenen Auskünfte. Die anerkennenden Worte würden dazu beitragen, die Beamtenschaft in ihrem entschlossenen Widerstande gegen die Vergewaltigung zu stärken.“ (R 43 I /206 , Bl. 97).

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