1.43.1 (ma32p): 1. Deutsch-französische Handelsvertragsverhandlungen.

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1. Deutsch-französische Handelsvertragsverhandlungen.

Ministerialdirektor Ritter trug den augenblicklichen Stand der Verhandlungen in Paris vor. Er legte dar, daß es nach dem mündlichen Bericht, der von den aus Paris herübergekommenen – und in der Sitzung anwesenden – Mitgliedern der Deutschen Delegation Ministerialrat Ernst und Ministerialrat Ebner erstattet sei, sowie nach einer schriftlichen Äußerung des Delegationsleiters Ministerialdirektors Posse ausgeschlossen sei, die Franzosen zum Verzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht zu bewegen1. Es spreche aber ein sehr[891] hoher Grad von Wahrscheinlichkeit für die Annahme, daß das Kündigungsrecht niemals praktisch werden werde. Diese Darlegungen wurden sowohl von Ministerialrat Ernst wie auch von Ministerialrat Ebner auf Grund ihrer eigenen Kenntnis von den Verhandlungen in Paris als zutreffend bestätigt.

Die anschließende sehr eingehende Diskussion befaßte sich mit dem Problem der Behandlung des Weinkontingents in einem das außerordentliche Kündigungsrecht enthaltenden Vertrage.

Reichsminister Schiele stellte zwei Wege, die man nach seiner Auffassung allein gehen könne, zur Erörterung:

a) Das Weinkontingent wird deutscherseits von Anfang an aufrechterhalten mit der Maßgabe, daß es in dem Augenblick vollständig in Wegfall kommt, in dem die Franzosen die Erklärung abgeben, daß sie auf das Kündigungsrecht verzichten.

b) Der Vertrag beginnt ohne Weinkontingent. Sobald die Franzosen jedoch von dem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen, soll für die Dauer der dann laufenden 3 Monate Kündigungsfrist die Weineinfuhr wieder kontingentiert sein. Wenn der Fall der außerordentlichen Kündigung eintritt, soll das Vierteljahreskontingent dann aber nicht etwa selbständig zu laufen beginnen, sondern es soll dann die tatsächliche französische Weineinfuhr in den vorausgehenden ¾ Jahren von der Jahresmenge abgezogen werden, die der Berechnung des Vierteljahreskontingents zu Grunde liegt, und es soll dann während der 3 Monate Kündigungsfrist zu den Meistbegünstigungssätzen nur noch der bis dahin tatsächlich nicht ausgenutzte Rest der Jahresmenge, jedoch höchstens bis zur Höhe des Vierteljahreskontingents eingeführt werden dürfen.

Reichsminister Stresemann fügte diesen beiden Regelungsmöglichkeiten eine dritte hinzu, indem er den vorstehenden zweiten Vorschlag des Reichsministers Schiele dahin abgeändert wissen wollte, daß nach Eintritt der Kündigung eine Verrechnung der Einfuhr aus der zunächst kontingentsfreien Zeit auf das Kontingent der Kündigungsfrist nicht stattfinden solle; daß also das Kontingent nach Eintritt der Kündigung selbständig zu laufen beginnen solle.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag a) des Reichsministers Schiele mit 4 gegen 6 Stimmen abgelehnt und der Antrag b) des Reichsministers Schiele mit 6 gegen 4 Stimmen angenommen.

Durch diese Abstimmung erledigte sich der Antrag des Reichsministers Stresemann ohne weiteres.

Bezüglich der Höhe des für den Fall der Kündigung im Vertrage vorzusehenden Kontingents ließ das Kabinett der Delegation bis zur Höhe von 360 000 dz Jahreskontingent freie Hand2.

Fußnoten

1

Siehe den telegrafischen Bericht des MinDir. Posse vom 11.8.27 aus Paris an das AA, in: ADAP, Serie B, Bd. VI, Dok. Nr. 107.

2

Das Ergebnis dieser Kabinettsberatung übermittelte MinDir. Ritter mit Telegramm vom 12. 8. an die dt. Botschaft in Paris; siehe ADAP, Serie B, Bd. VI, Dok. Nr. 109.

Am 17.8.27 wurde das „Handelsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich“ in Paris unterzeichnet (siehe ADAP, a.a.O., Dok. Nr. 120 und 132). Gemäß VO der RReg. vom 30.8.27 wurde das Handelsabkommen zunächst vorläufig angewendet (RGBl. II, S. 523 –877); die endgültige Inkraftsetzung erfolgte nach Zustimmung des Reichstagsplenums durch Gesetz vom 26.11.27 (RGBl. II, S. 1105 ; amtliche Denkschrift zum Abkommen in: RT-Bd. 419 , Drucks. Nr. 3651 ).

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