2.32 (mu21p): Nr. 32 Vermerk Staatssekretär Pünders über die Postabfindung an Bayern. 18. September 1928

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Nr. 32
Vermerk Staatssekretär Pünders über die Postabfindung an Bayern. 18. September 1928

R 43 I /2334 , Bl. 44 f.

Herr Minister Schätzel suchte mich heute nachmittag in folgender Angelegenheit auf:

Bei Erledigung der Beamtenbesoldungsordnung1 entstanden bekanntlich Schwierigkeiten mit der Bayerischen Volkspartei, die behauptete nicht in der Lage zu sein, diese Bezüge auszuzahlen. Es fehlten der bayerischen Regierung rund 30–40 Millionen. Es kam daher damals zwischen der Reichsregierung, vertreten durch den Herrn Reichsminister der Finanzen Dr. Köhler, und der bayerischen Staatsregierung, vertreten durch den Herrn Finanzminister Schmelzle, ein Abkommen zustande, wonach Bayern als Vorschuß auf seine endgültige Postabfindung2 einen Betrag von 35 Millionen erhalten sollte3. Dieses Abkommen fand seinen Niederschlag in einem vom Reichsfinanzminister Köhler dem damaligen Herrn Reichskanzler Dr. Marx zur Unterschrift vorgelegten Brief4.

Später schienen bei der Abwicklung Schwierigkeiten aufzutauchen, jedenfalls verzögerte sich die Erledigung. Auf Betreiben des Herrn Reichspostministers[132] Dr. Schätzel fand dann damals während der Erkrankung des Herrn Reichskanzlers Dr. Marx im Beisein des Unterzeichneten eine Aussprache zwischen dem Vizekanzler Hergt, Reichsminister der Finanzen Dr. Köhler und Reichspostminister Dr. Schätzel statt5. Unterzeichneter entsinnt sich persönlich genau, daß in dieser Besprechung Herr Reichsminister der Finanzen Dr. Köhler sich gegen den Verdacht verwahrte, als ob ihm die Durchführung des Abkommens nicht mehr ernst sei; selbstverständlich werde er für die Durchführung nach wie vor besorgt sein.

Trotz dieser Zusage ist inzwischen nichts geschehen, weshalb mich heute Herr Reichspostminister Dr. Schätzel aufsuchte. Er führte aus, daß die bayerische Staatsregierung mit dem für sie sehr erheblichen Betrage von 35 Millionen fest gerechnet habe und deshalb unter keinen Umständen ohne ihn auskommen könne. Sie hat deshalb Herrn Minister Schätzel um Intervention gebeten. Letzterer glaubt nun, daß die Nichtauszahlung dieses Betrages auf haushaltsrechtliche Bedenken des Reichsfinanzministeriums zurückzuführen sind, wonach Vorschüsse auf künftige Verpflichtungen des Reichs nicht geleistet werden dürften6. Herr Minister Schätzel ist nun, abgesehen davon, daß es sich doch um eine feste Zusage der Reichsregierung handele, der Auffassung, daß es sich gar nicht um einen Vorschuß auf eine künftige Fälligkeit, sondern lediglich um Zahlung rückständiger Verbindlichkeiten handle. Nach seiner Angabe rechnet die bayerische Staatsregierung diesbezüglich folgendermaßen:

Der Gesamtbetrag der bayerischen Postabfindung schwanke in seiner Höhe schätzungsweise zwischen 100–200 Millionen. Sie wolle nun lediglich den geringsten Betrag von 100 Millionen ansetzen. Dieser Betrag sei seit 8 Jahren (genau seit dem 1. April 1920) fällig. Verzinse man ihn mit 4½%, so komme man heute auf einen Betrag an rückständigen Zinsen von genau 36 Millionen. Es sei daher durchaus gerechtfertigt und haushaltsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Reich den erbetenen Betrag von 35 Millionen alsbald zur Auszahlung bringe7.

Ich versprach Herrn Reichspostminister Schätzel, den Herrn Reichskanzler von dem Sachentscheid zu orientieren und für eine baldige Entscheidung der Reichsregierung besorgt zu sein.

Pünder

Fußnoten

1

Siehe Beamtenbesoldungsgesetz vom 16.12.27, RGBl. I, S. 349  ff.

2

Durch Staatsvertrag vom 29./30.3.20 war die bayerische Post auf das Reich übergegangen (RGBl. I, S. 643  ff.) Das Reich wurde durch § 13 des Reichspostfinanzgesetzes vom 18.3.24 (RGBl. I, S. 289 ) ermächtigt, mit Bayern und Württemberg über die Tilgung der Vergütung zu verhandeln, die für Bayern 620 Mio RM betrug. – In den Verhandlungen hatten – nach Vorlage des RFM vom 7.1.29 – die beiden Länder die vom Reich vorgeschlagenen Summen als zu gering abgelehnt (R 43 I /2334 , Bl. 110-176, hier: Bl. 117-119).

3

Nach Köhlers „Lebenserinnerungen“, S. 203, handelte es sich um ein „Entgegenkommen“, damit die Gesetzesvorlage nicht gestört werde.

4

In einem Schreiben an den RFM, in dem der StSRkei den Wunsch des RK zum Ausdruck brachte, die Abfindungsfrage im Kabinett zu behandeln, heißt es: „[…] insbesondere befindet sich der seinerzeit mit der Unterschrift des Herrn RK Marx herausgegebene Brief in Urschrift nicht in den Akten der Rkei“ (22.9.28; R 43 I /2334 , Bl. 46 f.).

5

Ein gleichlautender Vermerk des StSRkei vom 4.5.28 befindet sich auf der Durchschrift seiner Niederschrift über eine Unterredung mit RPM Schätzel über die gleiche Angelegenheit am 3. 5. (R 43 I /2334 , Bl. 40-43).

6

Der § 27 der RHO lautet: „Als Vorschuß darf eine Ausgabe nur gebucht werden, wenn die Verpflichtung zur Leistung zwar feststeht, die Verrechnung aber noch nicht endgültig erfolgen kann […]“ (RGBl. 1923 II, S. 20 ).

7

Tatsächlich waren an Bayern bis 1923 Zinsenzahlungen erfolgt. Der Betrag von 100 Mio RM war 1926 vom RFM genannt worden, da er zwei Drittel des bayerischen Vermögensanteils in der Eröffnungsbilanz der RP ausmachte (Vorlage des RFM vom 7.1.29; R 43 I /2334 , Bl. 112-176, hier: Bl. 119f). Der RFM war der Ansicht, daß Bayern dadurch begünstigt worden sei, daß während der Tilgungsverhandlungen als Grundlage das Anlagekapital gewählt wurde; denn in den drei Vorkriegsjahren habe Bayern ein durchschnittliches Postdefizit von 274 563 Mark gehabt und der Durchschnitt der Jahre von 1904 bis 1913 ergebe nur einen durchschnittlichen Jahresüberschuß von 588 035 Mark (R 43 I /2334 , Bl. 112-176, hier: Bl. 120).

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