1.116.1 (mu22p): 1. Stellungnahme der Reichsregierung zum Memorandum des Reichsbankpräsidenten.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Kabinett Müller II. Band 2 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

Extras:

 

Text

RTF

1. Stellungnahme der Reichsregierung zum Memorandum des Reichsbankpräsidenten.

Das in der Vormittagssitzung beauftragte Redaktionskomitee legte den anliegenden Entwurf für eine Verlautbarung der Reichsregierung vor1. Die Mehrheit der Reichsminister war mit diesem Entwurf nicht einverstanden. Insbesondere wünschten der Reichswehrminister, der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und der Reichsminister der Finanzen eine wesentlich schärfere Abwehr gegen die Angriffe des Reichsbankpräsidenten auf die Finanzpolitik der Reichsregierung.

Der Reichsminister des Auswärtigen der Reichsminister der Finanzen und der Reichsminister für die besetzten Gebiete übernahmen es, einen neuen Entwurf aufzustellen. Inzwischen trat in der Ministerbesprechung eine Pause ein. Nach Wiederaufnahme der Verhandlungen verlas Reichsminister Hilferding den anliegenden neuen Antwortentwurf, von dem er bemerkte, daß er von den an der Redigierung des Entwurfs mitbeteiligten Reichsministern einstimmig gebilligt[1235] worden sei. Der endgültige Wortlaut wurde daraufhin vom Reichskabinett einstimmig festgesetzt2.

Der Reichskanzler teilte mit, daß er dem Reichsbankpräsidenten einen Abdruck noch vor der Mitteilung an die Presse zustellen lassen werde3.

Fußnoten

1

Der Entwurf lautete: „Der Herr RbkPräs. Dr. Schacht hat der RReg. ein Memorandum zu den im Gang befindlichen Verhandlungen über den Young-Plan und zu den Fragen der Finanzpolitik zugeleitet. Er hat dieses Memorandum vorher veröffentlicht, und zwar mitten im Laufe von Besprechungen, die über die Fragen mit ihm gepflogen worden sind und bei denen er auch darüber unterrichtet worden war, was die Regierung für die Entlastung der Wirtschaft und die Neuordnung der Finanzen zu tun beabsichtigt. – Die RReg. kann diese Veröffentlichung, die in die schwebenden außenpolitischen Verhandlungen hineinfällt, nur bedauern. – Die RReg. hat stets bekundet, daß sie sich der schweren Belastung, welche die Durchführung des Young-Plans für das deutsche Volk bedeutet, voll bewußt ist. Sie hat die bisherigen Verhandlungen über die Inkraftsetzung des Young-Plans mit allen zu Gebote stehenden Mitteln so zu gestalten gesucht, wie sie den deutschen Interessen entspricht. In den Fragen, die Herr Dr. Schacht in seinem Memorandum erwähnt, ist es ihm bei den Pariser Verhandlungen leider nicht gelungen, eine für Deutschland günstige Entscheidung zu erzielen oder eine ausreichende Grundlage für ein besseres Ergebnis der späteren Regierungsverhandlungen zu schaffen. Über die hier in Betracht kommenden Einzelpunkte hat die RReg. bereits dem Auswärtigen Ausschuß des RT und RR Auskunft gegeben. – Was die Fragen der Finanzpolitik angeht, so ist die RReg. sich bereits in den letzten Tagen einmütig dahin schlüssig geworden, dem RT im Lauf der kommenden Woche ihr finanzielles Gesamtprogramm vorzulegen. Die Fraktionsführer haben bereits für den Anfang der kommenden Woche eine Einladung zur Erörterung dieses Finanzprogramms erhalten. Der RK wird am kommenden Mittwoch dem RT dieses Programm der RReg. in einer Regierungserklärung vorlegen und hierfür sowie für die Haager Verhandlungen die Vertrauensfrage stellen“ (R 43 I /1440 , Bl. 196 f., hier: Bl. 196 f.).

2

Die endgültige Fassung lautete – Konzeptfassung in runden, dort nicht Enthaltenes in spitzen Klammern –: „Der Herr RbkPräs. Dr. Schacht hat der RReg. ein Memorandum zu den im Gang befindlichen Verhandlungen über den Young-Plan und zu den Fragen der Finanzpolitik zugeleitet. Die Veröffentlichung fällt mitten in Besprechungen, die über diese Fragen mit ihm gepflogen worden sind. – Die RReg. muß ihr Befremden über die Veröffentlichung aussprechen (und sieht in ihr einen schwer verständlichen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Staatsautorität. Dieser Pflicht hätte sich der Herr RbkPräs. als der Leiter einer der wichtigsten Institutionen des Reichs bewußt sein müssen). <Die Voreiligkeit mit der die Stellungnahme des Herrn RbkPräs. erfolgt ist, gefährdet die einheitliche Staatsführung.> Der Herr RbkPräs. hatte zwar im Laufe der Besprechungen angekündigt, daß er sich vorbehalten müsse, seine Auffassungen über die Beurteilung der schwebenden Fragen (Verhandlungen) darzulegen, er hat dabei aber ausdrücklich betont, daß dies in einer Form geschehen würde, die keinen Schaden anrichten könne. Art und Inhalt des Memorandums sowie der Zeitpunkt seiner Veröffentlichung stehen hierzu (hiermit) in schroffem Widerspruch. – Die RReg. lehnt es ab (muß es ablehnen), sich im gegenwärtigen Zeitpunkt auf eine Auseinandersetzung mit den Darlegungen des Memorandums einzulassen. – Die RReg. hat sich bereits in den letzten Tagen (einmütig) dahin schlüssig gemacht, dem RT im Laufe der kommenden Woche <die Grundzüge> ihres finanziellen Gesamtprogramms zu unterbreiten (ihr finanzielles Gesamtprogramm vorzulegen). Das Programm wird Maßnahmen zur Sanierung der deutschen Finanzen, eine umfassende Steuerreform und <die> Entlastung der Kassenlage, insbesondere auch von den Zuschüssen für die ALV <durch Verstärkung der Einnahmen der Anstalt> umfassen. Den Fraktionsführern der an der Regierung beteiligten Parteien ist <schon vor Tagen> eine Einladung zur Erörterung dieses Programmes für den Anfang der kommenden Woche zugegangen. Der RK wird am nächsten Mittwoch dem RT, dem die Regierung allein verantwortlich ist, dieses Programm der RReg. in einer Regierungserklärung vorlegen und hierfür sowie für <die Gesamtpolitik der RReg.> (die Haager Verhandlungen) die Vertrauensfrage stellen“ (R 43 I /299 , Bl. 48 f., hier: Bl. 48 f.; veröffentlicht in WTB Nr. 2511 vom 6.12.29; R 43 I /299 , Bl. 84, hier: Bl. 84).

3

Zu dem Anschreiben des RK an RbkPräs. Schacht zu dieser Verlautbarung verfügte MinDir. v. Hagenow: „Durch besonderen Beamten heute noch abtragen (nicht durch Post).“ Nach einem Vermerk des Bürodirektors Ostertag wurde das Schreiben am gleichen Tag um 18 Uhr expediert (R 43 I /299 , Bl. 47, hier: Bl. 47).

Extras (Fußzeile):