2.83.4 (str1p): c) Angelegenheit der Waffenlieferung an die kommunistische Partei unter Beteiligung der russischen Botschaft.

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RTF

c) Angelegenheit der Waffenlieferung an die kommunistische Partei unter Beteiligung der russischen Botschaft27.

Der Herr Reichskanzler teilt mit, daß die Russische Botschaft sich beschwert habe auf Grund einer Notiz im Vorwärts, in der Mitteilungen gemacht waren über die Beteiligung eines Mitgliedes der Russischen Botschaft Petrow an Waffenlieferungen für die Kommunistische Partei28. Er bitte, dem Herrn[386] Reichsminister des Auswärtigen alsbald Material über die tatsächlichen Verhältnisse zu unterbreiten, damit er der Beschwerde der Russischen Botschaft begegnen könne.

Der Herr Reichsminister des Innern sagt zu, das Weitere in dieser Richtung zu veranlassen29.

d) [Das RKab. stimmt der Ernennung MinDir. Sauters zum StSRPMin. zu.]

Fußnoten

27

S. hierzu auch Anhang Nr. 1. – Mit einem Verweis auf die Daten 8. 10. und 17. 9., die sich wahrscheinlich auf das Hasse-Tagebuch beziehen, wird in den Lieber-Aufzeichnungen von der „Beteiligung von Mitgliedern der russischen Botschaft an der Waffenbeschaffung für die Kommunisten und die Unterbringung von Maschinengewehren an der russischen Botschaft“ gesprochen. „Am 22. 9. hat die preußische Polizei ein größeres kommunistisches Waffenlager beschlagnahmt, was der Heeresleitung als verfrüht erscheint.“ Als Inhaber der vollziehenden Gewalt habe Geßler die Polizei angewiesen, „daß die Waffenkaufsfragen seitens der russischen Botschaft beim Reichskommissar für die öffentliche Ordnung zu bearbeiten sind“ (BA-MA: NL von Rabenau  40, Bl. 32). Dazu ist zu bemerken, daß Geßler erst durch die Ausnahme-VO vom 26.9.23 (s. o. P. b) Inhaber der vollziehenden Gewalt geworden ist.

28

Der „Vorwärts“ hatte am 25.9.23 berichtet, die Berliner politische Polizei habe zwei Waffenlager entdeckt, die „für Zwecke des Bürgerkrieges in Deutschland von amtlichen Stellen der hiesigen russischen Vertretung errichtet“ worden seien. Darauf hatte sich Botschafter Krestinski am 27.9.23 an StS von Maltzan gewandt, da dieser nicht sogleich zur Aufklärung des Sachverhalts an ihn herangetreten sei. Maltzan hatte darauf erwidert, es sei an die zuständigen Ressorts die Bitte ergangen, die Sachlage zu überprüfen, da gegebenenfalls eine schwere Verletzung des Rapallo-Vertrags vorliege. Er hätte es als beleidigend für die Botschaft angesehen, nur auf Grund der privaten „Vorwärts“-Meldung mit ihr Kontakt aufzunehmen. Liege eine Fehlinformation vor, werde die Zeitung aufgefordert, privat ihr Bedauern auszudrücken. „Auf die Anregung des Botschafters, daß vor Erledigung der Angelegenheit eine weitere Behandlung in der Presse verhindert werden möge, erwiderte der Staatssekretär, die Botschaft würde wohl schon bemerkt haben, daß seit gestern weitere Pressebesprechungen nicht mehr erfolgt wären. – Der schließlichen Bemerkung des Botschafters, daß es der Regierung wohl nicht entgangen sein würde, daß die betreffenden Zeitungsmeldungen nicht nur Angriffe gegen Rußland, sondern auch gegen die Deutsche Regierung enthalte (‚Legale Waffenlieferungen‘) begegnete der Staatssekretär mit der Bemerkung, daß ihm dies durchaus gegenwärtig, aber auf ihn ohne Eindruck geblieben sei“ (Aufzeichnung MinDir. Wallroths; R 43 I /133 , Bl. 629–631). Zwischen dem 25. 9. und dem 12.10.23 fand zwischen dem AA und der dt. Botschaft in Moskau ein mehrfacher Telegrammwechsel statt, wobei von Berlin aus eingestanden werden mußte, daß ein schlüssiger Beweis für die Verwicklung der Botschaft der UdSSR oder der Handelsmission nicht zu erbringen sei. Allerdings erschien der russ. Botschaftsangehörige Petrow dem AA stark kompromittiert. RIM Sollmann erklärte in einem Schreiben an das AA vom 17.10.23, die Beteiligung der russ. Botschaft und Handelsvertretung an der Anlage des Waffenlagers sei nicht widerlegt worden (Pol. Arch.: Büro RM 9, Bd. 6; Geheimakten Länder II: Rußland Po 19 A).

29

Diese Affäre kam auch im Reichstag zur Sprache: am 8.10.23 durch den völkischen Abg. von Graefe und am folgenden Tag durch den völk. Abg. Wulle (RT-Bd. 361, S. 12012 , 12058  f.). Die „Iswestija“ wies am 6. 10. die Vorwürfe des „Vorwärts“ zurück und bedauerte, daß sich die RReg. von ihnen nicht distanziert habe (Soviet Documents on Foreign Policy, vol. I, S. 410 ff.). Am 17.11.23 berichtete der RKom. zur Überwachung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausführlich über die Untersuchungen, die im Zusammenhang mit den Waffenfunden gemacht worden waren. Kuenzer gelangte zu der Ansicht, der Militärreferent der Botschaft Petroff habe in großem Umfang seit langer Zeit Waffen und Munition angekauft. „Nach dem Urteil von Sachverständigen erscheint es ausgeschlossen, daß es sich bei diesem Ankauf um Anschaffung für den Gebrauch in Rußland gehandelt hat; jedenfalls kann eine Verwendung dieser Waffen für die Ausrüstung der Roten Armee nicht in Frage kommen.“ Alle Anzeichen sprächen dafür, daß die Waffen für innerdeutsche Zwecke hätten Verwendung finden sollen. Bei einem Ankauf für Rußland hätte für die russische Botschaft auch kein Grund zur Verheimlichung bestanden. Schließlich erklärte Kuenzer, daß der angebliche Petroff nicht Russe, sondern ein ehemaliger frz. U-Boot-Offizier sei (R 43 I /133 , Bl. 665–671). Zu dem Bericht Kuenzers ist anzumerken, daß nach Art. 170 VV der Export von Waffen und Munition aus Deutschland verboten war. – S. a. Dok. Nr. 152.

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