1.99 (vpa2p): Nr. 228 Bericht über den Pressevortrag Hermann Görings im Hotel Kaiserhof am 24. November 1932, 17 Uhr

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Nr. 228
Bericht über den Pressevortrag Hermann Görings im Hotel Kaiserhof am 24. November 1932, 17 Uhr1

R 43 I /1309 , S. 549–5532

[Verhandlungen Hitlers zur Regierungsbildung]

G. wolle der Presse anläßlich der Überreichung des Briefwechsels zwischen Hitler und dem Reichspräsidenten eine geschlossene Darstellung über die gesamten Vorgänge der Verhandlung geben. Das sei notwendig aus der Tatsache des 13. August3. Man habe deshalb auch alles schriftlich niedergelegt. Die Presse wisse ja selbst, daß durch Auflagenachrichten4 Versionen verbreitet werden[1001] könnten, die das Gegenteil von dem enthielten, was sich tatsächlich zugetragen habe, wenn nicht das ganze Material schriftlich vorliege.

Die entscheidende Frage sei die, warum man Hitler nicht am 13. August mit der Aufgabe der Regierungsbildung betraut habe. Das ganze Vorgehen der Verhandlungen über die Regierungsbildung führe daher notwendig zu dem Zweifel, ob von der anderen Seite die Verhandlung ernst gemeint war, oder ob man nicht vielmehr das Ziel verfolgt habe, einen sogenannten Notstand und die Existenzberechtigung des Kabinetts Papen zu beweisen. Die Vorbehalte des Reichspräsidenten5 mußten in jedem Falle das Gelingen einer Mehrheitsbildung ausschließen. Das könne er leicht beweisen.

Wenn in dem Schreiben des Herrn Staatssekretärs Meissner6 behauptet werde, es habe zwischen den Parteiführern und dem Herrn Reichspräsidenten gelegentlich der Empfänge Ende voriger Woche eine grundsätzliche Übereinstimmung über die Vorbehalte bestanden, so sei das falsch. Zum Beispiel habe über die Beseitigung des Dualismus zwischen Reich und Preußen unter den Parteiführern keine einheitliche Ansicht bestanden. Er wisse – und man könne es in der Presse und in den Parteikorrespondenzen des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei7 nachlesen –, daß diese beiden Parteien niemals eine Personal-Union zwischen Preußischem Ministerpräsidenten und Reichskanzler in einer Person (gemeint ist wohl Hitler) anerkannt hätten. Er, Göring, habe sich in seinen Besprechungen vom Sonntag8 gerade von diesem Punkte überzeugt9.

Die Vorbehalte des Reichspräsidenten über die Besetzung des Außen- und Wehrministeriums, die sich angeblich aus seiner verfassungsmäßigen Stellung als Oberbefehlshaber der Wehrmacht und als Vertreter des Reiches beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge ergeben, seien nach gewissenhafter Prüfung des Verfassungstextes abzulehnen. Ein Einfluß des Reichspräsidenten auf die Besetzung dieser beiden Ministerien sei nicht verfassungsmäßig. Denn auch für die Wehr- bzw. die Außenpolitik habe in einem parlamentarischen Kabinett einzig und allein der gegenzeichnende Reichskanzler und die beiden zuständigen gegenzeichnenden Minister die Verantwortung zu tragen, und zwar eine Verantwortung in erster Linie gegenüber dem Reichstag.

Hitlers Vorschlag, den er gestern in seinem Schreiben an Staatssekretär Meissner10 gemacht habe, sei ganz falsch ausgelegt worden. Hitler habe keineswegs die Kanzlerschaft in einem Präsidialkabinett verlangt, er habe sich überhaupt auf die Unterscheidung zwischen Präsidialkabinett und parlamentarischer Regierung nicht eingelassen. Er habe lediglich gefordert, daß man ihn zum Kanzler ernenne, und ihn in seiner Eigenschaft als ernannter Kanzler mit allen erforderlichen Vollmachten versehe, die zum Verhandeln über eine arbeitsfähige Regierung auf Mehrheitsbasis nötig seien. Diesen Vorschlag habe[1002] der Reichspräsident abgelehnt11. Es könne also gar keine Rede davon sein, daß diesmal Adolf Hitler eine Chance geboten worden sei. Man habe ihm keine Chance geboten, sondern einen Knüppel zwischen die Beine geworfen (wörtlich).

Er könne sich dem Eindruck nicht entziehen, daß Kräfte, die er nicht näher zu nennen brauche, hinter dem Reichspräsidenten gestanden und eine Kabinettsbildung Hitlers planmäßig verhindert hätten.

Zusammenfassend sagte G.: Es haben nur zwei Möglichkeiten für Adolf Hitler bestanden.

Entweder hätte der Führer mit der Bildung einer parlamentarischen Mehrheitsregierung beauftragt werden können, dann aber dürften keinerlei Einschränkungen und Vorbehalte gemacht werden, auch nicht in Betreff des Außen- und Wehrministeriums;

oder Hitler hätte mit der Kanzlerschaft und allen zu ihr gehörenden Vollmachten betraut werden müssen, die es ihm ermöglicht hätten, auf die Parteien und den Reichstag den zu erfolgreicher Verhandlung nötigen Druck auszuüben und gegebenenfalls gegen einen widerspenstigen Reichstag an das Volk zu appellieren. Das allein wäre eine Chance für Hitler und eine faire Beauftragung gewesen.

Es sei Hitler nie darauf angekommen, gegen die Volksvertretung zu regieren. In diesem Punkte unterscheide er sich absolut von Herrn v. Papen. Man hätte ihn aber instand setzen müssen, sich eine Mehrheit in der Volksvertretung zu verschaffen.

Göring schloß mit der Bemerkung, die Türen seien zwar von beiden Seiten noch nicht ganz zugeschlagen, aber der Führer und seine Bewegung würden in keinem Falle von ihrer klaren Linie abweichen. Sie würden kein, aber auch kein Kabinett weder unterstützen noch tolerieren. Sie würden jedes Kabinett abenso zur Strecke bringen (wörtlich) wie das Kabinett v. Papen. Das deutsche Volk könne nur von Hitler gerettet werden. Er verweise auf das Interview, das dieser Tage der ehemalige Reichsbankpräsident Schacht gegeben hätte, in dem er sagte: Wenn Hitler nicht jetzt Kanzler werde, so werde man gezwungen sein, ihn in 4 Monaten zu holen12.

Fußnoten

1

Unter dem 24. 11. vermerkte StS a. D. Schäffer in seinem Tagebuch: „Krämer war in der Pressekonferenz von Göring. Er betont dessen besondere Höflichkeit, auch gegen die Linkszeitungen, aber auch den starken Phrasenschwall über den Fortgang der Bewegung.“ (Schäffer-Tagebuch, IfZ ED 93, Bd. 23 a, S. 1004).

2

Der Bericht trägt keine Unterschrift, stammt aber wohl aus der Presseabteilung der RReg., möglicherweise von Reichspressechef MinDir. Marcks selbst. Auf seiner Kopfseite befindet sich der handschrl. Vermerk: „H[errn] StS Planck, zugl[eich] für Herrn Reichsk[an]zler. M[arck]s, 24. 11.“

3

Hierzu vgl. Dok. Nr. 101 und 102 (Anlage).

4

Vgl. dazu Anm 2 zu Dok. Nr. 20.

5

Vgl. Dok. Nr. 224.

6

Schreiben Meissners an Hitler vom 22. 11. (Dok. Nr. 225).

7

Vgl. Anm 9 zu Dok. Nr. 226.

8

20.11.32.

9

Hierzu nichts ermittelt.

10

Dok. Nr. 226.

11

Vgl. Dok. Nr. 227.

12

Nach „VB“ handelte es sich hierbei um ein Interview mit der „Nordwestdeutschen Zeitung“ (Bremerhaven) am 22. 11., bei dem Schacht erklärt hatte: „Es gibt nur einen, der heute Reichskanzler werden kann, und das ist Adolf Hitler. […] Wird Hitler jetzt nicht Kanzler, dann wird er es in vier Monaten. Er kann warten.“ („VB“ vom 24.11.32).

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