2.74.1 (wir1p): Amerikanische Fragen.

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 1Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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Amerikanische Fragen.

Reichsminister des Auswärtigen Dr. Rosen trägt den Stand der Verhandlungen vor1. Er teilt insbesondere mit, daß bei dem amerikanischen Geschäftsträger angeregt worden ist, den Artikel 1 des Vertrages so umzustellen, daß danach den Vereinigten Staaten die Rechte usw. aus dem Vertrage von Versailles zugesichert werden, wie sie in dem gemeinschaftlichen Beschluß des Kongresses der Vereinigten Staaten näher bezeichnet sind. Eine Antwort hierauf sei noch nicht ergangen. Ferner soll versucht werden, eine Erklärung der Vereinigten Staaten zu erreichen, nach der Verhandlungen über die Auslegung des Vertrages seiner Annahme folgen sollen. Des weiteren soll eine ausdrückliche Erklärung der Vereinigten Staaten herbeigeführt werden, nach der die Rechte der Vereinigten Staaten aus dem Vertrag nicht über die des Vertrages von Versailles hinausgehen. Endlich soll in der Präambel statt „Deutschland“ „der Reichspräsident“ aufgeführt werden.

Der Reichskanzler berichtet über die erfolgten Verhandlungen mit den Parteien2 und teilt mit, daß auch die Deutschnationale Volkspartei den Auswärtigen Ausschuß des Reichstags in dieser Frage nicht einberufen zu sehen wünscht.

Der Reichskanzler rät zu schneller Unterzeichnung.

Reichsminister des Auswärtigen Dr. Rosen macht Mitteilung, daß nach einer ihm zugegangenen unverbindlichen Nachricht in Amerika ein Gesetz über das in Deutschland beschlagnahmte Eigentum demnächst eingebracht werden soll. Auch er rät zu sofortiger Unterzeichnung.

Reichsminister für Wiederaufbau Dr. Rathenau stimmt der Unterzeichnung unter der Voraussetzung zu, daß wir eine günstige Auskunft über die Frage der Interpretationsverhandlungen bekommen. Für äußerst wünschenswert hält er auch eine Erklärung der Vereinigten Staaten, daß die ihnen durch[208] den Vertrag gewährten Rechte nicht über die des Vertrages von Versailles hinausgehen. Diese Rechte sollten auch nicht über die des Londoner Ultimatums hinausgehen, da wir sonst noch mit den früheren amerikanischen Besatzungskosten belastet werden könnten, die sich auf 235 Millionen Dollar belaufen sollen.

Der Reichskanzler hält die Aufwerfung der letzten Frage im jetzigen Stadium nicht für möglich.

Reichsminister Dr. Rosen schließt sich dieser Auffassung an.

Ministerialdirektor v. Schoenebeck sagt auf Anregung des Reichskanzlers zu, daß das Reichswirtschaftsministerium in der Frage der Meistbegünstigung noch schriftlich Stellung nehmen wird3.

Es wird nunmehr darüber abgestimmt, ob unter der Voraussetzung einer günstigen Beantwortung der gestellten Fragen der Vertrag angenommen werden soll4. Das Kabinett spricht sich einstimmig hierfür aus.

Fußnoten

1

Am 19.8.1921 hatte die dt. Reg. dem amerikanischen Geschäftsträger Dresel ein Memorandum überreicht (Wortlaut siehe Dok. Nr. 72 Anm. 2).

2

In einer Besprechung mit führenden Parteimitgliedern am 2. August 1921, an der die Abgeordneten Marx, Braun, Müller (Franken), Erkelenz, Stresemann, Helfferich und Crispien teilgenommen hatten, hatte der RK über den Stand der Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten informiert; die Verantwortung für die Maßnahmen werde die RReg. tragen. In der anschließenden Diskussion waren besondere Bedenken nicht geäußert worden (Protokoll in R 43 I /1920 ). In den Akten des AA findet sich ein durch von Schubert gezeichnetes ausführlicheres Protokoll der Sitzung mit den Vertretern der Regierungsparteien (PA, Polit. Abt. III, Vereinigte Staaten Pol. 2, Beiheft Friedensschluß, Bd. 2).

3

In R 43 I /95 , Bl. 90-92 findet sich eine vom 22. 8. datierte geheime Ausarbeitung von Schoenebecks „Erklärung des Reichswirtschaftsministeriums betr. Zusage der amerikanischen Regierung auf baldige amerikanische Wirtschaftsverhandlungen“.

4

Zu den von den Vereinigten Staaten gegebenen Zusicherungen siehe das Memorandum vom 22.8.1921 (Dok. Nr. 72).

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