2.21.1 (vsc1p): 1. Zu Punkt 1 der Tagesordnung (Abkommen über die Regelung der Beteiligungen an der deutschen Zentralgenossenschaftskasse)

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1. Zu Punkt 1 der Tagesordnung
(Abkommen über die Regelung der Beteiligungen an der deutschen Zentralgenossenschaftskasse2)

berichtete Herr Reichskommissar Reichsminister Professor Dr. Popitz entsprechend seinem Schreiben vom 7. Dezember 19323 über die Sach- und Rechtslage. Wenn man die Verträge für alle Zeiten sicher und fest machen wolle, so bleibe nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 nichts übrig, als sie vom Staatsministerium (Kabinett Braun) nochmals beschließen und unterzeichnen zu lassen. Für die Kommissare des Reichs beständen zwei Fragen, nämlich erstens, ob man diesen Weg, an das Kabinett Braun heranzutreten, gehen wolle und zweitens, falls diese Frage bejaht werde, ob es der Zustimmung des Landtags – auf dem Wege über das Kabinett Braun – bedürfe. In normalen Zeiten würde er keine Bedenken tragen, auch diese zweite Frage zu[78] bejahen. Er glaube indessen, wie er in seinem Schreiben vom 7. Dezember 1932 ausgeführt habe, über die Zustimmung des Landtags auf dem durch die Dietramszeller Notverordnung des Herrn Reichspräsidenten gewiesenen Wege hinwegzukommen4.

Herr Staatssekretär Hölscher trat der Ansicht von Herrn Reichsminister Professor Dr. Popitz bei; auch nach seiner Ansicht bedürfe es nach der Dietramszeller Notverordnung der Zustimmung des Landtags zum Erlaß und zur Verkündung der Preußischen Verordnungen nicht. Hinsichtlich der Frage der Beteiligung des Kabinetts Braun stehe das Justizministerium nach eingehender Prüfung der Rechtslage auf dem Standpunkt, daß, da das Abkommen zwischen dem Reich und dem Preußischen Staat über die Regelung der Beteiligungen an der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse vor dem Urteil des Staatsgerichtshofes beschlossen worden sei, sich auch die Nichtbeteiligung des Kabinetts Braun rechtfertigen lassen würde. Sicherer sei es indessen, die Zustimmung des Kabinetts Braun einzuholen. Man könne aber weiter fragen, ob das Kabinett Braun nicht dadurch, daß es bereits erklärt habe, gegen die getroffene Regelung der Angelegenheiten Einwendungen nicht erheben zu wollen, die Verträge bereits genehmigt habe. Eine schriftliche Genehmigung sei nicht erforderlich. Sollte man sich auf den Standpunkt stellen, eine derartige mündliche Genehmigung sei bereits erfolgt, dann würde ein entsprechender Aktenvermerk hierüber genügen.

Herr Reichsminister Professor Dr. Popitz erwiderte, eine mündliche Genehmigung durch das Kabinett Braun könne man leider nicht annehmen, da es sich, obwohl materiell mit den geschlossenen Verträgen einverstanden, die Genehmigung ausdrücklich vorbehalten habe.

Herr Staatssekretär Dr. Nobis vertrat die Auffassung, daß man zurzeit weder das Kabinett Braun noch die Kommissare des Reiches als zum Abschluß des Abkommens mit dem Reiche legitimiert ansehen könne, da ein derartiger Staatsakt über den Rahmen der „laufenden Geschäfte“ hinausgehe, zu denen allein eine geschäftsführende Regierung befugt sei. Es werde daher nichts übrig bleiben, als die Verträge vorläufig ohne Genehmigung zu lassen, woraus ein sachlicher Schaden nicht erwachse.

Herr Ministerialdirektor Dr. Schütze vertrat demgegenüber die Auffassung, daß nach den einschlägigen Entscheidungen des Staatsgerichtshofs der Begriff der „laufenden Geschäfte“ so weitgehend sei, daß auch die hier vorliegende Genehmigung darunter falle.

Herr Reichskommissar für das Bankgewerbe Dr. Ernst trat dieser Auffassung mit dem Bemerken bei, daß es bei den für Preußen sich aus dem Abkommen ergebenden Geschäften um rein fiskalische Akte handele, die zweifellos zu den laufenden Geschäften gehörten.

[79] Dem schloß sich auch Herr Reichsminister Dr. Popitz an. Die enge Auslegung des Begriffs der laufenden Geschäfte werde heute von keinem namhaften Staatsrechtler mehr vertreten, vielmehr sei von Wissenschaft und Praxis der Rahmen der laufenden Geschäfte so weit gespannt worden, daß sogar Handelsverträge unter diesen Begriff gebracht worden seien. Er sei der Auffassung, daß die Kommissare des Reiches die Verordnung – mit Ausnahme des § 1 des Abkommens5 – allein erlassen könnten. Dagegen bestehe als einziges Bedenken der ausdrücklich vom Kabinett Braun ausgesprochene Wunsch nach Genehmigung der Verträge. Wenn man gewillt sei, den aus der Versagung dieses Wunsches entstehenden Streit auf sich zu nehmen, dann sei gegen eine Erledigung der Angelegenheit im Wege der Verordnung nichts einzuwenden.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht erklärte, er würde nur ungern das Kabinett Braun aus der Angelegenheit ausschalten, da sich hier mal eine Gelegenheit zu einer positiven Betätigung des Staatsministeriums Braun biete. Auch gegen eine Vorlage an den Landtag würde er an sich keine Bedenken haben, wenn er nicht von vornherein überzeugt wäre, daß der Landtag „diese Nuß nicht knacken“ werde. Insofern sei er für die Erledigung durch eine Verordnung auf Grund der Dietramszeller Notverordnung. Dagegen schlage er vor, das Kabinett Braun ruhig zu befragen, zumal dies vielleicht auch eine Entspannung der Beziehungen zwischen dem Kabinett Braun und den Kommissaren des Reiches mit sich bringen werde.

Herr Reichsminister Freiherr von Braun erhob Bedenken gegen diesen Vorschlag, weil er in der Öffentlichkeit vielfach als ein Zurückweichen der Reichsregierung angesehen werden würde. Er schlug vor, diese Frage zunächst einmal innerhalb des Reichskabinetts zu besprechen.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht entgegnete, man könne hier zunächst wohl entsprechend seinem Vorschlage beschließen und die Angelegenheit dann mit Herrn Reichskanzler von Schleicher daraufhin besprechen, ob er Bedenken gegen die Ausführung dieses Beschlusses trage.

Es wurde vorbehaltlich der Stellungnahme des Reichskabinetts6 entsprechend dem Vorschlage des Herrn Reichsministers Dr. Ing. Bracht beschlossen, die Genehmigung des Kabinetts Braun zu dem Abkommen einzuholen und dieses sodann durch Verordnung der Kommissare des Reichs auf Grund der Dietramszeller Notverordnung in Kraft zu setzen.

Fußnoten

2

Die Pr. Zentralgenossenschaftskasse, meist „Preußenkasse“ genannt, war durch die Zahlungsschwierigkeiten vor allem der landwirtschaftlichen Genossenschaften im Osthilfegebiet bei der Rbk so stark verschuldet, daß 1932 eine Sanierung durch Abschreibungen, verbunden mit der Umwandlung in ein genossenschaftliches Kreditinstitut des Reichs vorgenommen wurde. Einzelheiten über das Zustandekommen der diesbezüglichen „VO über die Dt. Zentralgenossenschaftskasse und das genossenschaftliche Revisionswesen“ vom 21.10.1932 (RGBl. I, S. 503 ) s. in dieser Edition: Das Kabinett v. Papen, Ministerbesprechungen vom 24. 9. und 14.10.32, P. 2 bzw. P. 1. Zwischen dem RFM und dem Kom. PrFM wurde am gleichen Tag ein „Abkommen“ über die Umwandlung, Verlustbereinigung und die zukünftigen Rechtsverhältnisse des jetzt Dt. Zentralgenossenschaftskasse genannten Instituts unterzeichnet (R 2 /15018 , Bl. 33–36).

3

In den herangezogenen Akten der Rkei und des RFMin. war das Schreiben des PrFM nicht zu ermitteln. – Das vier Tage vor der Verkündung des Staatsgerichtshofurteils im Verfassungsstreit zwischen Preußen und dem Reich abgeschlossene Abkommen konnte insofern in seiner Rechtsgültigkeit angezweifelt werden, als durch das Urteil Eingriffe des Reichs in bestimmte Hoheitsrechte der PrStReg. für verfassungswidrig erklärt worden waren (vgl. dazu Dok. Nr. 4, Anm. 1). Das RIMin. stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, daß das Abkommen „als gültig, wenn auch vielleicht anfechtbar, anzusehen“ sei. Die Möglichkeit der Anfechtung des Abkommens durch die Reg. Braun wurde im RFMin. zu Überlegungen genutzt, „die Beteiligung Preußens an der Verwaltung der Zentralgenossenschaftskasse [ganz] hinfällig werden; zu lassen (Vermerk des MinR Bayrhoffer vom 9.11.32; R 2 /15018 , Bl. 43 f.).

4

Die sog. Dietramszeller NotVO vom 24.8.31 (RGBl. I, S. 453 ) enthielt Ermächtigungen für die Landesregierungen, im Interesse der Landesfinanzen NotVOen zu erlassen. Die Anziehung dieser VO demonstriert die Absicht Popitz’ und der RReg., ungeachtet des Leipziger Urteils zugleich noch als „Landesregierung“ zu fungieren.

5

§ 1 lautet: „Das Land Preußen erklärt sich damit einverstanden, daß die durch § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung einer Zentralanstalt zur Förderung des genossenschaftlichen Personalkredits vom 31. Juli 1895 in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1924 (GS 1924, S. 175) errichtete Preußische Zentralgenossenschaftskasse eine Anstalt des Reiches wird.“ (R 2 /15018 , Bl. 33).

6

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 24, P. 14.

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