1.96.1 (bru3p): Deutsch-rumänische Handelsvertragsverhandlungen.

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Deutsch-rumänische Handelsvertragsverhandlungen.

Ministerialdirektor Dr. Ritter trug den Stand der Handelsvertragsverhandlungen mit Rumänien vor1, wie er in der als Anlage 1 der Niederschrift beigefügten Aufzeichnung des Auswärtigen Amts niedergelegt ist2. Er wies darauf hin, daß die zur Zeit in Berlin sich aufhaltende rumänische Delegation in der Erwartung hierhergekommen[2115] sei, die mit Ministerialdirektor Dr. Posse in Bukarest kürzlich getroffenen Vereinbarungen nun zu Ende zu führen. Diese Vereinbarungen entsprächen dem Sinne des im Sommer vom Kabinett genehmigten Vertrags. Das Auswärtige Amt erwartet, daß die Schwierigkeiten wegen der Präferenzzölle, die zur Zeit die Durchführung dieses Vertrags noch hinderten, im Wege weiterer Verhandlungen behoben werden könnten, so daß im Frühjahr der ganze Vertrag in Kraft treten könne. Bis dahin solle der von der Zollpräferenz unabhängige Teil des Vertrages mit dem gegenwärtig geltenden Provisorium verschmolzen werden. Für Mais solle bis zum Februar eine Sonderregelung getroffen werden.

Er bäte um die Genehmigung zu dieser Regelung. Dabei müsse auch, wie im Fall des Ungarnvertrags3, die Verpflichtung eingeschlossen sein, die betreffenden Viehmengen an der Grenze von den Rumänen unbedingt zu übernehmen.

Ministerialdirektor Dr. Posse erklärte, sich dieser Bitte mit Nachdruck anschließen zu müssen, und zwar nicht nur wegen der den Rumänen bereits gemachten Zusagen und deren Prestige, sondern namentlich auch wegen der deutschen Interessen an dem ganzen Vertrage. Die gesamte Exportlage Deutschlands sei rückläufig4. Dazu trügen die Währungsereignisse und besondere Schutzmaßnahmen in fast allen europäischen Ländern bei. Der Balkan biete verhältnismäßig noch die besten Möglichkeiten für den deutschen Ausfuhrhandel. Die Haltung der betreffenden Völker sei derart, daß sogar eine außerordentlich günstige Entwicklung des deutschen Exports erwartet werden dürfe, sobald die Krisenverhältnisse überwunden wären. Der mit Rumänien vorgesehene Vertrag sei ein Weg zu diesem Ziel. Er habe bestimmte Hoffnung, diesen Vertrag einschließlich der Präferenzzölle durchzubringen. Für die Präferenzzölle setze sich neuerdings sogar Frankreich ein.

Zu dem Maisabkommen solle Rumänien das Recht erhalten, das Abkommen zu kündigen, wenn wir nicht im Januar und Februar 100 000 t Gerste abnehmen würden.

Das Viehabkommen hänge mit der Maisfrage zusammen. Praktisch sei dieses für Rumänien von geringem Wert, weil die Marktpreise in Deutschland so heruntergegangen seien, daß die Rumänen in absehbarer Zeit bei den hohen Transportkosten keine Aussicht hätten, Vieh in Deutschland abzusetzen. Die Rumänen hätten auch selbst bereits erklärt, nicht damit zu rechnen. Das Viehabkommen sei aber für Rumänien eine Prestigefrage. Es wolle nicht schlechter gestellt sein als Ungarn.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bedauerte, daß seiner Ansicht nach der Vertrag vom Sommer bezüglich Mais und Gerste verschlechtert worden sei. Über die Präferenz hinaus habe man sich auf Zahlen eingelassen. Das habe dazu geführt, daß Rumänien seine Ansprüche verschärft habe. Unsere Gesamtmaiseinfuhr von allen in Frage kommenden Ländern zusammen belaufe sich im Monat Dezember auf etwa 33 000 t. Daraus ergebe sich, daß die Zusage zur Abnahme von 100 000 t Gerste im Monat zu weit gehe. Außerdem dürfe nach dem Monat Februar von Zahlen überhaupt nicht mehr die Rede sein.

[2116] Bezüglich des Viehabkommens weigere er sich nicht, auf den Boden der Verträge zu treten unter besonderen Bedingungen, die er zum Schluß angeben werde.

In der veterinärpolizeilichen Frage wolle man seiner Ansicht nach auch weitergehen als im Juni d. Js.

In der Gesamtbeurteilung der geschäftlichen Auswirkungen des Vertrages sehe er im Gegensatz zu Ministerialdirektor Dr. Posse weniger optimistisch für Deutschland.

Seine Stellungnahme hinsichtlich der Vieheinfuhr faßte der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft in folgender Erklärung zusammen:

Die Bewilligung eines Einfuhrkontingents für Rinder an Rumänien solle zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die bäuerliche Veredelungswirtschaft in der Gefahr stehe, den letzten Rest ihrer Substanz zu verlieren.

Die Lage sei um so bedrohlicher, als es nicht möglich sei, für die Mehrimporte einen Ausgleich durch Ausfuhr zu schaffen. Alle Länder, in die bisher exportiert werden konnte, hätten sich abgeschlossen, so daß auch die von ihm früher zur Voraussetzung für seine Zustimmung zu dem Kontingent gemachte Bewilligung von Einfuhrscheinen zunächst gegenstandslos geworden sei. Dazu komme, daß in den letzten Wochen sich die Einfuhr an Rindern unter dem Einfluß der Valutaverhältnisse in besorgniserregender Weise steigere.

Wir müßten damit rechnen, daß durch die starke Einfuhr, der keine Ausfuhr gegenüberstehe, die von ihm erhofften günstigen Wirkungen der Fleischverbilligung vollkommen ausgeschaltet würden.

Die Bewilligung des Kontingents wäre daher für ihn nur tragbar, wenn zum Ausgleich der der bäuerlichen Veredelungswirtschaft drohenden neuen Gefahren beschleunigt, und zwar spätestens in den ersten Tagen des Januar die Gegenmaßnahmen getroffen würden, die sich aus dem Vorgehen anderer Länder auf dem Gebiete der Währung und der Devisenbewirtschaftung ergeben. Die in der amtlichen Verlautbarung zur Notverordnung vom 8. Dezember 1931 gemachte Zusage der Reichsregierung müsse nun endlich eingelöst werden; anderenfalls sei der völlige Verfall der bäuerlichen Wirtschaften nicht mehr aufzuhalten5.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hat die Zustimmung zu dem vorgesehenen Zusatzabkommen nur unter folgenden Bedingungen zu geben:

Der Zusage der Deutschen Regierung gegenüber der Rumänischen Regierung über Besserung der Maiseinfuhr aus Rumänien werde unter der Voraussetzung zugestimmt, daß die Mengenangaben über Mais den Charakter von etwas Einmaligem hätten, daß daher die ganze Maisabrede sich von vornherein auf die Monate Januar und Februar 1932 erstrecke und daß Mengenangaben über Mais gegen Rumänien für die etwaige weitere Dauer des deutsch-rumänischen Handelsprovisoriums nach dem 29. Februar 1932 nicht mehr in Betracht kämen. Unberührt davon bleibe die Frage, ob auch nach dem 29. Februar 1932 noch die praktische Maispräferenz vom Monopol gewährt werden werde.

Ministerialdirektor Dr. Dammann erklärte, die „unbedingte Übernahme-Erklärung“ für die vereinbarte Viehmenge biete für das Reichsinnenministerium nach[2117] wie vor Anlaß zu Bedenken in veterinärpolizeilicher Beziehung. Die Seuchengefahr werde unterschätzt. In Österreich seien zum Beispiel nach den getroffenen Feststellungen auf einem Markt in einem Monat nicht weniger als 70 verseuchte Transporte angekommen. Es sei zu befürchten, daß, wenn wir Rumänien seinen Wunsch erfüllen, sich andere Staaten darauf berufen und gleiche Ansprüche erheben würden.

Ministerialdirektor Dr. Posse bemerkte, für die Erklärung des Reichsministers Dr. Schiele dankbar zu sein. Danach seien die Meinungsverschiedenheiten behoben.

Was die nur einmalige Genehmigung der Getreidemengen angehe, so habe er dem rumänischen Unterhändler Popescu bereits ausdrücklich erklärt, daß eine Menge von 200 000 t nur einmal genehmigt werde. Im übrigen mache er noch darauf aufmerksam, daß bei seinen Vereinbarungen auch ausdrücklich vorausgesetzt worden sei, daß verschiedene besondere Geschäfte mit Deutschland, die noch in der Schwebe wären, vorher erledigt werden müßten. Es handele sich unter anderem um erhebliche Abschlüsse der Maschinenindustrie und um einen großen Versicherungsabschluß. Die betreffenden Zusagen bedeuteten für Rumänien 350 Millionen Lei bei 2 Milliarden Lei Gesamtetathöhe.

Die veterinärpolizeilichen Bedenken brauchten keine Rolle zu spielen. Das Reichsfinanzministerium habe ja bereits 200 000 RM bewilligt für den Bau eines besonderen Schlachthauses für die Vieheinfuhr aus Rumänien und Ungarn6. Wenn dies noch nicht begonnen sei, könnten sich die Transporte aus Rumänien immerhin so verzögern, daß sie nicht vor Fertigstellung beginnen würden. Die Durchführung des Abkommens sei an eine Reihe von innerrumänischen Verwaltungsvoraussetzungen geknüpft worden wie zum Beispiel an die Einrichtung von Katastern an der Grenze.

Ministerialdirektor Dr. Ritter erklärte, im Gefahrfalle brauche die unbedingte Übernahmeerklärung keine Bindung für Deutschland zu sein. Nach den Vereinbarungen könne nämlich trotz der Einräumung eines Kontingents die Abnahme abgelehnt werden, solange ein Gebiet besonders verseucht sei. Der Kabinettsbeschluß vom 27. August 1931 habe ausdrücklich für Ungarn und Rumänien gelten sollen, wenn auch das Protokoll über den Kabinettsbeschluß nur Ungarn genannt habe7. In der ganzen Verhandlung, ebenso wie auch in der Vorlage des Auswärtigen Amts habe es sich ausdrücklich um Ungarn und Rumänien gehandelt.

Das gesamte Geschäft für Deutschland aus dem Vertrag beurteilte er viel günstiger als für Rumänien. Deutschland erhalte auf industriellem Gebiet feste Zusagen. Umgekehrt würde Rumänien nur unbestimmte Versprechungen gegeben.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bat, den Bau des vorgesehenen Schlachthauses bald in Angriff zu nehmen. Auch das möchte er zur Voraussetzung seiner Zustimmung machen. Er erwarte schließlich, daß die von ihm erwähnten Maßnahmen zu Gunsten des Veredelungsverkehrs bald in einer Chefbesprechung geregelt würden.

[2118] Ministerialdirektor Dr. Dammann und Ministerialdirektor Dr. Ritter machten noch Ausführungen zu dem alten Streit über die Frage der Kosten für die deutschen Veterinäre, die mit der Vieheinfuhr befaßt werden sollten8.

Ministerialdirektor Dr. Posse machte gegenüber den Bedingungen des Reichsministers Dr. Schiele darauf aufmerksam, daß keine Mengen für Mais und Gerste zugesagt seien. Vorgesehen sei nur die Verabredung, daß Rumänien ein Kündigungsrecht habe, wenn Deutschland nicht im Januar und Februar je 100 000 t abnehme.

Der Reichskanzler stellte fest, daß das Reichskabinett dem Abschluß des vorgesehenen Zusatzabkommens zu den Handelsvertragsvereinbarungen mit Rumänien unter den von dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft aufgestellten Bedingungen zustimme. Dabei solle eingeschlossen gelten und unbedingte Übernahmeverpflichtung Deutschlands zur Abnahme der eingeräumten Viehmenge an der deutschen Grenze9.

Fußnoten

1

Vgl. Dok. Nr. 286, P. 1.

2

Die Aufzeichnung des AA vom 18.12.31 bezog sich auf die im dt.-rumänischen Handelsvertrag vom 27.6.31 gemachten dt. Zugeständnisse einer Einfuhr von 6000–7000 Stück Vieh aus Siebenbürgen und der Zollpräferenz für Mais- und Gersteimporte aus Rumänien. Wegen des Widerstands von Rußland, Argentinien und der Türkei hatte der REM seine Zustimmung zum Viehimport wieder rückgängig gemacht (R 43 I /1113 , Bl. 141–144).

3

Hierzu Dok. Nr. 455, P. 2.

4

Dagegen hatte der RdI mit Schreiben vom 26.10.31 wegen der dt. Exportinteressen vor der Inkraftsetzung der Präferenzverträge mit Rumänien und Ungarn gewarnt, solange nicht alle meistbegünstigten Staaten ihnen zugestimmt hatten (R 43 I /1113 , Bl. 133–137).

5

Diese Stellungnahme wurde auf Verlangen des REM nachträglich in das Protokoll aufgenommen (Vermerk des RR Krebs vom 11.1.31, R 43 I /1113 , Bl. 180).

6

Vgl. Dok. Nr. 455, Anm. 26.

7

Vgl. Dok. Nr. 455, P. 2.

8

Vgl. hierzu auch Dok. Nr. 286, P. 1.

9

Das AA übersandte am 21.1.31 den VoEntw. über die vorläufige Anwendung eines Zusatzprotokolls zu dem vorläufigen dt.-rumänischen Handelsabkommen, das am 1.1.32 in Kraft treten sollte (R 43 I /1113 , Bl. 146–169). Das Rkab. stimmte dem Entw. mit dem Abkommen im Umlaufverfahren zu (R 43 I /1113 , Bl. 170). Das Zusatzprotokoll vom 19.12.31 wurde im RGBl. 1931 II, S. 693  veröffentlicht. Am 28.1.32 übersandte das AA das geheime Zusatzprotokoll vom 19.12.31 (R 43 I /1113 , Bl. 214–218).

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