2.119 (sch1p): Nr. 113 Denkschrift der deutschen Friedensdelegierten zu den Friedensforderungen der Entente. Versailles–Weimar, 17. Juni 1919

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Nr. 113
Denkschrift der deutschen Friedensdelegierten zu den Friedensforderungen der Entente. Versailles–Weimar, 17. Juni 19191

PA, Nachlaß Brockdorff-Rantzau, Az. 18 Umdruck2

Die Rückäußerung der Alliierten und Assoziierten Regierungen ist enthalten in einem Mantelbrief vom 16. Juni, einer Denkschrift über die verschiedenen Materien des Friedensvertrages und einem Vertragsentwurf über die Verwaltung der besetzten Gebiete Deutschlands3. Diese Schriftstücke sind in einer Reihe von Druckexemplaren übergeben worden. Ferner ist ein einziges Exemplar des früheren Vertragsentwurfs übergeben worden, in das die beabsichtigten Änderungen handschriftlich eingetragen sind. Es ist in der bisher zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen, die Tragweite jeder einzelnen Abänderung genau festzustellen; jedoch kann es sich hierbei nur um Einzelheiten von geringerer[470] Bedeutung handeln. In allen wichtigen Punkten ist der Sinn der Antwort erkennbar.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Antwort in der Sache selbst gegenüber dem früheren Friedensentwurf nur in Punkten zweiter Ordnung Erleichterungen enthält. Dagegen ist die Grundlage, auf der das ganze Vertragswerk, abweichend von dem vereinbarten Wilsonprogramm, aufgebaut ist, nämlich die Behauptung von der alleinigen Schuld Deutschlands am Kriege, in einer gehässigen und ehrenrührigen Form verstärkt. Im einzelnen ist zu bemerken:4

1. Völkerbund.

Deutschland wird der Beitritt zum Völkerbund in einer nahen Zukunft in Aussicht gestellt, wenn es durch sein Betragen, insbesondere durch den Beginn der Ausführung des Vertrages, nach dem Gutdünken der Alliierten und Assoziierten Mächte für künftiges Wohlverhalten genügende Gewähr geleistet hat. Da der Vertrag technisch unausführbar ist, kann nach Ansicht der Delegation eine ernsthafte Regierung auf die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund in absehbarer Zeit nicht rechnen.

2. Territoriale Fragen.

An den Grundsätzen des Friedensentwurfs wird nichts geändert. Bezüglich Belgiens, Luxemburgs, des Saargebiets, Elsaß-Lothringens sowie Deutsch-Österreichs bleibt der Entwurf bei den bisherigen Bestimmungen.

Was die Ostfragen anlangt, so wird bezüglich Westpreußens, Danzigs, Ostpreußens, und zwar sowohl seiner südlichen Kreise wie auch Memels, nichts geändert. Lediglich eine Verstärkung der Garantien für den Eisenbahn-Durchgangsverkehr nach dem abgetrennten Ostpreußen ist zugesagt. Ferner ist zugestanden, daß das rein deutsche Pommern, von dem Polen Teile annektieren sollte, nunmehr intakt beim Deutschen Reiche verbleiben soll. In Posen und Mittelschlesien ist eine gewisse Grenzkorrektur eingetreten, die indes unerheblich ist.

Das einzig wichtige Gebiet, in dem eine formelle Abänderung zugestanden ist, ist Oberschlesien; dort soll abgestimmt werden. Die Abstimmung ist aber mit ungerechten Kautelen versehen, die das Bestreben erkennen lassen, das deutsche Oberschlesien zu Polen zu schlagen. Stimmt die Bevölkerung für Polen, so wird sie frei von allen Kriegslasten. Außerdem soll das Land auf längere Zeit von alliierten Truppen besetzt werden, so daß jede Art der Agitation durch Drohung und Beeinflussung (mit Geld oder Lebensmittel) möglich bleibt.

In Schleswig ist die Abstimmungsgrenze weiter nördlich gezogen, und zwar dem Wunsche der Dänischen Regierung entsprechend, die die rein deutschen Distrikte in der dritten Zone nicht erwerben wollte. Hier liegt also überhaupt keine Konzession vor; die Gegner haben sich offenbar davon überzeugt, daß es nicht zweckmäßig wäre, Dänemark Gebiete zu oktroyieren, die es ablehnt.

[471] Die Kolonien werden weggenommen, ohne Vergütung und ohne Schuldensukzession, selbst bei den Vorkriegsschulden, und ohne jede rechtliche Sicherheit für die bisher in den Kolonien tätig gewesenen Deutschen. Zur Begründung wird lediglich auf die angeblichen Sünden der deutschen Kolonialverwaltung verwiesen.

Auch die Bestimmungen über das Verhältnis Deutschlands zu Rußland und den auf dem Gebiet des ehemaligen russischen Kaiserreichs gebildeten und zu bildenden Staaten sind nicht geändert.

3. Bezüglich der deutschen Rechte und Interessen außerhalb Deutschlands, seines Außenhandels und seiner Schiffahrt sind überhaupt keine Konzessionen gemacht. Die Handelsflotte bleibt nach wie vor verloren. Auch bezüglich der Hergabe der Neubauten ist nichts geändert. Das auswärtige Vermögen Deutschlands wird, wie im ursprünglichen Entwurfe vorgesehen, praktisch konfisziert, insbesondere auch in den deutschen Kolonien und in den an Frankreich und Belgien fallenden deutschen Landesteilen. Eine Milderung ist lediglich für die Gebiete vorgesehen, die an die neugebildeten Oststaaten, Polen und die Tschechoslowakei sowie an Dänemark fallen.

4. Auch hinsichtlich der Rechtsgrundlage und des Umfangs der Wiedergutmachung haben die Gegner ihren Standpunkt nicht verändert. Die Bestimmung in Artikel 231 bleibt aufrechterhalten, gemäß der Deutschland die Verantwortung für alle Kriegskosten und Kriegsschäden wegen der ihm allein zugeschobenen Schuld am Kriege übernimmt. Auch jetzt wird keine feste Summe bestimmt, die Deutschland zu zahlen hat. Deutschland wird lediglich das Recht – wenn man das ein Recht nennen kann – gewährt, innerhalb vier Monaten nach Friedensschluß feste Vorschläge zu machen. Es ist dann Sache der Gegner, diese Vorschläge anzunehmen, abzulehnen oder zu ändern. Das Endergebnis wird, wie bisher, einseitig von den Gegnern festgesetzt. Eine neutrale Instanz über die Rechts- und Tatfragen, wie Deutschland sie gefordert hat, wird ebenso wie jede weitere Erörterung über die Rechtsbasis des Schadensersatzes abgelehnt. Eine deutsche Kommission wird zur Verhandlung mit der Wiedergutmachungskommission zugelassen; da die Deutsche Kommission keine Mitentscheidung hat, liegt hierin kein Zugeständnis. Der Vertragstext bleibt daher in diesem Kapitel unverändert.

Zuzugeben ist, daß die Befugnisse der Wiedergutmachungskommission näher begrenzt sind, und daß zugestanden ist, daß dieses Organ sich in die Einzelheiten der deutschen Finanzverwaltung nicht unmittelbar einmischen soll. Diese Begrenzungen sind aber sehr vage und im Vertrage selbst nicht festgelegt; nach wie vor kann die Kommission auf Grund des § 12b im Annex 25 fordern, daß Einnahmen, die nach dem Etat des Reichs und der Einzelstaaten für kulturelle Aufgaben bestimmt sind, vorab für die Entschädigungen verwendet werden, und es hängt von dem Belieben der gegnerischen Regierungen ab, ob sie anerkennen[472] wollen, daß solche Ausgaben nötig sind, „um Deutschland für die Entschädigungen leistungsfähig zu halten“.6 Im ausschlaggebenden Punkte haben wir also nicht, wie die Gegner behaupten, den Vertragstext mißverstanden.

Die Anrechnung des nach dem Waffenstillstandsvertrag übergebenen Heeres- und Flottenmaterials sowie der Handelstonnage auf die Entschädigungsforderung bleibt abgelehnt.

5. Handelspolitische Bestimmungen.

Die Gleichberechtigung Deutschlands im Weltverkehr ist einstweilen ausgeschlossen. Angeblich, damit der Vorsprung wieder eingeholt werden kann, den die deutsche Wirtschaft nach dem Kriege vor der Volkswirtschaft einiger seiner Feinde besitzen wird! Selbst nach dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ist Gleichberechtigung nicht zugesagt. Es wird nur erklärt, daß die Alliierten und Assoziierten Mächte alsdann in der Lage sein werden, mit Deutschland zusammenzuarbeiten, um eine dauerhafte Organisation einzuführen und eine angemessene Behandlung des Verkehrs aller Nationen durchzusetzen. Der Wiederaufbau des deutschen Außenhandels und die Wiederbelebung unserer Industrie ist damit auf unbestimmte Zeit gegenüber den Alliierten und Assoziierten Mächten differenziert und auf eine völlig unsichere Basis gestellt.

6. Besetzte Gebiete.

Der vorgelegte Entwurf eines Abkommens über das in den besetzten Gebieten einzuführende Verwaltungsstatut7 mit einer fremden Zivilbehörde als Spitze bringt in wirtschaftlicher Hinsicht keine Änderung gegen den Zustand, der gegenwärtig durch die Auslegung des Waffenstillstandes von den Gegnern geschaffen ist. Deutschland kann, besonders da das Requisitionsrecht weiterbestehen soll, nach wie vor über die Natur- und Gewerbserzeugnisse der besetzten Gebiete nicht frei verfügen. Außerdem haben sich die Gegner vorbehalten, für die besetzten Gebiete ein eigenes Zollregime einzuführen. Anstatt, wie wir gefordert hatten, die Dauer der Besetzung abzukürzen, wird also der erste Schritt zur dauernden politischen Abtrennung der Rheinlande getan.

7. Rechtsfragen.

Den Zugeständnissen auf dem Gebiete der Privatrechte kann zum Teil eine gewisse Bedeutung nicht abgesprochen werden. Sie sind indes bei weitem nicht ausreichend, um den Forderungen, die in dieser Hinsicht deutscherseits gestellt werden müssen, zu genügen. Es wird nichts daran geändert, daß das gesamte[473] jetzt in Feindesland befindliche deutsche Privateigentum von den Feinden mit Beschlag belegt wird, um die Kriegsentschädigung zu decken, die von Deutschland zu zahlen ist, statt daß man es Deutschland überließe, wie weit es das Eigentum seiner Angehörigen zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Friedensvertrag heranziehen will. Auch wird uns in den wichtigsten Fragen die Gegenseitigkeit nach wie vor versagt, obwohl es sich um ein Gebiet handelt, das nur nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit geregelt werden darf. Eine stichhaltige Begründung läßt die Antwort der Gegner vermissen. Soweit eine Begründung überhaupt gegeben wird, besteht sie in dem unverhüllten Hinweis auf das Interesse der Alliierten und Assoziierten Mächte.

8. Verkehrsfragen.

Was die Binnenschiffahrt anlangt, so ist an dem ursprünglichen Entwurf, der die Verwaltung der deutschen Binnenwasserstraßen Deutschland aus der Hand nimmt, nichts von Belang geändert.

Die Rheinschiffahrtsakte ist, solange die Besetzung dauert, praktisch außer Geltung gesetzt.

Der gegnerische Eingriff in die Gestaltung der deutschen Eisenbahntarife bleibt bestehen.

Die Zugeständnisse auf diesem Gebiete beschränken sich, abgesehen von dem Durchgangsverkehr nach Ostpreußen, auf folgende Punkte:

a) Deutschland erhält statt eines Vertreters drei Vertreter in der Oder-Kommission;

b) Deutschland kann sich an den Beratungen der Donau-Kommission ohne Stimmrecht beteiligen;

c) Der Bau eines Großschiffahrtsweges Rhein-Donau kann Deutschland nicht einseitig von den Gegnern auferlegt werden.

9. Staatsverträge.

Die deutscherseits gegen das Kapitel der Staatsverträge erhobenen Bedenken sind in den wesentlichsten Punkten nicht berücksichtigt worden. Es bleibt dabei, daß allein die gegnerischen Mächte bestimmen, welche Verträge wieder Geltung erlangen sollen. Es bleibt ferner dabei, daß alle Verträge, die Deutschland vor und während des Krieges mit russischen Staaten und mit Rumänien sowie alle Verträge, die es während des Krieges mit seinen früheren Verbündeten abgeschlossen hat, ohne Ausnahme beseitigt werden. Es bleibt endlich auch dabei, daß Deutschland den gegnerischen Mächten und ihren Angehörigen ohne jede Gegenseitigkeit alle Rechte gewähren soll, die es vor dem Kriege seinen Verbündeten und während des Krieges Neutralen in Staatsverträgen eingeräumt hat.

10. Kriegsgefangene.

Auch hier lehnen die Gegner es ab, auf unsere Forderungen einzugehen. Weder sind die Gegner bereit, die Gefangenen zurückzugeben, die wegen gewöhnlicher Vergehen bestraft sind, während wir die bestraften feindlichen Gefangenen freilassen mußten, noch gewähren sie uns in anderen Punkten die Gegenseitigkeit.

[474] 11. Militärfragen.

Statt unser rückhaltloses Eingehen auf den Gedanken der Abrüstung mit der bindenden Zusage späterer Gegenseitigkeit in vertragsmäßiger Frist zu erwidern, begnügen sich die Gegner mit der Ankündigung eines vagen Programms, das sich nicht einmal auf die Abschaffung der allgemeinen Dienstpflicht festlegt. Die Bindung unserer gesamten inneren Heeresorganisation, aller Einzelheiten der Bewaffnung und Ausbildung bleibt bestehen. Das Zugeständnis einer Übergangsperiode ist nahezu wertlos, weil es die Periode zu kurz bemißt und die Heeresstärke ohne jede Erforschung des wirklichen Bedürfnisses fortsetzt.

12. Sanktionen.

Zu dem Kapitel der Sanktionen (Aburteilung des früheren deutschen Kaisers und Auslieferung der Deutschen, die eines Verstoßes gegen Kriegsgesetz oder Kriegsgebrauch beschuldigt werden) wird nur das Zugeständnis gemacht, daß der Deutschen Regierung innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten des Friedensvertrags eine endgültige Liste der auszuliefernden Personen mitgeteilt werden soll. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß hiermit die deutscherseits erhobenen Einwendungen nicht als entkräftet angesehen werden können. Wir sollen also nach wie vor unsere früheren politischen und militärischen Führer der Gegenpartei zur Aburteilung ausliefern.

13. Arbeiterrecht.

Den Antrag der Deutschen Delegation, in den Friedensvertrag das materielle Arbeitsrecht und die internationale Organisation der Arbeit entsprechend den Beschlüssen der Berner internationalen Gewerkschaftskonferenz auszugestalten, haben die Regierungen der Alliierten und Assoziierten Mächte abgelehnt.

In ihrer Antwort auf die Bemerkungen der Deutschen Delegation erklären sie, daß sie es nicht einmal für wünschenswert halten, die Prüfung der Arbeiterfragen wieder aufzunehmen. Weit entfernt, die von der Deutschen Delegation für das Wohl der Arbeiter angeregten Forderungen zu erfüllen, verharren sie vielmehr auf ihrer Ansicht, daß die Arbeiter kein entscheidendes Mitbestimmungsrecht in der Arbeitergesetzgebung haben dürfen, sondern daß ihnen die Bedingungen der Arbeitszeit und ihres sozialen Lebens ohne eigene wesentliche Mitwirkung vorgeschrieben werden müssen. Sie tragen der Tatsache nicht Rechnung, daß die größten Leiden dieses Krieges gerade von den Arbeitern ertragen worden sind, daß ihnen deshalb die Gleichberechtigung und die Selbstbestimmung über ihr Schicksal gesichert werden muß.

Aus der Antwort der Alliierten und Assoziierten Regierungen ersieht die Deutsche Friedensdelegation, daß sie nicht gewillt sind, den auch von ihnen als bindend anerkannten, mit der Deutschen Regierung durch Annahme der vierzehn Wilson’schen Punkte geschlossenen Vorvertrag zu halten, und daß alle feierlichen Zusagen, die dem Deutschen Volke und damit der Menschheit von den gegnerischen Staatsmännern in öffentlichen Kundgebungen erteilt waren, unerfüllt bleiben sollen. Fast in allen wichtigen Fragen ist die vereinbarte Grundlage verlassen. Auch haben die feindlichen Regierungen, offenbar in der Erkenntnis[475] ihres Unrechts, den Vorschlag abgelehnt, durch mündliche Verhandlungen eine gemeinsame Grundlage zu bilden.

Die Antwort der Alliierten und Assoziierten Regierungen läßt den ursprünglichen Entwurf in seinen entscheidenden Punkten bestehen. Auch jetzt noch sind die Friedensbedingungen

unerträglich, weil Deutschland sie nicht annehmen und dabei als unabhängige, auf die Wahrung ihrer Ehre bedachte Nation leben kann,

unerfüllbar, weil sie finanzielle und wirtschaftliche Forderungen stellt, die selbst ein blühendes Deutschland beim besten Willen nicht durchführen könnte, um so weniger ein zerstückeltes, verarmtes, vom Weltverkehr und von wirtschaftlicher Gleichberechtigung ausgeschlossenes Deutschland,

rechtsverletzend, weil sie die feierlichen und öffentlichen Zusagen an das deutsche Volk verleugnen,

unaufrichtig, weil Deutschland der Wahrheit zuwider seine alleinige Schuld am Kriege bekennen und einen Gewaltfrieden als Rechtsfrieden annehmen soll.

Es gibt aber auch in Deutschland keinen Menschen, der den uns jetzt zugemuteten Frieden für durchführbar hält. In unseren Augen ist Ehrlichkeit die beste Politik. Dieser Grundsatz läßt die Übernahme undurchführbarer Verpflichtungen nicht zu.

Nach der Haltung der gegnerischen Regierungen und ihrer unzweideutigen Drohungen mit Gewalt können wir nicht hoffen, daß heute noch eine schiedsgerichtliche Entscheidung darüber möglich wäre, welche Forderungen auf Grund des Vorabkommens über den Frieden gerechterweise an uns gestellt werden können. Anderenfalls würde, was auch für das deutsche Volk auf dem Spiele steht, die heutige Deutsche Regierung sicherlich jederzeit zu einer solchen Entscheidung ihre Hand bieten. Wenn aber der Gegner seine Drohung ausführen und gegen uns trotz unserer Bereitwilligkeit, alle gerechten Forderungen zu erfüllen, Gewalt anwenden sollte, so sind wir überzeugt, daß die fortschreitende friedliche Entwicklung der Welt uns bald den unparteiischen Gerichtshof bringen wird, vor dem wir unser Recht suchen werden.

gez. Graf Brockdorff Rantzau

gez. Landsberg

gez. Schücking

gez. Giesberts

gez. Leinert

gez. Melchior

Fußnoten

1

Hierzu schrieb MinDir. Simons in seinen „Aufzeichnungen zu den Friedensverhandlungen von Versailles im Jahre 1919“, S. 39: „Am folgenden Tage [dem 17.6.1919] wurde im Zuge eine Denkschrift der sechs Delegierten aufgesetzt, die die Stellungnahme zu den feindlichen Bedingungen enthielt. Es gelang dem Grafen nach einer Arbeit bis spät in die Nacht, die Unterschriften der sechs Delegierten unter das Dokument setzen zu lassen.“ (PA, Nachl. Brockdorff-Rantzau , Az. 20). Wie sich aus Dok. Nr. 118 ergibt, wurde die Denkschrift dem RKab. vorgelegt und verschiedentlich vom RMin. diskutiert; auch RJM Landsberg erwähnt in seinem Aufsatz über die Entscheidung im Kabinett am 19.6.1919, daß die Denkschrift zur Vorlage für das RKab. bestimmt war (in: Schiff, Victor: So war es in Versailles, Berlin 1929, S. 114).

2

Über den Text steht in der Handschrift Brockdorff-Rantzaus: „Denkschrift der 6 Delegierten, im Zuge ausgearbeitet.“ Original in: PA, Dt. Friedensdelegation Versailles, Pol 13, Bd. 6.

3

In: Materialien betr. die Friedensverhandlungen, Teil IV: Mantelnote und Antwort der all. und ass. Mächte auf die dt. Gegenvorschläge (einschließlich des Abkommens über die besetzten Gebiete), hrsg. v. AA, Charlottenburg 1919.

4

Die weiteren Ausführungen der Denkschrift folgen im wesentlichen der in der Mantelnote der Entente vom 16.6.1919 enthaltenen Antwort der all. und ass. Mächte auf die Bemerkungen der dt. Delegation zu den Friedensverhandlungen vom 28.5.1919, s. Anm. 3.

5

Zu dem die Wiedergutmachungen betreffenden Teil VIII der all. Friedensbedingungen.

6

Die Übersetzung ist ungenau; in der späteren amtlichen dt. Übersetzung lautet der entsprechende Passus, die Anweisungen der all. und ass. Regg. schärften der Wiedergutmachungskommission ein, bei ihrer Tätigkeit „der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die gesellschaftliche, wirtschaftliche und finanzielle Organisation eines Deutschlands aufrechtzuerhalten, welches sich aufrichtig anstrengt, seine volle Tatkraft der Wiedergutmachung der von ihm verursachten Verluste und Schäden zu widmen.“ (s. Anm. 3, S. 39).

7

Der erwähnte Entwurf ist nicht in der Antwort der all. und ass. Mächte auf die Bemerkungen der dt. Delegation enthalten; die Mantelnote der Entente vom 16.6.1919 enthält einen gesonderten „Entwurf einer Vereinbarung über die militärische Besetzung der Rheinlande“, s. Anm. 3, S. 91 ff.

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