1.144 (str2p): Nr. 258 Die Sechser-Kommission des Bergbaulichen Vereins an die Micum. Düsseldorf, 14. November 1923

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[1081] Nr. 258
Die Sechser-Kommission des Bergbaulichen Vereins an die Micum. Düsseldorf, 14. November 1923

R 43 I /453 , Bl. 250–251 Abschrift in Durchschrift1

[Betrifft: Rückweisung des Ultimatums der Micum.]

Wir bestätigen, von Ihnen heute Abend 5.45 [Uhr] die Fassung der Artikel 17 und 18 des zwischen uns aufgestellten provisorischen Abkommens erhalten zu haben. Sie haben dabei in ultimativer Form ausgeführt, daß wir bis 6.30 [Uhr] unsere Entscheidung zu treffen hätten2. Sie haben ferner mitgeteilt, daß Sie, falls Ihr Vorschlag nicht angenommen würde, auch damit einverstanden sind, daß die beiden Paragraphen in Wegfall kommen. Zu § 18, der die Frage der Regie-Zechen behandelt, sind wir bereit, die Fassung in dem Mantelvertrag anzunehmen3. Der § 17 behandelt die Frage der Gutschrift der von uns im Einverständnis mit unserer Regierung zu leistenden Lieferungen und Abgaben auf das laufende Reparationskonto des Deutschen Reiches4. Um den Sachverhalt der in § 17 behandelten Fragen zu klären, ist es erforderlich festzustellen, daß vom ersten Tage unserer gemeinsamen Verhandlungen zwischen beiden Parteien Klarheit darüber bestand, daß die Grundlage des Vertrages die Übernahme von Reparationslieferungen und Reparationsverpflichtungen sein sollte. Dies vorausgesetzt, mußte in diesen Vertrag eine klare Formel aufgenommen werden, die zum Ausdruck brachte, daß wir als Industrielle, solange das Reich durch Zahlungsunfähigkeit seiner anerkannten Reparationspflicht nicht nachkommen kann, anstelle des Reichs einen Teil der Verpflichtungen, der den Inhalt des angezogenen Vertrags bildet, übernehmen würden. Sie erklären uns heute, daß dies eine politische Frage sei, die nicht den Gegenstand der Beratungen zwischen der Interalliierten Kommission und den Industriellen bilden könne. Wir unsererseits erklären, daß wir nicht in der Lage sind, in diesem Punkte über die klaren Richtlinien unserer Regierung, die wir Ihnen mit dem Schreiben des Reichskanzlers vom 13. November an die Kommission des Bergbauvereins[1082] bekanntgegeben haben, hinwegzugehen. Wir würden es außerordentlich bedauern, wenn dieser Vertrag, über den wir in seinen wirtschaftlichen und finanziellen Leistungen zu einem Einverständnis gekommen waren, an Ihrer Weigerung, unsere Leistungen als Reparationsleistungen anzuerkennen, scheitern würde. Wir haben Ihnen im Laufe der Verhandlungen immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß die Bedingungen dieses Vertrages für die Gesamtindustrie geradezu verhängnisvoll sind und daß dauernde Arbeitslosigkeit in erheblichem Umfange bestehen bleiben wird. Wenn wir uns trotzdem unter dem Zwange der Verhältnisse entschließen wollten, diesen Vertrag zu unterzeichnen, so würde es lediglich mit Rücksicht auf unsere Angestellten und Arbeiter geschehen sein, die wir, solange es in unserer Kraft steht, vor der drohenden Hungersnot und Verelendung schützen wollten5. Wir würden im Interesse der gesamten Bevölkerung an Rhein und Ruhr auf das tiefste beklagen, wenn durch Ihre Weigerung, unsere Leistungen als Reparationsleistungen anzuerkennen, diese unsere Absicht durch Ihr Ultimatum zunichte gemacht würde. Wir wiederholen unsere mündlich gegebene Erklärung, daß wir jederzeit und an jedem Ort zu neuen Verhandlungen zur Verfügung stehen. Wir werden von dem Inhalt des Ultimatums unsere Regierung umgehend in Kenntnis setzen6 und dürfen uns vorbehalten, auf die bisherigen Verhandlungen zurückzukommen, sobald wir die Stellungnahme unserer Regierung kennen und auch die Möglichkeit gehabt haben, mit unseren Auftraggebern erneut Rücksprache zu nehmen7.

Fußnoten

1

Die Durchschrift wurde der Rkei am 15.11.23 von Vöglers Privatsekretär Dr. Freundt zugesandt (R 43 I /453 , Bl. 249). – Das Schreiben ist abgedruckt bei H. Spethmann, 12 Jahre Ruhrbergbau III, S. 381 f.

2

S. das frz. Ultimatum in H. Spethmann, 12 Jahre Ruhrbergbau III, S. 229. – Über den frz. Verhandlungsstandpunkt und das Ultimatum war die Rkei noch am 14.11.23 telefonisch im Auftrag Stinnes’ unterrichtet worden. „Die Sechserkommission hat beschlossen, sich zunächst passiv zu verhalten und abzuwarten, was die Franzosen tun werden. Sie ist aus Düsseldorf abgereist. Über Düsseldorf ist seit 8 Uhr abd. Verkehrssperre verhängt.“ Vögler werde am folgenden Tag in Berlin Bericht erstatten (Vermerk Kieps, 14.11.23; R 43 I /453 , Bl. 240).

3

§ 18 stimmt wörtlich überein mit § 19 des Micum-Vorschlags vom 3.11.23. In dt. Übersetzung des RFMin. lautete er: „Kein Betrieb, der zu den Bergwerken gehört, die Abkommen mit der M.I.C.U.M getroffen haben, wird künftig in Betrieb genommen, solange die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages innegehalten werden. Was die gegenwärtig in Regie übernommenen Betriebe betrifft, so wird die Frage ihrer Rückgabe an die Bergwerke durch das endgültige Abkommen geregelt werden, das über die Reparationsfrage getroffen werden soll, und sie wird ferner von der restlosen Erfüllung der Programme für Koks- und Kohlenlieferung abhängig gemacht“ (R 43 I /453 , Bl. 225).

4

S. hierzu Dok. Nr. 250 sowie die vorhergehende Besprechung in Dok. Nr. 246.

5

Vgl. hierzu Dok. Nr. 255.

6

S. o. Anm. 2.

7

S. Dok. Nr. 262.

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