1.101.1 (vpa2p): Anlage

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Die Staatsregierung ist der Ansicht, daß außer den in der Entscheidung des Staatsgerichtshofs namentlich aufgezählten Rechten und Pflichten auch noch weitere ihr nicht genommen werden können. Der Staatsgerichtshof hat hierzu ganz allgemein erklärt, daß auf Grund des Artikels 48 Abs. 2

„der Reichspräsident, abgesehen von der ihm freigegebenen vorübergehenden Außerkraftsetzung von sieben Grundrechten, an alle Vorschriften der Reichsverfassung gebunden ist, die nicht lediglich die Zuständigkeiten des Reichs gegenüber den Ländern oder die Zuständigkeiten der verschiedenen Reichsorgane gegeneinander abgrenzen … Danach ist der Inhalt der angefochtenen Verordnung verfassungsmäßig zulässig, soweit er als eine bloße Verschiebung von Zuständigkeiten, als eine Übertragung von Geschäften und von Befugnissen von der Landesregierung auf ein Reichsorgan aufgefaßt werden kann, dagegen mit der Reichsverfassung nicht vereinbar, soweit durch die Verordnung in andere Vorschriften der Reichsverfassung eingegriffen wird.“

An welche Vorschriften der Reichsverfassung der Reichspräsident hiernach gebunden ist, zählt der Staatsgerichtshof nicht erschöpfend auf. Er sagt nur, daß die Artikel 17, 60 und 63 „zu den Verfassungsvorschriften, die nicht bloße Abgrenzung von Zuständigkeiten enthalten, gehören.“6 Er fügt hinzu:

[1009] „Die Abtrennung von Zuständigkeiten der Landesregierung und ihre Übertragung auf ein Reichsorgan findet aber darin ihre Grenze, daß der Landesregierung die Befugnisse erhalten bleiben müssen, die nach dem eben Gesagten zur Aufrechterhaltung der Selbständigkeit des Landes und seiner rechtlichen Stellung im Reich wesentlich und unentbehrlich sind. Es muß also die verfassungsmäßige Landesregierung als Organ des Landeswillens bestehen bleiben …“

Nach Auffassung der Staatsregierung gehören zu den unübertragbaren organisatorischen Rechten der Länder unter anderem die Vorschriften der Reichsverfassung darüber, daß die ordentlichen Gerichte Landesgerichte sind. Daraus und aus den Grundsätzen der Landeshoheit folgt, daß die von diesen Gerichten verhängten Strafen dem Begnadigungsrechte der Landesregierung7 unterliegen (vgl. Artikel 54 der Preußischen Verfassung). Die Staatsregierung hält es zum mindesten für äußerst zweifelhaft, ob das Begnadigungsrecht auf Grund des Artikel 48 Abs. 2 von den Zuständigkeiten des Landes abgetrennt und auf einen Reichskommissar gegen den Willen der Landesregierung übertragen werden kann, zumal über die Begnadigung Verträge mit anderen Ländern bestehen.

Ferner gehört nach Ansicht der Staatsregierung zu den sechs unübertragbaren Befugnissen, die der Staatsgerichtshof ausdrücklich aufzählt, untrennbar auch die Befugnis, selbständig über die zur Ausübung dieser Befugnisse erforderlichen Hilfsmittel persönlicher und sachlicher Art zu verfügen.

Fußnoten

6

In den vom Staatsgerichtshof den Prozeßgegnern am 14.11.32 zugeleiteten schriftlichen Entscheidungsgründen (vgl. Anm 2 zu Dok. Nr. 177) heißt es hierzu u. a.: „Zu den Verfassungsvorschriften, die nicht bloße Abgrenzungen von Zuständigkeiten enthalten, gehören die Bestimmungen über die Stellung der Länder innerhalb des Reichs und über den Aufbau der Länder, insbesondere die Art. 17, 60 und 63 RVerf. Art. 17 RVerf. schreibt vor, daß jedes Land eine freistaatliche Verfassung haben muß. Er gewährleistet jedem Lande den Bestand einer aus dem Lande selbst hervorgehenden, eigenwüchsigen Landesregierung, die des Vertrauens der Volksvertretung bedarf. An die Stelle dieser Landesregierung kann, auch vorübergehend, kein anderes Organ gesetzt werden. Wenn die Mitglieder dieser Regierung dauernd oder vorübergehend ihres Amtes enthoben oder auch nur an der Amtsausübung tatsächlich völlig verhindert werden, so wird dem Lande entzogen, was ihm durch Art. 17 gewährleistet ist. Dabei begründet es keinen Unterschied, ob es sich um eine im politischen Sinne noch vollkräftige oder um eine Geschäftsregierung handelt. Das für eine Landesregierung in dem gekennzeichneten Sinne entscheidende Merkmal, daß ihre Entstehung auf einen von dem Landtag als dem Vertreter des Volkes zum mindesten gegenüber dem Ministerpräsidenten getätigten Vertrauensakt zurückzuführen ist, trifft auch auf eine Geschäftsführung zu. Eine Stelle, die grundsätzlich und von vornherein des Vertrauens der Volksvertretung nicht bedarf und es nicht in Anspruch nimmt, kann nicht, auch nicht vorübergehend, Landesregierung im Sinne des Art. 17 sein.“ (R 43 I /2283 , Bl. 388 ff.; gedr. in Preußen contra Reich, S. 493 und 515 f.).

7

Zum Gnadenrecht vgl. Anm 7 zu Dok. Nr. 178.

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