2.49.2 (vsc1p): 2.) Zu Punkt 2 der Tagesordnung (Übertragung der Aufgaben der Landeskulturämter auf die Regierungspräsidenten)

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2.) Zu Punkt 2 der Tagesordnung
(Übertragung der Aufgaben der Landeskulturämter auf die Regierungspräsidenten)

berichtete Herr Regierungsvizepräsident Dr. Danckwerts entsprechend dem Schreiben des Ministeriums des Innern vom 21. Dezember 193211 über die Sach- und Streitlage. Er hielt grundsätzlich an der Regelung des § 4 der Vereinfachungsverordnung vom 3. September 1932 fest12 und stellte lediglich zur[203] Erörterung, ob die Aufgaben der Landeskulturamtspräsidenten regelmäßig nur einem Regierungspräsidenten innerhalb jeder Provinz übertragen werden sollten, oder ob der Regel nach jeder Regierungspräsident sein Landeskulturdezernat erhalten solle. Mit einer verstärkten Einschaltung der Oberpräsidenten in die Siedlung könne der Herr Minister des Innern (Kommissar des Reichs) sich nur unter der Bedingung einverstanden erklären, daß die Oberpräsidenten keine technischen Zuständigkeiten erhielten.

Herr Reichsminister Freiherr von Braun gab zu, daß es für die Staatsautorität etwas Mißliches habe, wenn man die durch die Verordnung vom 3. September 1932 getroffene Regelung jetzt schon abändere13. Wenn man aber einen Fehler gemacht habe, so dürfe man sich nicht scheuen, ihn wieder auszumerzen. Die Siedlungsfrage sei keine reine Verwaltungssache, sondern eine so politische Angelegenheit, besonders im Osten, daß man sie dem Oberpräsidenten anvertrauen müsse. Außerdem seien die Siedlungsgesellschaften keine Angelegenheit der Bezirke, sondern der Provinzen. Er könne sich denken, daß die Landeskulturämter bestehen blieben, aber dem Oberpräsidenten unterstellt würden, und schlage vor, diese Frage noch offen zu lassen, bis ihre gründliche Prüfung erfolgt sei. Vor einer Trennung der Aufgaben der Landeskulturämter zwischen den Oberpräsidenten und den Regierungspräsidenten warne er aus fachlichen Gründen. Er könne sich nicht vorstellen, daß man die wenigen Landeskulturämter „zerfleddern“ und an die Regierungspräsidenten geben solle, und bitte dringend um eine Entscheidung zu Gunsten des Oberpräsidenten, dem man auch das Recht geben solle, in geeigneten Fällen einem Landeskulturamtspräsidenten die Aufgaben mehrerer Landeskulturämter zu übertragen.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht hielt es für sachdienlich, die westlichen Landeskulturämter, in denen die Verhältnisse ganz anders lägen als bei den östlichen, hier auszuscheiden und einer besonderen Behandlung zu unterwerfen, da kein Anlaß bestehe, die Oberpräsidenten in die Umlegung, die nur im Westen Preußens eine Rolle spiele, einzuschalten.

Herr Reichsminister Freiherr von Braun erklärte sich mit diesem Vorschlage nicht einverstanden, da er eine verschiedenartige Lösung der Landeskulturamtsfrage für den Osten und Westen nicht für richtig halte.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht schlug darauf vor, heute noch keine Entscheidung in der Angelegenheit der westlichen Landeskulturämter zu treffen, sondern über diese zunächst einmal zwischen dem Ministerium des Innern und dem Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten kommissarisch zu verhandeln. Wenn, wie nunmehr sichergestellt sei, die preußische Verwaltung ihrer Bedeutung entsprechend auf dem Gebiete der Siedlung eingeschaltet werde, so frage es sich, wie man ihre Aufgaben in den Siedlungsangelegenheiten[204] aufteilen müsse. Er halte es für vertretbar, daß der Oberpräsident die erste Taxe bei Ankäufen, die Anerkennung der Siedlungsfähigkeit und die Beobachtung des allgemeinen Siedlungsvorgangs als solchen erhalte und daß ein einheitliches Dispensrecht des Oberpräsidenten innerhalb der Provinz in Sachen der Baupolizei geschaffen werde. Weiter würde es sich fragen, wie weit eine Tätigkeit des Oberpräsidenten auch bei der zweiten Taxe in Frage komme. Wegerecht, Kirchen und Schulen, Bau- und Feuerpolizei müßten bei den Regierungen bleiben. Verfahre man so, dann könne der Oberpräsident mit einem landwirtschaftlichen Sachverständigen ausgestattet werden, der die Taxen zu bearbeiten habe; es könnten aber auch zur Bearbeitung der Zuständigkeiten des Oberpräsidenten die Beamten der bisherigen Landeskulturämter eingesetzt werden. Für schwierig würde er es halten, wenn den Regierungen in Zukunft in den bisher von den Landeskulturämtern bearbeiteten Angelegenheiten ganz allgemein durch den Oberpräsidenten Weisungen erteilt würden; denn da die Regierungspräsidenten die größere Sachkunde in Siedlungsangelegenheiten besäßen, würde deren Bearbeitung siedlungstechnisch richtiger verlaufen, wenn sie auch bei den Regierungspräsidenten verbliebe.

Herr Reichsminister Prof. Dr. Popitz erklärte, man müsse doch bei dem Grundsatz verbleiben, daß mit den Fachverwaltungen aufgeräumt werden solle, und sie der allgemeinen Landesverwaltung unmittelbar unterstellt und eingegliedert würden. Bei der Wahl zwischen Regierungspräsidenten und Oberpräsidenten müsse man in den Siedlungsprovinzen vom Regierungspräsidenten zum Oberpräsidenten in der Weise abkommen, daß der Oberpräsident sozusagen der Rechtsnachfolger der Landeskulturamtspräsidenten werde und deren Beamte übernehme. Bei dieser Entscheidung bekäme der Oberpräsident freilich einen großen Stab von Beamten hinzu, auch wenn, wie dies beim Landeskulturamt Frankfurt a.O. der Fall sei, eine Zweiteilung auf zwei Oberpräsidien stattfinde14. Er sei der Meinung, daß, nachdem einmal die Entscheidung über die Siedlung getroffen sei, auch dafür gesorgt werden müsse, daß die Sache nunmehr vorangehe; es sei ihm nur zweifelhaft, ob nicht richtiger statt der Regierungspräsidenten die Kulturämter die siedlungstechnischen Aufgaben erfüllen sollten. Bei der Siedlung komme es darauf an, was man politisch wolle; es könne deshalb sehr wohl zweckmäßig sein, die Verantwortung auf dem Siedlungsgebiet dem obersten Beamten der Provinz zu übertragen. Wenn man dies betone, so könne man damit die Abänderung der Vereinfachungsverordnung vom 3. September 1932 sehr wohl rechtfertigen, auch in der Presse, zumal nicht zu verkennen sei, daß es sich bei der Siedlung um eine zwar wichtige, aber immerhin doch vorübergehende Aufgabe handele. Er sei der Meinung, daß eine schnelle Entscheidung getroffen werden müsse, und würde es begrüßen, wenn Herr Reichsminister Freiherr von Braun den Gedanken der Erhaltung der Landeskulturämter und ihrer Unterstellung unter die Oberpräsidenten fallen ließe.

Herr Reichsminister Freiherr von Braun hielt die Frage, ob man den Namen „Landeskulturamt“ beibehalten solle oder nicht, für untergeordnet. Man könne ihre Aufgaben auch als „Abteilung für Landeskulturangelegenheiten“[205] den Oberpräsidenten unterstellen und nur ausnahmsweise bei der Bezeichnung als Landeskulturamt verbleiben.

Herr Ministerialdirektor Niermann ergänzte die Ausführungen des Herrn Reichsministers Freiherr von Braun zur Siedlungsfrage und machte Ausführungen insbesondere über die Zahl der in Betracht kommenden Landeskulturbeamten und die Frage der Baupolizei.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht stellte fest, daß an eine Konservierung der Landeskulturämter nicht gedacht werden könne.

Er stellte sodann die Frage der Entlastung der Oberpräsidenten durch die Regierungspräsidenten in Siedlungsangelegenheiten nochmals zur Erörterung.

Herr Reichsminister Prof. Dr. Popitz betonte, daß über die Hauptzuständigkeit der Oberpräsidenten in Siedlungsangelegenheiten baldigst Entscheidung getroffen werden müsse.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht stimmte dem zu.

Herr Reichsminister Prof. Dr. Popitz fragte, ob Hannover als „Siedlungsprovinz“ anzusehen sei.

Herr Ministerialdirektor Niermann bejahte und begründete dies und warnte davor, in der Siedlungsfrage eine Trennung in Ost- und Westprovinzen vorzunehmen.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, daß in der Siedlungsfrage der Osten und der Westen Preußens doch getrennt gehalten werden müßten. Mit dem Oberpräsidenten als Siedlungsträger könne man sich abfinden. Aber hinsichtlich der Baupolizei sei der Minister für Wirtschaft und Arbeit zuständig und die Bearbeitung der Dispense müßte, soweit sie nicht generell erteilt seien, Sache der Regierungspräsidenten bleiben. Er bitte, die Frage der Baupolizeiverordnungen nach der grundsätzlichen Seite hin zu verfolgen. Eine verschleppte Abwickelung dieser Frage berge große Gefahren in sich.

Herr Reichsminister Prof. Dr. Popitz stellte nochmals die Frage, ob, wenn man den Auftrag erteile, auf baldige Siedlung zu drängen, die Provinz Hannover bei diesen Siedlungen inbegriffen sei.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht betonte, daß er schwere Bedenken trage, den Oberpräsidenten mehr als die unbedingt notwendigen Aufgaben zuzuteilen.

Herr Reichsminister Freiherr von Braun bemerkte, daß dem Landwirtschaftsministerium durch die Vereinfachungsverordnung vom 3. September 1932 alle möglichen Aufgaben fortgenommen worden seien, die seiner Meinung nach ihm besser verblieben wären. Er wolle aber im allgemeinen gegen die getroffene Regelung nicht remonstrieren. Anders liege dies aber mit der Frage der Landschaften. Er wisse nicht, ob die Landschaften selbst mit der Unterstellung unter das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit einverstanden seien15. Es[206] frage sich, ob die schwebenden Angelegenheiten nicht wenigstens im Landwirtschaftsministerium noch bereinigt werden sollten.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht erwiderte, man könne nicht verkennen, daß die Landschaften es sich bisher mit ihrer Arbeit sehr leicht gemacht hätten. Es frage sich, ob für sie ein „noli me tangere“ gelten solle. Er gebe gern zu, daß man darüber streiten könne, ob das Gebiet der Landschaften nicht zu den Siedlungsangelegenheiten gehöre. Aber es erscheine doch bedenklich, sie aus dem gesamten System der Kreditinstitute, in das sie sachlich fielen, und das zur Zuständigkeit des Ministers für Wirtschaft und Arbeit gehöre, herauszunehmen.

Herr Reichsminister Freiherr von Braun betonte, daß der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten preußischer Siedlungsminister sei und die Landschaften zur Siedlungspolitik gehörten.

Herr Reichsminister Dr. Ing. Bracht hielt es für zweckmäßig, die Frage der Landschaften bis nach Rückkehr des Herrn Reichskommissars für das Bankgewerbe Dr. Ernst vom Urlaub zu vertagen.

Hinsichtlich der Siedlungsfrage wurde Einverständnis darüber festgestellt, daß der Oberpräsident innerhalb der Provinz führen soll; die Verteilung der Zuständigkeit zwischen ihm und den Regierungspräsidenten soll in kommissarischen Verhandlungen der zuständigen Ressorts unter Zuziehung des Finanzministeriums weiter erörtert werden.

Fußnoten

11

In den Akten der Rkei nicht zu ermitteln.

12

Der angezogene § 4 lautet: „Die Landeskulturämter werden aufgehoben. Die den Landeskulturamtspräsidenten zugewiesenen Aufgaben gehen für die Stadt Berlin auf den Oberpräsidenten, im übrigen, vorbehaltlich einer Entscheidung nach § 2 Abs. 3, auf die Regierungspräsidenten mit folgenden Maßgaben über:

1.Das Verfahren zur Bildung von Landlieferungsverbänden (§ 1 des Ausführungsgesetzes zum Reichssiedlungsgesetz vom 15. Dezember 1919 – Gesetzsamml. [1920] S. 31) wird fortan von dem Oberpräsidenten geleitet.

2.Den Vorsitz im Provinzialsiedlungsausschuß (§ 37 a.a.O.) führt der Oberpräsident.“

Die angezogene Bestimmung des § 2 Abs. 3 lautet: „Den Regierungspräsidenten kann vom Staatsministerium die Verwaltung einzelner Zweige der Landesverwaltung in anderen Regierungsbezirken übertragen werden.“ (GS 1932, S. 283).

13

In den Diskussionen über die pr. Verwaltungsreform war der PrLandwM mit seinen Wünschen, den Aufbau der Landwirtschaftsverwaltung ungeschmälert zu erhalten, seit 1925 unterlegen, zuletzt in der Sitzung der Reichskommissare am 4.8.1932 (s. diese Edition: Das Kabinett v. Papen). Die Absichten der RReg., die Siedlungstätigkeit wieder neu zu beleben, warf für Preußen die Frage nach der Leistungsfähigkeit und nach dem effektiven Einsatz der Landeskulturämter wieder auf und löste die Änderungswünsche des REM aus. Vgl. dazu auch Dok. Nr. 66, P. 6.

14

Brandenburg und Grenzmark Posen-Westpreußen.

15

Durch die „Zweite Verordnung zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung“ vom 29.10.1932 war die Zuständigkeit für „das landwirtschaftliche Kreditwesen, Landschaften und ihre Banken, ländliche Kreditgenossenschaften“ vom Landwirtschaftsministerium auf das aus dem früheren Handelsministerium und Teilzuständigkeiten des aufgelösten Wohlfahrtsministeriums neugeschaffene Ministerium für Wirtschaft und Arbeit übergegangen (GS, S. 333).

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