2.251 (feh1p): Nr. 251 Der Reichspräsident an den Reichskanzler. 8. Mai 1921

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Nr. 251
Der Reichspräsident an den Reichskanzler. 8. Mai 1921

R 43 I /131 , Bl. 261–262

[Betrifft: Abschluß der deutsch-russischen Abkommen]

Aus Zeitungsnachrichten entnehme ich, daß der deutsch-russische Vertrag abgeschlossen und veröffentlicht ist1; nach dem in der Presse veröffentlichten Text scheint der jetzt abgeschlossene Vertrag im wesentlichen unverändert dem früheren Entwurfe zu entsprechen, gegen welchen s. Zt. sowohl seitens der Reichskanzlei und des Reichsministeriums des Innern2 als auch von mir selbst erhebliche sachliche Bedenken erhoben worden sind. Ich habe nach einer am 23. März (Gründonnerstag) mit den Staatssekretären Lewald und Albert stattgehabten Besprechung mit Rücksicht auf diese sachlichen Bedenken dem Herrn Staatssekretär v. Haniel mitgeteilt, daß ich die von mir für den Vertragsabschluß[670] erteilte Vollmacht insoweit beschränken müsse, als ich vor Abschluß des Vertrages dessen einzelne Bestimmungen zu erfahren wünsche und mir meine Entscheidung hiernach vorbehalten müsse3; gleichzeitig hat auch, soviel ich unterrichtet bin, Herr Staatssekretär Albert das Auswärtige Amt unter Hinweis auf die geltend gemachten Bedenken ersucht, vor dem Abschluß des Vertrages eine Entscheidung des Kabinetts herbeizuführen4. Die vorbehaltene Einholung meiner Entscheidung über den Abschluß des Abkommens ist jedoch nicht erfolgt, ebensowenig ist meines Wissens eine Beschlußfassung des Kabinetts herbeigeführt worden, die meines Erachtens bei den bestehenden Meinungsverschiedenheiten und den verschiedene Ressorts berührenden Fragen schon nach Art. 57 der Reichsverfassung erforderlich war5.

Ich bitte die Vorgänge, welche die bevollmächtigten Beamten trotzdem zum Abschluß des Abkommens veranlaßt haben, aufzuklären6 und darf einer Mitteilung des Ergebnisses entgegensehen7.

Ebert

Fußnoten

1

Zur Vorgeschichte s. Dok. Nr. 217 und Dok. Nr. 218, P. 1.

In seiner Sitzung vom 26.3.1921 hatte das Kabinett beschlossen, die Entscheidung über die dt.-russ. Abkommen mit Rücksicht auf den mitteldt. Aufstand hinauszuschieben; seitdem hatte keine weitere Kabinettssitzung über dieses Thema stattgefunden. Am 6. 5. waren nun in Berlin überraschend das dt.-russ. Abkommen über die Erweiterung des Tätigkeitsgebiets der beiderseitigen Delegationen (RT-Drucks. Nr. 1984, Bd. 367 ) sowie das Ergänzungsabkommen über die Heimschaffung der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten (RT-Drucks. Nr. 2386, Bd. 368 ) unterzeichnet worden. Bereits am 7. 5. hatte das WTB die Presse über den Abschluß dieser Abkommen unterrichtet (Vorwärts Nr. 214 v. 8.5.1921).

2

Siehe dazu Dok. Nr. 217.

3

Am 25. 3. hatte der RPräs. StS v. Haniel eine Notiz zugehen lassen, in der es hieß: „Wegen des Entw. eines Abkommens über die Heimschaffung der beiderseitigen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten habe ich keine Bedenken. Dagegen habe ich gegen den Entw. eines Handelsabkommens zur Zeit große Bedenken aus innerpolitischen Gründen.“ (Abschrift, R 43 I /131 , Bl. 179).

4

Dazu war in R 43 I und in den Akten des PA des AA nichts zu ermitteln.

5

Nach Art. 57 der RV hatten die RM der RReg. alle GesEntw., „ferner Angelegenheiten, für welche Verfassung oder Gesetz dies vorschreiben, sowie Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Reichsminister berühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.“

6

Über die Gründe zum Abschluß der Abkommen gibt ein Schreiben Aufschluß, das das Mitglied der Reichszentralstelle für Kriegs- und Zivilgefangene in Berlin, Fischer, am 9. 5. an Moritz Schlesinger, ebenfalls Mitglied der Zentralstelle, richtete. Schlesinger befand sich zu dieser Zeit in Moskau. In dem Schreiben heißt es u. a.: „Lieber Herr Schlesinger! Am 6. ds. Mts. abends sind im Auswärtigen Amt die Verträge mit Rußland unterzeichnet worden. Sie finden sie anliegend. Das schnelle Durchdrücken des Zustandekommens des Abschlusses dieser Verträge und die Unterzeichnung selbst war nur möglich infolge der Londoner Beschlüsse und des bevorstehenden Rücktritts des Kabinetts.“ Der Leiter der Rußland-Abteilung im AA, v. Maltzan, zeichnete dieses Schreiben ab (PA/IV Ru Politik 2, Abschluß der dt.-russ. Verträge, Bd. 2).

7

Siehe dazu weiter den Band „Das Kabinett Wirth“ dieser Edition.

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