2.114.14 (bau1p): 14. Besprechung über das Betriebsrätegesetz.

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14. Besprechung über das Betriebsrätegesetz.

Es fand eine eingehende vertrauliche Erörterung über die Frage der Stellungnahme der demokratischen Partei zum Betriebsrätegesetz statt11. Das Kabinett[423] war einstimmig der Ansicht, daß das Gesetz vor Beginn der Weihnachtsferien in allen drei Lesungen verabschiedet und von der Zustimmung der drei Regierungsparteien getragen werden müsse, andernfalls würden die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen sein12.

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Die Auseinandersetzung um das Betriebsrätegesetz drohte zu einer parteipolitischen Prestigefrage zu werden. Anläßlich des Wiedereintritts der DDP in die Regierungskoalition war in der Presse ein Streit darüber entbrannt, ob den Demokraten diesbezügliche Konzessionen gemacht worden waren (Schultheß 1919, I, S. 417). Der der NatVers. vorliegende GesEntw. (NatVers.-Bd. 338 , Drucks. Nr. 928 ; Einzelheiten s. Dok. Nr. 27) wurde seitens der SPD als das „Minimum der Forderungen“ angesehen (Protokolle der SPD-NatVers.-Fraktion, Sitzung vom 30.9.19). Tatsächlich scheint sich die DDP mit den Grundzügen der Vorlage einverstanden und lediglich redaktionelle Änderungen für notwendig erklärt zu haben. So vermerkte GehRegR Brecht in einer undatierten, in den ersten Oktobertagen angefertigten Aktennotiz über das Ergebnis der interfraktionellen Beratungen u. a.: „Im Einzelnen ist die Frage der Beteiligung der Arbeiter an den Aufsichtsräten besprochen worden, hinsichtlich deren es bei der Regierungsvorlage verbleibt. Dasselbe gilt für die Frage der Bilanz, wobei weitergehende Anträge zurückgestellt werden sollen“ (R 43 I /1304 , Bl. 34). Im Oktober waren die Ausschußberatungen vor allem bei der Diskussion der vorgesehenen Bestimmungen über die Einsichtnahme der Betriebsräte in die Bilanz und ihre Aufnahme in den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaften (§§ 34 Ziff. 12 und 35 Abs. 2 der Regierungsvorlage) ins Stocken geraten. RK Bauer schockierte die in diesen Fragen mehr als nur redaktionelle Änderungen verlangenden Demokraten mit einer Rücktrittsdrohung, wofür er die uneingeschränkte Zustimmung der SPD-Fraktion fand (Protokolle SPD-NatVers.-Fraktion, Sitzung vom 10.10.19; vgl. Nachl. Koch-Weser  Nr. 16, S. 281). Als daraufhin das Zentrum seine Bereitschaft bekundete, in den umstrittenen Punkten mit den Sozialdemokraten zusammenzugehen, stellte sich für die DDP die Frage, ob sie sich ein erneutes Ausscheiden aus der Regierungskoalition leisten könne. Über die Diskussion in der DDP-Fraktion der NatVers. am 31. 10. vermerkte RIM Koch: „Die Fraktion will nicht mit. Nur eine Minderheit, namentlich Arbeiter und Beamte, will das Gesetz auf jeden Fall machen. Schiffer dringt sehr darauf, daß ein Kompromiß noch zustande kommt. Ich habe erklärt, wir seien zur Aufrechterhaltung der Verfass[un]g und Ordnung und zur Stärkung der Regierung nach außen in der Regierung, über politische und finanzielle Grundfragen müsse man sich verständigen, sozialpolitisch werde unter Umständen die Partei in unerträglicher Weise durch Kompromisse belastet, die die Wähler nicht wollten. Diese Ansicht scheint die Mehrheit zu haben. Daß das Auseinandergehen auch zum Austritt aus der Regierung führen müsse, scheint die Ansicht Weniger zu sein, die behaupten, die Wählerschaft verlange einfach, daß wir in der Regierung jede unseren Anschauungen widersprechende Maßnahme verhinderten. Ein solcher Austritt in einer Frage, in der die Minderheit der Fraktion [gemeint sind wahrscheinlich die oben genannten Arbeiter und Beamten] den Standpunkt, der zum Austritt führt, billigt, würde auch zur Spaltung der Partei führen.“ (Nachl. Koch-Weser, Nr. 20, Bl. 23). Die Kluft zwischen den Regierungsparteien blieb unüberbrückt. Der sich vor allem auf den Bilanzparagraphen des GesEntw. konzentrierende Streit trieb einem Gipfelpunkt zu, als das Zentrum die DDP ultimativ aufforderte, dem GesEntw. zuzustimmen oder ihre Minister aus der Reg. zurückzuziehen. Vor der DDP-Fraktion schätzte daraufhin deren Vorsitzender Payer die Lage so ein: „Die Soz[ial]dem[okratie] kann nicht zurück. Das Zentrum wird nach meiner Ansicht die Sache nicht allein mit der Soz[ial]dem[okratie] machen, sondern es kommt zur Regierungskrise, die unlöslich ist“ (Nachl. Koch-Weser, Nr. 20, Bl. 87; Aufzeichnung vom 24.11.19 abends).

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Laut Mitteilung von RIM Koch in der DDP-Fraktionssitzung vom 25. 11. hat das Kabinett beschlossen, zurückzutreten, wenn die DDP-Fraktion gegen den Bilanzparagraphen des Betriebsrätegesetzes stimmen würde (Nachl. Haußmann  Nr. 25; vgl. zusammenfassend Lothar Albertin: Liberalismus und Demokratie am Anfang der Weimarer Republik. S. 359 f. – In den Ausschußberatungen wird die Regierungsvorlage zahlreichen Abänderungen und Ergänzungen unterworfen. In den strittigen Fragen kommt ein Kompromiß zustande, indem von der Vorlage einer gesetzlichen Bilanz abgesehen und lediglich ein vierteljährlich vom Unternehmer zu erstattender Bericht über die Wirtschaftslage sowie in größeren Betrieben die Vorlage einer „Betriebsbilanz“ und einer „Betriebs-Gewinn- und Verlustrechnung“ vorgeschrieben wird. Verhindert wird mit diesen Bestimmungen die von den Arbeiterparteien geforderte Rechenschaftspflicht des Unternehmers über sein Privatvermögen und das außerbetrieblich arbeitende Vermögen. Die Frage der Vertretung des Betriebsrates im Aufsichtsrat wird einem besonderen Ges. vorbehalten (Ausschußfassung im Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten vom 18.12.19, NatVers.-Bd. 340 , Drucks. Nr. 1838 ). Das Betriebsrätegesetz wird nach tumultartigen Auseinandersetzungen in und außerhalb des Parlaments (vgl. Dok. Nr. 146) im wesentlichen in der Ausschußfassung mit 215 gegen 63 bei einer ungültigen Stimme von der NatVers. am 18.1.20 angenommen (NatVers.-Bd. 332, S. 4514  ff.). Das Ges. vom 4.2.20 tritt am 9.2.20 in Kraft (RGBl. S. 147 ).

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