2.61.1 (bau1p): 1. Kohlenfrage.

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1. Kohlenfrage.

Die ernste Lage der Kohlenversorgung wird ausführlich erörtert2. Die Besprechung hat folgendes Ergebnis:

2

Vgl. dazu die „Auszugsweise Wiedergabe des vom Reichskommissar für die Kohlenverteilung dem Ausschuß zur Prüfung der Arbeitszeit im Bergbau am 21. August 1919 in Essen erstatteten Gutachtens über die Kohlenlage“, in dem nach einer Schilderung der besorgniserregenden Unterversorgung aller öffentlichen, industriellen und privaten Kohleverbrauchergruppen als Ausweg aufgezeigt wird: „Was uns helfen kann, ist neben äußerster Sparsamkeit in der Verwendung der Brennstoffe einzig und allein die Arbeit, und zwar in erster Linie die Arbeit in der Urproduktion, also die Steigerung der Kohlenförderung. […] Mit der Steigerung der Förderung Hand in Hand gehen muß die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen.“ Es wird versucht, die in Bergarbeiterkreisen geäußerte Behauptung zu widerlegen, daß angesichts großer, von den Eisenbahnen nicht abtransportierter Haldenbestände eine Steigerung der Förderung zwecklos sei. Die im Ruhrgebiet auf Halde lagernde Kohle entspreche nicht mehr als einer halben Tagesförderung und stelle die nötigste Betriebsreserve der Zechen dar; ähnliches gelte für das oberschles. Revier (R 43 I /2182 , Bl. 190 f.). Unter Bezugnahme auf diesen Bericht hatte der sozdemokr. „Vorwärts“ geschrieben: „Diese Wahrheit ist aber nicht die reine Wahrheit über die deutsche Kohlennot.“ Die dt. Öffentlichkeit sei seit Monaten unter amtlicher Führung systematisch irregeführt worden, so daß „das Volk gegen die Bergarbeiter eingenommen werden mußte. Die Bergleute aber sehen auf den Schächten die Kohlenvorräte immer höher anwachsen und verstehen darum das Geschrei nach Erhöhung der Kohlenproduktion nicht.“ Erst müsse mehr Verkehrsmaterial zum Abtransport der Kohle von den Eisenbahnwerkstätten bereitgestellt werden, dann könne der Ruf an die erhöhte Arbeitspflicht der Bergleute wirksam werden (Vorwärts Nr. 429 vom 23.8.19).

a) Es soll dahin gewirkt werden, daß in den Staatsbetrieben, insbesondere den Eisenbahnen, möglichst keine Verbesserungen der Lohnverhältnisse derart[244] eintreten, daß sie den Abzug der Arbeiter aus den Bergwerken dorthin zur Folge haben;

b) der Abtransport der in Oberschlesien auf den Halden lagernden Kohlen soll mit allen Mitteln, insbesondere auch unter voller Ausnutzung der Schiffahrt gefördert werden; <…>3;

3

Zu einzelnen Punkten dieses Protokolls hatte der RWiM mit Schreiben vom 23. 9. Ergänzungen beantragt (R 43 I /2182 , Bl. 294 f.), die – wenn nötig – hier in <> wiedergegeben werden.

c) auf die Einführung einer siebenten Schicht in der Woche soll mit allen Mitteln hingewirkt werden4;

4

Über die Frage der Einführung einer siebenten Schicht der Bergarbeiter findet am 11. 11. eine Chefbesprechung in der Rkei statt, an der unter Vorsitz des RK die Minister Erzberger, Schmidt, Mayer, Schlicke, der PrHandM Fischbeck und verschiedene Beamte teilnehmen. Die Beratung hat folgendes Ergebnis: „Mit den Bergarbeitern, und zwar zunächst im Ruhrbezirk, soll über die Einführung einer siebenten Schicht in dem Sinne verhandelt werden, daß die Bergarbeiter sich zur Einlegung der siebenten Schicht mindestens zweimal im Monat verpflichten und andererseits das Reichswirtschaftsministerium dafür die Verpflichtung zu bestimmten Lieferungen an Nahrungsmitteln und Kleidung übernimmt“ (Protokoll des GehRegR Brechts vom 20.11.19; R 43 I /2170 , Bl. 122). Eine weitere Chefbesprechung in dieser Angelegenheit findet am 22. 12. unter Vorsitz des RK mit den Ministern Schmidt und Schlicke sowie verschiedenen Beamten der beteiligten Ressorts statt. In dem vom GehRegR Brecht gefertigten Protokoll heißt es u. a.: „Es wird festgestellt, daß auf Grund der bisherigen Beratungen zwar zahlreiche Verhandlungen stattgefunden haben, tatsächlich aber mit einer Mehrbelieferung von Bergarbeitern für Überschichten noch nicht der Anfang gemacht ist. Nach Mitteilung des Reichswirtschaftsministers stehen vom 1. Januar an 2 Mark pro Tonne Kohle für diesen Zweck zur Verfügung. Es wird beschlossen, daß aus diesen Beträgen im Benehmen mit dem Reichsminister der Finanzen eine Senkung der Preise für die Lebensmittel vorgenommen werden soll, die den Arbeitern für die Überschichten angeboten werden. […] Die Minister sind darüber einverstanden, daß eine Ausfuhr von Kohle gegen Einfuhr von Lebensmitteln durch die einzelnen Zechen selbst nicht in Frage kommt“ (R 43 I /2170 , Bl. 146).

d) Abbau der Erwerbslosenunterstützung. Sie ist nur möglich durch Einführung eines Ersatzes durch die Arbeitslosenversicherung. Das Arbeitsministerium soll in Verfolg der eingeleiteten Verhandlungen mit dem Reichsfinanzministerium bis Ende des Monats einen Entwurf für die Arbeitslosenversicherung fertigstellen5;

5

In der zweiten Jahreshälfte finden Ressortbesprechungen über die Ausgestaltung der Erwerbslosenfürsorge statt. Einen GesEntw. über die Arbeitslosenversicherung legt der RArbM dem RKab. erst mit Anschreiben vom 7.2.20 vor (R 43 I /2025 , Bl. 79–123). – Zum Fortgang s. diese Edition: Das Kabinett Müller I.

[245] e) der Automobilverkehr soll in der Zeit von 11 <oder 12> Uhr abends bis 6 Uhr morgens vollständig untersagt werden, sowie die ganzen Sonn- und Feiertage; <…>; [Ausnahmen für Sanitätsfahrzeuge usw. bleiben vorbehalten];

f) der Reichskohlenkommissar wird ermächtigt, bei der Kohlenversorgung die linke Rheinseite ebenso wie die rechte Rheinseite zu behandeln6; <der Abbau der Bevorzugung in der Belieferung von Linksrhein soll indessen nur allmählich erfolgen;>

6

Der hier ausgesprochenen Ermächtigung lag ein Antrag des bayer. HandMin. beim RKohlenKom. zugrunde, in dem die ausreichende Kohleversorgung der Pfalz gefordert wurde, um so den „Bestrebungen der Franzosen auf Absprengung des linksrheinischen Gebiets und besonders der Pfalz vom übrigen Deutschland“ entgegenzuwirken (Durchschrift für den RK, 1.9.19; R 43 I /2182 , Bl. 268).

g) er wird ferner ermächtigt, auch die Kohlenversorgung der Papierfabriken etwas einzuschränken.

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