2.195.1 (feh1p): [Verhandlungen in London; Frage einer Erklärung der Reichsregierung im Reichstag]

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

   Das Kabinett Fehrenbach  Konstantin Fehrenbach Bild 183-R18733Paul Tirard und General Guillaumat Bild 102-01626AOppeln 1921 Bild 146-1985-010-10Bild 119-2303-0019

Extras:

 

Text

RTF

[Verhandlungen in London; Frage einer Erklärung der Reichsregierung im Reichstag]

Der Reichskanzler führte aus, daß die gestrigen schweren Bedenken über[524] die Verhandlung der Angelegenheit im Reichstag durch die Nachrichten nicht gemildert seien, die inzwischen aus London gekommen seien und die uns die Mitteilung gebracht hätten, daß unter der Hand Verhandlungen gepflogen würden2. Um dem Wunsch des Reichstags gemäß der gestrigen Besprechung entgegenzukommen, seien 2 Entwürfe von Reden gefertigt worden3. Nach Ansicht der Regierung würde es eine schwere Gefahr bedeuten, wenn man von Seiten der Regierung auf Lloyd Georges Rede eingehend einginge. Auch die Regierung habe sich daher entschlossen, nur eine kurze Erklärung abzugeben, zunächst eine Verbeugung vor dem Reichstag zu machen, sodann auf die Verantwortlichkeit der Regierung hinzuweisen, die es verbiete, in die Verhandlungen störend einzugreifen, und im übrigen sich nur auf wenige Mitteilungen zu beschränken, die besagten, daß Simons den Auftrag hätte, innerhalb der gesteckten Grenzen alle Verhandlungsmöglichkeiten zu erschöpfen und der Zuversicht Ausdruck zu geben, daß das deutsche Volk die etwaigen Zusagen decken würde. Auf weiteres würde sich die Regierung nicht einlassen. Er könne nur abermals der Ansicht Ausdruck geben, daß er es für zweckmäßiger halten würde, wenn von einer Erörterung Abstand genommen werde. Falls dies nicht mehr zu machen sei, so würde er sich auf die oben skizzierte Erklärung beschränken, damit nicht eine unheilvolle Störung der Londoner Verhandlungen erfolge. Im übrigen müsse er aber die Verantwortung für das Unheil, was daraus entstehen könne, ablehnen.

2

Zu diesen Verhandlungen s. Dok. Nr. 194, Anm. 2.

3

Die Redeentw. waren von RArbM Brauns und MinDir. Heilbron angefertigt worden. In der Kabinettssitzung am Morgen dieses Tages hatte sich das Kabinett für den Entw. von RArbM Brauns entschieden. Siehe dazu Dok. Nr. 194, P. 2.

Der Reichskanzler verliest darauf die von ihm beabsichtigte Erklärung.

Hergt gibt der Auffassung Ausdruck, daß er an und für sich keinen Wert auf eine Verhandlung heute lege, es vielmehr für besser halte, nach den Erklärungen heute nicht zu verhandeln. Sollte das doch geschehen, so müsse er sich vorbehalten, auf die Rede von Lloyd George einzugehen.

Helfferich: Für das Parlament gäbe es zwei Möglichkeiten, entweder nicht zu sprechen oder zu sprechen. Er verstehe die Äußerung des Reichskanzlers dahin, daß die Regierung sich auf die kurze Erklärung beschränken wolle. Wenn die Parteien Stellung dazu nehmen würden, dann sehe er keinen Weg, um an den Worten Lloyd Georges vorbeizukommen.

Müller ist der Auffassung, daß die Debatte nicht zu vermeiden sei. Hält es für kein Unglück, wenn die Deutschnationalen ihre Auffassung sagen, desgleichen nicht, wenn die Regierung selbst auf die Rede von Lloyd George nicht eingehen will.

Trimborn: Er habe sich schon gestern sehr klar gegen jede Verhandlung ausgesprochen. So wie die Verhältnisse heute lägen, müsse wohl verhandelt werden. Das Zentrum würde sich jedoch auf die Abgabe einer Erklärung beschränken; der Gedankengang dieser Erklärung bewege sich in derselben Richtung wie der vom Reichskanzler in der Regierungserklärung mitgeteilten. Im übrigen würden sie sich einen scharfen Widerspruch gegen die Rede Lloyd Georges vorbehalten.

[525] Stresemann kann sich für seine Fraktion der Regierungserklärung anschließen. Hat die Absicht, auf politische und wirtschaftliche Ausführungen einzugehen, da eine Rede wie die von Lloyd George nicht 72 Stunden unwidersprochen gelassen werden dürfe.

Schiffer ist der Meinung, daß man sich besser auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt hätte. Dies schiene jetzt nicht mehr möglich zu sein; er empfiehlt daher, sich kurz zu fassen und sich hinter die Regierung zu stellen. An der Rede von Lloyd George dürfe man nicht ganz vorbeigehen, insbesondere müsse man auch die Schuldfrage streifen.

Es wurde sodann die Frage erörtert, ob man nach der kurzen Erklärung des Reichskanzlers eine Pause eintreten lassen solle. Nach längerer Erörterung wurde beschlossen, es davon abhängig zu machen, in welcher Weise die Geschäftsordnungsdebatte sich abspielen würde. Gegebenenfalls soll eine Pause eintreten.

Der Reichskanzler soll erst nach Erledigung der Geschäftsordnungsdebatte den Reichstag betreten.

v. Haniel teilt die Auffassung Simons mit, wonach er sich fügen würde, wenn eine Verhandlung aus partei- und innerpolitischen Gründen unabwendlich sei. Bedenklich würde es sein, wenn sich eine erregte Debatte an die Regierungserklärung anknüpfe, da wir nicht wissen könnten, wie die Verhandlungen liefen4.

4

Es war dies offensichtlich die Antwort von RAM Simons auf das Telegramm des RKab. vom 4. 3. abends. Siehe dazu Dok. Nr. 191, Anm. 2.

Zu der Erklärung der RReg. in der anschließenden RT-Sitzung s. RT-Bd. 348, S. 2656 ; zu der Besprechung dieser Erklärung durch die Parteien s. RT-Bd. 348, S. 2657  f.

Extras (Fußzeile):