1.160 (mu22p): Nr. 416 Aufzeichnung Staatssekretär Pünders über die Delegationsbesprechung in Den Haag am 14. Januar 1930 betr. deutsche Beteiligung an der BIZ

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Nr. 416
Aufzeichnung Staatssekretär Pünders über die Delegationsbesprechung in Den Haag am 14. Januar 1930 betr. deutsche Beteiligung an der BIZ

R 43 I /303 , Bl. 73 f., hier: Bl. 73 f.

Die Frage der deutschen Beteiligung an der Internationalen Bank (entweder Reichsbank oder eine andere deutsche Bankengruppe) und die damit für die augenblicklichen Arbeiten der Haager Konferenz zusammenhängenden Fragen wurden heute in einer Sitzung, an der

a) seitens der deutschen Delegation:

die Reichsminister Dr. Curtius, Dr. Wirth, Schmidt und Dr. Moldenhauer sowie Staatssekretär Dr. Pünder,

b) seitens der Reichsbank:

Reichsbankpräsident Dr. Schacht und Geheimrat Dr. Vocke

teilnahmen, eingehend durchgesprochen1.

1

Die nachfolgende Besprechung war erforderlich geworden, nachdem Schacht im Bankkomitee am 13.1.30 gesprochen hatte. Dazu war von Pünder nach Berlin berichtet worden: „Wie der Rkei heute nachmittag bereits fernmündlich mitgeteilt, sind der Konferenz in der heutigen Sitzung des Bankkomitees nicht unerhebliche Schwierigkeiten erwachsen. Von Gläubigerseite wurde der dem RKab. bekannte Brief des Rbk-Direktoriums vom 31.12.1929 betreffend Beteiligung der Rbk an der Internationalen Bank zur Sprache gebracht. Von der Gegenseite hiernach gefragt, äußerte sich Schacht dahin, daß die endgültige Entscheidung der Rbk von dem Gesamtergebnis der Haager Konferenz abhinge, wobei er die in dem Brief erwähnten Voraussetzungen [moralische Gleichbehandlung Deutschlands mit den übrigen Mächten, keine Diskriminierung, Freistellung von Sanktionen] erneut berührte. Darauf erklärten die amerikanischen, französischen, italienischen und belgischen Bankiers bei Stimmenthaltung anderer, daß unter diesen Umständen ein weiteres Beraten des Bankkomitees keinen Zweck hätte, worauf sich der Ausschuß ohne Angabe eines neuen Termins vertagte“ (Telegramm Nr. 35 vom 13.1.30; R 43 I /480 , Bl. 103-108, hier: Bl. 103-108. Das Schreiben Schachts in R 43 I /671 , Bl. 160 f., hier: Bl. 160 f., abgedruckt in das Ende der Reparationen, S. 111 ff.). Eine noch am 13. 1. anberaumte Besprechung der dt. Delegation hatte zu keinem Ergebnis geführt. „Präsident Schacht erklärte, daß das Rbk-Direktorium allerdings erst nach dem Vorliegen des Gesamtergebnisses der Haager Konferenz in Gesetzesform, d. h. also kaum vor zwei Monaten abschließend Stellung nehmen könne, beantwortete aber die Frage des Delegationsführers, der hierzu das bereits vorliegende und voraussichtlich weitere Konferenzergebnis darlegte, dahin, daß er persönlich unter diesen Voraussetzungen Gegner der Annahme des Young-Plans sei. Er erläuterte dann näher drei Möglichkeiten, daß zunächst, wie im Young-Plan vorgesehen, an Stelle der Rbk eine private Bankengruppe trete, wobei die Rbk die ihr dann obliegenden Verpflichtungen als Agent und so weiter loyal erfüllen würde, allerdings ohne eigene Verantwortung. Ferner sei seine persönliche Haltung nicht mit der des Rbk-Direktoriums, in dem er nur eine gegen neuen Stimmen habe, identisch; würde das Direktorium gegen ihn votieren, würde er sich der Mehrheit fügen. Wenn schließlich RReg., RPräs. und Generalrat seine Haltung mißbilligten und seinen Rücktritt erbäten, würde er sich diesem Wunsch wahrscheinlich nicht widersetzen“ (Pünders Telegramm Nr. 35; R 43 I /480 , Bl. 103-108, hier: Bl. 103-108).

[1359] Die Aussprache führte zu folgendem Ergebnis:

1. Der vorher bereits zwischen Reichsminister Moldenhauer und Präsident Schacht durchgesprochene Weg, nämlich die Aufnahme einer gesetzlichen Bestimmung in die Haager Vereinbarungen, durch die die Reichsbank zur Beteiligung an der Internationalen Bank verpflichtet wird, wurde allseitig gebilligt2.

2

Zu dieser Besprechung berichtete Moldenhauer in seinen Erinnerungen: „In der Nacht überlegte ich, daß der von Curtius gefundene Ausweg [das private Bankenkonsortium an Stelle der Rbk] sehr bedenklich sei. Formell konnte zwar jeder Staat an Stelle der Staatsbank eine andere Bank bestimmen. Aber im Sinne des ganzen Young-Plans war doch, daß die Rbk die deutschen Interessen vertreten sollte. Ich ließ mir deshalb am anderen Morgen früh Schacht kommen und sagte ihm, daß wir auf die Rbk nicht verzichten könnten. Da er bei seiner Weigerung blieb, gäbe es nur eine Möglichkeit: Gesetzlich festzulegen, daß die Rbk verpflichtet sei, die im Young-Plan vorgesehenen Aufgaben bei der Internationalen Bank zu erfüllen. Darauf erklärte er, wenn dies gesetzlich festgelegt werde, werde er selbstverständlich loyal den Pflichten nachkommen. Er wollte eben gezwungen sein“ (BA: Nachlaß Moldenhauer  3, S. 57 f.).

Präsident Schacht erklärte, daß die Reichsbank sich einem solchen gesetzlichen Zwange selbstverständlich fügen werde. Er übernehme damit natürlich keinerlei Verantwortung für das Ergebnis der Haager Konferenz, werde aber mit seiner Auffassung selbstverständlich durchaus zurückhalten; nur wenn ausdrücklich ein Gutachten des Reichsbank-Direktoriums seitens der deutschen Delegation erbeten werden sollte, würde sich die Reichsbank auch sachlich äußern, worauf seitens der Vertreter der deutschen Delegation bemerkt wurde, daß die vorgesehene Regelung einer Übernahme von Verantwortung der Reichsbank für die politischen Entscheidungen im Haag nicht in Frage komme, und daß auch die Einholung eines Gutachtens des Reichsbank-Direktoriums nicht beabsichtigt sei.

2. Reichsbankpräsident Schacht bemerkte erläuternd, daß seine sachlich andere Einstellung zu verschiedenen Fragen der Haager Konferenz auf die Durchführung der Vereinbarung nach Ziffer 1 selbstverständlich nicht den leisesten[1360] Einfluß ausüben werde. Vielmehr werde die Reichsbank loyal und mehr als loyal der Reichsregierung hier wie auch späterhin zur Verfügung stehen, insbesondere auch bei ihren weiteren Maßnahmen zur endgültigen Sanierung der Reichsfinanzen.

3. Es wurde übereinstimmend als selbstverständlich angesehen, daß Präsident Schacht mit Geheimrat Vocke weiterhin im Organisations-Komitee der Internationalen Bank mitarbeite, bis die Fragen dieses Komitees geordnet sind.

4. Auf Frage teilte Reichsbankpräsident Schacht mit, daß im Bankkomitee, namentlich seitens der Amerikaner, eine starke Strömung dahingehe, an den bisherigen Formulierungen möglichst nichts oder jedenfalls möglichst wenig zu ändern; einzelne Wünsche würden u. a. noch hinsichtlich des Treuhänder-Vertrages geäußert werden.

5. Präsident Schacht erklärte sich durchaus damit einverstanden, daß für den Eventualfall, daß seitens der Haager Konferenz doch noch die Beteiligung einer anderen deutschen Bankengruppe ins Auge gefaßt werden sollte, die beiden Führer der aus der Reichs-Kreditgesellschaft und der Seehandlung, nämlich die Herren Bankdirektor Ritscher und Präsident Schröder, ab morgen vormittag für etwaige solche Verhandlungen im Haag zur Verfügung stehen.

6. Der Delegationsführer stellte abschließend die völlige Übereinstimmung dahin fest, daß unter obigen Voraussetzungen die Angelegenheit als völlig befriedigend geregelt anzusehen sei3.

3

Allerdings berichtet Moldenhauer über das weitere Verhalten des RbkPräs.: „Am andern Morgen ließ sich Schacht wieder bei mir melden und sagte mir, er müsse mich noch auf eine Schwierigkeit aufmerksam machen. Wir hätten gestern beschlossen, durch Gesetz die Rbk zur Teilnahme an der Internationalen Bank zu zwingen. Damit sei aber nicht der RbkPräs. selbst gezwungen. Er habe nach dem Statut das Recht, selbst hinzugehen oder einen Vertreter zu schicken. Er könne aber auch davon Abstand nehmen, einen Vertreter zu schicken, und dann müsse die Regierung jemand anders ernennen. Er nehme kaum an, daß, wenn er sich weigere, ein Mitglied des Direktoriums der Rbk bereit sei, für ihn einzuspringen. Darauf sagte ich ihm, daß ich es für einen unmöglichen Zustand hielte, wenn die Rbk zwar beteiligt sei, aber durch den Direktor einer anderen Bank vertreten werde. Ich dankte ihm aber für den Hinweis und erklärte ihm nunmehr, daß wir dann im Bankgesetz bestimmen würden, daß auch der RbkPräs. gezwungen sei, mitzuwirken. Er sagte, daß er das durchaus begreife und keineswegs übelnehme. Schacht hat dann vor uns Ministern sich mit der neuen Regelung einverstanden erklärt und bestätigt, daß er, wenn die gesetzliche Regelung vorgenommen werde, loyal mitarbeiten werde“ (BA: Nachlaß Moldenhauer  3, S. 60 f.).

Im Zusammenhang mit vorstehenden Erörterungen hatte der Unterzeichnete den vier deutschen Delegierten mitgeteilt, daß nach soeben eingegangener telephonischer Mitteilung aus Berlin das gleichzeitig tagende Reichskabinett ohne im übrigen die Delegation festlegen zu wollen, es gleichsfalls begrüßen würde, wenn die Angelegenheit durch die Einschaltung einer gesetzlichen Verpflichtung für die Reichsbank im Haag erledigt werden könnte4.

4

Siehe Dok. Nr. 417, P. 1.

Pünder

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