2.77.1 (bau1p): Besprechung der Transportfrage.

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Das Kabinett BauerKabinett Bauer Bild 183-R00549Spiegelsaal Versailles B 145 Bild-F051656-1395Gustav Noske mit General von Lüttwitz Bild 183-1989-0718-501Hermann EhrhardtBild 146-1971-037-42

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Besprechung der Transportfrage2.

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Maßnahmen zur Überwindung bestehender Transport- und Versorgungsschwierigkeiten hatte das Kabinett bereits am 10. 9. beschlossen (Dok. Nr. 60, P. 1). Da sie aus unterschiedlichen materiellen und personellen Gründen nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatten, setzte das Kabinett am 9. 10. eine erneute Besprechung der Angelegenheit gemeinsam mit dem PrStMin. an (Dok. Nr. 74, P. 7).

Die eingehende Erörterung über die Verhältnisse in der Transportlage führte zu folgendem Ergebnis:

1. Von der Einsetzung eines Transportdiktators wird vorläufig abgesehen, da von verschiedenen Seiten Bedenken dagegen erhoben wurden, daß im jetzigen Augenblick ein solcher Eingriff erfolge3. Desgleichen erscheint die Einsetzung eines diktatorischen Ausschusses im gegenwärtigen Augenblick nicht zweckmäßig. Der Reichsverkehrsminister wird beauftragt, zusammen mit den in Frage kommenden Reichs- und Preußischen Ressortministern die zur Durchführung[299] der Ordnung der Verkehrsverhältnisse erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten4. Der Reichskanzler oder in seiner Vertretung der Reichsminister David wird die etwa erforderlich werdenden gemeinsamen Sitzungen leiten.

3

RIM Koch macht in seinen Tagebuchaufzeichnungen Angaben über den Verlauf der Diskussion. Danach verfolgten die Reichsminister Schmidt und Bell die schon am 9. 10. angeregte Einsetzung Groeners als Transportdiktator. „Oeser und Stegerwald warnen. Für einen Diktator, der für die nächsten Wochen noch Ordnung schaffen könnte, ist es zu spät. Groener, mit dem Stegerwald jahrelang gearbeitet hat, konnte nur aus dem Vollen schaffen. Darin war er sehr gut. Hier kann er nicht helfen. Man müsse ein Gesetz über den wirtschaftlichen Belagerungszustand schaffen, das die sachlichen Schwierigkeiten aus der Welt schaffe. […] Heine hält es für eine Krankheit unserer Zeit, daß sie bei sachlichen Schwierigkeiten organisatorische Änderungen vornimmt. Das Gesetz über den wirtschaftlichen Belagerungszustand, das den Arbeitszwang bringt, müßte kommen. Aber die Regierung ist dazu zu schwach. Umso weniger kann sie einen Diktator ernennen, der den Generalstreik entflammt. Der Generalstreik mag in 6 Wochen kommen und ausgetragen werden. Heute, wo die Kartoffelernte noch nicht eingefahren ist, geht es noch nicht“ (Nachl. Koch-Weser , Nr. 16, S. 291 ff.). Obwohl die Frage der Berufung Groeners zurückgestellt wird, findet – nach einem nicht unterzeichneten Aktenvermerk der Rkei – am 15. 11. eine Besprechung mit dem seit Mitte September aus der Leitung der OHL/Befehlsstelle Kolberg ausgeschiedenen General statt. Zwischenzeitlich hatten der bayer., württ. und bad. Gesandte in Berlin am 3. 11. dem RK detaillierte Vorstellungen über die „Ernennung eines mit den erforderlichen Machtmitteln und Strafbefugnissen auszustattenden Diktators“ vorgetragen. Er solle so arbeiten können, „wie das in ähnlicher Notlage des Kriegs der Chef des Feldeisenbahnwesens“ habe tun können (Protokoll in: R 43 I /2183 , Bl. 64–66). Groener erklärt am 15. 11., „im vaterländischen Interesse“ zur Mitarbeit bereit zu sein, falls die Reichsregierung an ihn mit einem entsprechenden Ersuchen herantrete. Er werde seine Entscheidung jedoch von der – beim Eintritt in das Kab. Fehrenbach wiederholten – Bedingung abhängig machen, „daß er nicht im Dienst und als Vertrauensmann einer Partei, sondern außerhalb der Parteien tätig sein“ könne (R 43 I /1035 , Bl. 158).

4

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 86, P. 4.

2. Hinsichtlich der materiell zu ergreifenden Maßnahmen wurden zunächst folgende für notwendig gehalten:

a)

Erhebliche Einstellung des Personenverkehrs, sobald ein Organisationsplan für die Abbeförderung der Kohlen, Kartoffeln usw. aufgestellt ist5.

b)

Neuorganisation der Eisenbahnwerkstätten (Einführung eines vernünftigen Akkordsystems, der Betriebsräte, gegebenenfalls Ersatz der ungeeigneten Beamten6).

c)

Heranziehung der Schiffahrt und der Lastkraftwagen (Beschlagnahme der Schlepper, Kähne, Kraftwagen und evtl. der Betriebsstoffe) und Erlaß einer Verordnung, die das Recht der Beschlagnahme gibt.

5

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 93.

6

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 153.

3. Mit Vertretern der Eisenbahnwerkstätten soll demnächst unter Vorsitz des Reichskanzlers verhandelt werden, um sie zu größeren Leistungen zu bestimmen7.

7

Die Verhandlungen, an denen der RK am 23. 10. teilnimmt, bleiben ohne nachhaltigen Einfluß auf die Arbeitsleistungen in den Eisenbahnwerkstätten (Materialien dazu in: R 43 I /1035 ).

4. Sobald feststeht, daß die Einstellung des Personenverkehrs für eine gewisse Zeit erfolgen muß, soll in der Nationalversammlung die Angelegenheit erörtert werden, um das Volk auf die Bedeutung der Angelegenheit hinzuweisen und dadurch auch einen Druck auf die Arbeiter auszuüben. Der Reichsminister David übernimmt es, zunächst im interfraktionellen Ausschuß und dann im Ältestenausschuß eine diesbezügliche Interpellation zu besprechen8.

8

Eine intensive Aussprache über die Transportsituation findet in der NatVers. anläßlich der Beratung des Etats des RVMin. am 25. 10. statt (NatVers.-Bd. 330, S. 3416  ff.). – Die erwähnte Interpellation wurde nicht ermittelt.

5. Das für die Entlassung etwaiger ungeeigneter Beamten erforderliche Ermächtigungsgesetz wird in Preußen von dem Minister der öffentlichen Arbeiten betrieben werden.

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