2.123.1 (lut1p): Sicherheitsnote.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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Sicherheitsnote.

Der Reichsminister des Auswärtigen Bei dem Entwurf der Antwortnote1 sei von dem Gedanken ausgegangen worden, daß es unmöglich wäre, der Anregung[431] Londons zu folgen und sich auf wenige allgemeine Bemerkungen zu beschränken2. Eine derartige Antwort würde sicherlich in Frankreich nicht verstanden worden sein, insbesondere angesichts der Wünsche der Briandnote. Andererseits habe es aber auch nicht richtig erschienen, im gegenwärtigen Zeitpunkt eine vollständige Beantwortung der Briandnote vorzunehmen, zumal ja auch noch Differenzen zwischen den Auffassungen von Paris und London beständen. Infolgedessen habe sich nur der Weg ergeben, auf die Hauptfragen einzugehen, eine endgültige Stellungnahme zu allen Einzelheiten aber zu unterlassen. Die Hauptfragen seien

1

Der vorliegende Entw. der dt. Antwortnote auf die frz. Note vom 16. 6. (s. Dok. Nr. 110, dort bes. Anm. 3) konnte in den Akten der Rkei nicht ermittelt werden. Es handelt sich wohl um „Entwurf Nr. 5“, der sich im Pol. Arch. des AA (Büro StS, FS Garantiepakt, Bd. 11) befindet. Er trägt auf der Kopfseite den handschrl. Vermerk: „Gaus 15.7.25“. Zur Endfassung der Note, die am 20. 7. in Paris übergeben wird, s. Locarno-Konferenz 1925. Eine Dokumentensammlung, Dok. Nr. 16; auszugsweise auch in: Ursachen und Folgen, Bd. VI, Dok. Nr. 1341.

2

Sthamer hatte am 3.7.<in der Druckfassung: 2.7.; Anm. der Online-Edition> berichtet, der amerik. Botschafter in London, Houghton, habe einem Angehörigen der dt. Botschaft erklärt, „daß die Britische und Amerikanische Regierung Zustandekommen des Sicherheitspaktes wünschten. Er [Houghton] glaube, dies sei bei der Französischen Regierung nicht der Fall. Er habe befürchtet, daß die Deutsche Regierung vielleicht in der Beantwortung der französischen Sicherheitspaktnote zu sehr in Einzelheiten gehen würde. Wenn er jetzt in Berlin wäre, würde er sich erlauben, Rat zu erteilen, den Empfang der Note zu bestätigen und in möglichst einfacher Form sich bereit zu erklären, auf weitere Verhandlungen einzugehen; […] Würde Deutsche Regierung sich bei der Beantwortung in Einzelheiten verlieren, so glaube Houghton bestimmt, daß französische Presse und Teil hiesiger Presse sofort Geschrei beginnen würden, Deutschland wäre es mit seinem Sicherheitsvorschlage nicht ernst gewesen, sondern es mache schon Ausflüchte. Houghton glaubt, daß, wenn auch Chamberlain sich mit französischer Note einverstanden erklärt habe, Britische Regierung und Deutsche Regierung in ihren Bedenken tatsächlich an einem Strang ziehen, was sich bei der Konferenz zeigen werde. Und an Amerikas Unterstützung würde es nicht fehlen. Nolens volens würde Französische Regierung nachgeben müssen.“ (Telegramm Nr, 353 in R 43 I /445 , Bl. 75 f.).

Stresemann weist Sthamer am 18. 7. telegrafisch an, bei Überreichung der dt. Note (20. 7.) Chamberlain gegenüber zu erklären, „daß wir an sich sehr gern bereit gewesen wären, unsere Antwort dem englischen Rat entsprechend auf allgemeine Bemerkungen zu beschränken. […] Was wir an französischer Note beanstanden, sind im Grunde doch nur Einzelpunkte, die neben denjenigen Punkten, über die bereits grundsätzliches Einverständnis besteht, nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.“ Sthamer wird ferner angewiesen, Botschafter Houghton über den Inhalt der dt. Note in Kenntnis zu setzen (R 43 I /431 , Bl. 101-110, hier: Bl. 108).

1.

die Frage der Auswirkung des Sicherheitsvertrages auf die Verhältnisse im Rheinland,

2.

die Schiedsverträge, namentlich die Konstruktion derselben für den Osten,

3.

die Stellung Deutschlands zur Frage des Eintritts in den Völkerbund.

Einleitung und Schluß des Antwortentwurfs sei dazu benutzt worden, um unsererseits zu begrüßen, daß die Französische Regierung bereit sei, unseren Anregungen zu folgen. Der Schluß enthalte ferner eine Zusammenfassung derjenigen Punkte, in denen wir bereits mit den Alliierten einig seien.

Es folgte daraufhin eine Besprechung des Antwortentwurfs.

Zur Einleitung: Der Reichsminister der Justiz äußerte den dringenden Wunsch, in der Antwortnote alles zu vermeiden, was eine Wiederholung der in dem Memorandum gemachten Anerbietungen3 bedeute. Derartige Wiederholungen finde er in der Einleitung und auch noch an weiteren Stellen der Note. Falls Gewicht auf eine einmütige Stellungnahme des Kabinetts zu der[432] Antwortnote gelegt werde, müsse er bitten, die Note in den genannten Punkten abzuändern. Das Memorandum sei ein so schweres Opfer der deutschen Bevölkerung und stelle eine solche Demütigung vieler deutsch denkender Menschen dar, daß darüber unbedingt Klarheit geschaffen werden müsse.

3

Zum dt. Sicherheitsmemorandum vom 9.2.25 s. Anm. 6 zu Dok. Nr. 43.

Der Reichsminister des Auswärtigen erwiderte, es sei kein Zweifel darüber, daß nicht nur in der Einleitung, sondern auch an anderen Stellen auf das Memorandum zurückgekommen werde. Die Note halte tatsächlich das Memorandum aufrecht. Er dürfe aber bemerken, daß von ihm eine Note nicht vertreten werden könne, die das Memorandum preisgebe.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß doch eine Übereinstimmung darüber bereits früher erzielt worden sei, eine praktische Politik sei nur auf dem Status quo weiterzuführen4. Wenn in der Welt draußen jetzt der Eindruck entstehe – und Frankreich arbeite ja gerade darauf hin –, daß Deutschland den Pakt in Wirklichkeit gar nicht wünsche, so würde dies für die weitere Entwicklung der Beziehungen Deutschlands zu der ganzen Welt von großem Nachteil sein.

4

S. Dok. Nr. 110 und Dok. Nr. 111, P. 2.

Der Reichsminister des Innern entgegnete, daß die Fragen Pakt oder Nichtpakt gar nicht zur Erörterung ständen. Der Reichsminister der Justiz habe nur die Frage aufgeworfen, ob man dann, wenn man eine positive Linie finden wolle, unbedingt von dem Memorandum ausgehen müsse. Er möchte darauf hinweisen, daß die Note das Memorandum ja gar nicht in allen Punkten aufrechterhalte, so z. B. in der Frage der Preisgabe von Elsaß-Lothringen und in der Frage der Verbindung des Sicherheitspaktes mit den Verträgen im Osten. Er stimme im Prinzip dem Reichsjustizminister zu.

Der Reichswehrminister war der Auffassung, daß, wenn man im Westen zu einem Modus vivendi komme, es einen anderen als den vorgeschlagenen Weg gar nicht gäbe. Das Memorandum sei für ihn eine Tatsache. Es müsse alles vermieden werden, um den Eindruck zu vermeiden [!], als ob wir zurückzuckten. Was den Inhalt der Note anlange, so sei sie ihm zu juristisch geschrieben, es fehle ihr die Wärme. Man könne doch von den Motiven des Memorandums ausgehen und sollte dabei die Hoffnung auf einen gesunden Frieden wenigstens stark betonen. Das wichtigste sei, daß die Note in den Vereinigten Staaten von Amerika gut aufgenommen werde. In der gegenwärtigen Fassung werde das sicherlich nicht der Fall sein.

Der Reichsminister des Auswärtigen wies darauf hin, daß die Note im wesentlichen negativ sei. Mit Rücksicht darauf sei es für zweckmäßig gehalten worden, die Betonung des Friedenswunsches an den Schluß der Note zu setzen. Bezüglich der Notwendigkeit einer Wirkung der Note auf die Vereinigten Staaten von Amerika sei er der gleichen Auffassung wie der Reichswehrminister. Er stütze seine Auffassung vor allem auf Äußerungen der Bankpräsidenten von England und Amerika5, die zur Zeit in Berlin anwesend seien. Mit großer Deutlichkeit sei ausgesprochen worden, daß, wenn jetzt die Sicherheitsfrage nicht zu einer Lösung komme und Deutschland an dem Scheitern die Schuld[433] trage, Geld aus Amerika nicht mehr zur Verfügung stehe6. Deutschland brauche aber große langfristige Kredite. Deshalb stehe er taktisch auch auf einem anderen Standpunkt als der Reichsjustizminister. Das bedeute noch keine Bindungen im einzelnen. Es sei auch immer nur von Anregungen, die das Memorandum gegeben habe, gesprochen worden. Man müsse immer im Auge haben, daß es sich um keinen Vertrag handle, sondern nur um Erörterungen. Das gleiche gelte ja, wie auch Chamberlain ausgeführt habe, von der Briandnote, die noch viel präziser sei als unser Memorandum. Wir müßten das Memorandum als Regierungsmaßnahme anerkennen, brauchten es dabei nicht für eine Bibel zu halten, sondern könnten es ebenso weit interpretieren wie Chamberlain die Briandnote.

5

Norman und Strong.

6

Vgl. auch die Tagebuchnotiz D'Abernons vom 16. 7. über sein Gespräch mit Norman (D'Abernon, Ein Botschafter der Zeitenwende, Bd. III, S. 207).

Der Reichskanzler wies auf die Entwicklung der öffentlichen Meinung hin. Vor der französischen Note sei die Öffentlichkeit sehr skeptisch gegenüber unserem Angebot gewesen, und nach der französischen Note sei ein Umschwung zugunsten Deutschlands in der Welt eingetreten. Er erachte es für einen sehr schweren Fehler, wenn wir durch unsere Antwort diese Situation wieder umwerfen würden.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hielt die Anregungen des Reichswehrministers für sehr beachtenswert. Der Antwortentwurf sei recht wenig liebenswürdig.

Der Reichsarbeitsminister bezeichnete sowohl das Memorandum wie die neue Note als einen diplomatischen und politischen Akt. Beide seien also keine Verträge. Dabei sei allerdings notwendig, daß man sich durch derartige Akte keine unnötigen Schlingen lege. Die Minister seien sich bereits in dem früheren Stadium darüber einig gewesen, daß, soweit aus dem Memorandum solche Schlingen gefolgert werden könnten, diese unter allen Umständen bei der neuen Note vermieden werden sollten7. Das sollte die Grundlage der Weiterarbeit sein. Es sei jetzt also nur die Frage, ob der Antwortentwurf dieser Grundlage entspreche. Er sei dieser Meinung. Das Memorandum zu verleunen, ginge nicht mehr an. Es würde dies einen außenpolitischen Schaden, der durch die innerpolitischen Wirren weiter verschärft werden würde, bedeuten. Im Auswärtigen Ausschuß des Reichstages und im Plenum werde das Kabinett um eine Anerkennung des Memorandums im allgemeinen nicht herumkommen. Deswegen sei es aber nicht notwendig, die in dem Memorandum gegebenen Anregungen strikte zu interpretieren. Er müsse daher mit dem Reichsjustizminister dahin übereinstimmen, daß man in der Einleitung der neuen Note nicht auf die Grundgedanken des Memorandums Bezug zu nehmen brauche. Es wäre besser, hier den Vorschlägen des Reichswehrministers zu folgen. Man sollte immer nur auf die Motive des Memorandums und nicht auf das Memorandum selbst Bezug nehmen.

7

S. Dok. Nr. 110.

Der Reichsminister des Innern schloß sich den Ausführungen des Reichsarbeitsministers an. Von einem Abrücken von den Motiven des Memorandums[434] könne gar keine Rede sein. Er bitte nur, die Formulierung so zu wählen, daß man nicht einen Widerspruch provoziere.

Der Reichsminister der Justiz erklärte, daß es nicht sein Wunsch sei, formell von dem Memorandum abzurücken, sondern nur, daß es in der neuen Note nicht neu formell bestätigt werde. Er stimme daher der Auffassung des Reichsarbeitsministers zu.

Der Reichsarbeitsminister erwiderte, daß man aber gleichwohl an einer auch formellen Anerkennung des Memorandums im allgemeinen nicht vorbeikomme.

Der Reichsminister des Auswärtigen empfahl, geschäftsordnungsmäßig die Erörterungen über das weitere procedere im Ausschuß und Plenum im Anschluß an die Erörterung des Notentextes fortzusetzen.

Was die Anregungen des Reichswehrministers anlange, so sei ihnen am zweckmäßigsten so zu entsprechen, daß der Anfang und das Ende der Note mit derartigen Friedensbeteuerungen geschmückt werde.

Der Reichskanzler hielt ebenfalls eine Abänderung der Einleitung bezüglich der Bezugnahme auf die Grundgedanken des Memorandums für zweckmäßig, und zwar schon deshalb, weil er der Meinung sei, dieser Passus könne mehr als eine Einschränkung denn als eine Befestigung des Memorandums ausgelegt werden8.

8

In „Entwurf Nr. 5“ (s. Anm. 1) lautet dieser Passus: „Die Deutsche Regierung will, von den Grundgedanken ihrer eigenen Anregungen ausgehend, nachstehend ihre Ansicht über die alliierten Vorschläge darlegen.“ Dagegen in der Endfassung (s. Anm. 1): „Die Deutsche Regierung will in dem gleichen Geiste des Entgegenkommens und der friedlichen Verständigung, aus dem ihre eigenen Anregungen hervorgegangen sind, nachstehend ihre Ansicht über die alliierten Vorschläge darlegen.“

Der Reichsminister des Innern ausgehend davon, daß man in Motiven übereinstimmen könne und deswegen in den Schlußfolgerungen noch nicht übereinzustimmen brauche, erklärte, daß er in den Motiven mit dem Reichsminister des Auswärtigen vollkommen einig gehe.

Es wurde beschlossen, den Antwortentwurf der Note entsprechend den gegebenen Anregungen erneut durchzuprüfen.

Zu Abschnitt 19:

9

Abschnitt 1 behandelt den Zusammenhang zwischen den bestehenden Verträgen und dem angestrebten Sicherheitspakt. Er enthält einen Hinweis auf Art. 19 der Völkerbundssatzung, der die Anpassung bestehender Verträge an veränderte Verhältnisse vorsieht. Auch wird betont, daß der Abschluß eines Sicherheitspaktes eine derart weitgehende Neuerung darstellen würde, „daß sie nicht ohne Rückwirkung auf die Verhältnisse in den besetzten Gebieten und überhaupt auf die Fragen der Besetzung bleiben dürfte.“

Der Reichswehrminister erklärte, daß er mit den Grundgedanken einverstanden sei. Er hätte nur gern den zweiten Absatz stilistisch und gefühlsmäßig etwas positiver gehalten. Vielleicht sei es möglich, die deutschen Hoffnungen, die wir an den Sicherheitspakt bezüglich der besetzten Gebiete knüpfen, etwas deutlicher auszusprechen.

Der Reichskanzler exemplifizierte auf die Lage, in der die deutsche Delegation bei der ersten Stellungnahme zu dem Dawes-Plan bezüglich der Frage der Ruhrräumung gestanden habe10. Die damalige Politik, die Frage der Ruhrräumung[435] parallel zur Frage der Lösung der Reparationsfrage zu lösen, habe sich sehr bewährt. Er empfehle, diese Politik auch hier wieder zu befolgen. Er sei deshalb der Meinung, daß der zweite Absatz außenpolitisch gar nicht notwendig sei. Innenpolitisch müßte allerdings diese Frage erwähnt werden, und er meine, daß die richtige Mitte gefunden sei. Dabei sei besonders glücklich, daß nicht wir in der ganzen Erörterung diese Frage angeschnitten hätten, sondern die Alliierten.

10

S. diese Edition: Die Kabinette Marx I/II, Anhang, Dok. Nr. 1, Anm. 8.

Der Reichsminister des Auswärtigen wies darauf hin, daß noch sehr vieles, was die Note nicht enthalten könne, der Diskussion im Reichstag vorbehalten bleibe. Dabei müßten die Regierungsparteien Hilfsdienste leisten. Im Reichstag sei es möglich, von der Einwirkung des Sicherheitspaktes auf die Frage der Besetzung des Rheinlandes zu sprechen. Erwähnten wir diese in der Note, so bestehe die Gefahr einer Festlegung der Alliierten, die nur nachteilig für die Entwicklung der Besetzungsfrage sei. Die vorgesehene Antwort sei nur deshalb notwendig, weil die Alliierten für uns nachteilige Schlüsse aus unserem Schweigen gezogen hätten.

Der Reichsminister des Innern bat, sich dann wenigstens klar zu werden, daß auch dieser Weg tatsächlich beschritten werden solle. Dann begrüße er es, wenn so zwischen Regierung und Parteien verfahren werde. Dabei müßten vor allem drei Fragen gelöst werden:

1.

Die Frage der Investigation.

2.

Die Frage der Vorleistungen (Einschränkung in der Luftschiffahrt, Räumungsfrage usw.).

3.

Die Frage der Abrüstung.

Bezüglich des Passus über Anpassung an veränderte Verhältnisse empfehle er eine Anlehnung an den Wortlaut des Art. 19 der Völkerbundssatzung.

Der Reichsminister des Auswärtigen wies bezüglich dieser Anregung darauf hin, daß die Note weiter ginge als der Artikel 19.

Der Reichsminister des Innern erwiderte, wenn darüber Einigkeit bestände, sei er mit der Fassung einverstanden.

Zu Abschnitt 211:

11

Abschnitt 2 setzt sich mit der Gestaltung und dem System der in der frz. Note vom 16. 6. vorgeschlagenen Schiedsverträge (s. Anm. 3 und 8a zu Dok. Nr. 110) auseinander.

Der Reichswirtschaftsminister wünschte eine Bezugnahme auf die Unterhaltung mit dem französischen Botschafter bezüglich der Auffassung der Deutschen Regierung über die Form der Schiedsverträge12. Die Anregung wurde abgelehnt.

12

Wahrscheinlich handelt es sich um die Unterredungen Stresemanns mit de Margerie vom 18. und 20.6.25. S. die Aufzeichnungen des RAM in: Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 103 ff. und 106 ff.

Der Reichskanzler bat um Mitteilung, ob in den Worten „noch bedenklicher“ die Absicht einer Steigerung der Beurteilung zum Ausdruck kommen solle. Wenn dies nicht der Fall sei, empfehle er, zu sagen „nicht minder bedenklich“13. Der Vorschlag wurde angenommen.

13

Der betreffende Satz lautet in der endgültigen Fassung der Note (s. Anm. 1): „Ebenso bedenklich wären die Folgen, zu denen die in der französischen Note vorgeschlagene Konstruktion der Garantie für die abzuschließenden Schiedsverträge führen könnte.“

[436] Den Schlußsatz dieses Abschnittes empfand der Reichskanzler als eine zu starke Ablehnung. Es wurde beschlossen, diesen Satz abzumildern14.

14

Dazu „Entwurf Nr. 5“ (s. Anm. 1): „Ein solches System [der Schiedsverträge] würde die Friedensordnung eher stören als stützen und könnte zu unabsehbaren Verwicklungen führen.“ Dagegen die Endfassung (s. Anm. 1): „Ein solches System würde die Friedensordnung nicht stützen und könnte sogar die Gefahr ernster Verwicklungen heraufbeschwören.“

Der Reichsminister des Auswärtigen teilte mit, daß innerhalb seiner Fraktion Bedenken dagegen geäußert worden seien, daß die Reichsregierung sich gegenüber den restlosen Schiedsverträgen, die von Frankreich in den Vordergrund gestellt würden15, zu ablehnend verhalte. Das sei nachteilig für unsere Absichten bezüglich der Westgrenze.

15

S. dazu Dok. Nr. 110, dort bes. Anm. 34.

Ministerialdirektor Gaus wies darauf hin, daß tatsächlich eine Diskrepanz bestehe zwischen unseren Absichten im Westen und im Osten. Gerade deshalb sei die Form der Antwort etwas unklar gehalten. Wolle man den Westen und den Osten gleichmäßig unter restlose Schiedsverträge stellen, so erfordere dies eine große politische Entscheidung.

Nach längerer Aussprache, an der der Reichsarbeits- und der Reichswehrminister sich beteiligen, wurde beschlossen, es bei der vorliegenden Fassung zu belassen.

Zu Abschnit 316:

16

In Abschnitt III (der Endfassung, s. Anm. 1) erklärt die RReg., daß für die Verwirklichung der Grundgedanken des dt. Sicherheitsmemorandums der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund keine notwendige Voraussetzung wäre. Sie wolle aber gegen die all. Auffassung daß sich diese Grundgedanken nur verwirklichen ließen, wenn Deutschland sich zum Eintritt in den Völkerbund entschlösse, keinen grundsätzlichen Widerspruch erheben. Es wird sodann auf die von dt. Seite mehrmals erhobenen Vorbehalte gegenüber Art. 16 der Völkerbundssatzung (s. Anm. 1 und 2 zu Dok. Nr. 43) hingewiesen und die Notwendigkeit einer allgemeinen Abrüstung besonders betont.

Abänderungsvorschläge wurden nicht gestellt.

Zum Schlußabschnitt17:

17

Es handelt sich um den letzten Absatz des Abschnitts III, worin es u. a. heißt (Endfassung): „Trotz der angedeuteten Zweifel und Bedenken glaubt sie [die RReg.] in wesentlichen Punkten bereits eine bedeutsame Annäherung der beiderseitigen Anschauungen feststellen zu können. Die beteiligten Regierungen sind grundsätzlich einig in dem ernstlichen Willen, die Sicherheitsfrage durch den von Deutschland angeregten Garantiepakt und durch einen weiteren Ausbau des Systems von Schiedsverträgen zu regeln. […] Die Deutsche Regierung glaubt deshalb hoffen zu dürfen, daß die weiteren Erörterungen zu einem positiven Ergebnis führen werden.“ Zum letzten Satz des Schlußabschnitts s. Anm. 18.

Es bestand Übereinstimmung, daß der Anregung des Reichswehrministers bezüglich Aufnahme einer allgemeinen Friedensformel entsprochen werden solle18. Die vorgesehene Alternative Notenwechsel oder unmittelbare Aussprache[437] solle unterbleiben19. Angefügt werden solle ein Satz, der den Wunsch Deutschlands zum Ausdruck bringt, schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Die Fassung solle dabei so gewählt werden, daß ein direktes Interesse Deutschlands an einer Beschleunigung nicht zum Ausdruck kommt20. Die Betonung der Beschleunigung an sich sei aber unbedenklich, da eine Einflußnahme Deutschlands auf die weitere Behandlung nicht in Betracht komme.

18

In „Entwurf VI“ (handschrl. Vermerk auf der Kopfseite: „Gaus 17.7.25“) zur dt. Antwortnote, der die in obiger Sitzung beschlossenen Änderungen und Ergänzungen enthält, lautet der diesbez. Satz am Ende des Schlußabschnitts: Die RReg. „würde es lebhaft begrüssen, wenn diese Erörterungen beschleunigt werden könnten, damit dem dringenden Verlangen der Völker nach sicheren Bürgschaften für Ruhe und friedliche Entwicklung bald Genüge geschieht.“ (Pol. Arch. des AA, Büro StS, FS Garantiepakt, Bd. 11). In der Endfassung der Note ist in diesen Satz hinter „Entwicklung“ noch eingefügt: „sowie für die Wiederherstellung der durch den Krieg zerstörten normalen weltwirtschaftlichen Beziehungen“.

19

Der betreffende Passus in „Entwurf Nr. 5“ (s. Anm. 1) lautet: „Die Deutsche Regierung stellt anheim, ob für diese Erörterungen [über den Sicherheitspakt] der Weg des Notenwechsels oder der unmittelbaren Aussprache zu wählen ist.“

20

S. Anm. 18.

Der Reichskanzler stellte daraufhin fest, daß über den wesentlichen Inhalt der deutschen Antwortnote Einverständnis bestehe.

Es wurde beschlossen, ein entsprechendes Kommuniqué zu veröffentlichen21.

21

An die Presse wird mitgeteilt, das Kabinett habe sich auf einen Entwurf der Antwortnote geeinigt. Die Schlußredaktion werde nach Fühlungnahme mit dem Auswärtigen Ausschuß und den Ministerpräsidenten der Länder erfolgen (nach „Tägliche Rundschau“ vom 16. 7.).

Die vorgesehene Fühlungnahme mit den Parteien solle im Laufe des Donnerstag [16. 7.] erfolgen, die Fühlungnahme mit dem Auswärtigen Ausschuß am Freitagvormittag22, mit den Ministerpräsidenten der Länder am Freitagnachmittag23. Schlußredaktion der Note werde dann am Sonnabendvormittag in einer Ministerbesprechung stattfinden. In dieser Ministerbesprechung solle ferner Beschluß gefaßt werden über die Behandlung der Plenardebatte und über die Beantwortung der Interpellation Müller-Franken über die außenpolitische Lage24.

22

Über das Ergebnis der Unterrichtung der Parteien und des Auswärtigen Ausschusses meldet „Tägliche Rundschau“ am 17. 7.: Der dt. Antwortentwurf sei von Vertretern der Regierungsparteien als befriedigende Verhandlungsgrundlage akzeptiert worden. Man habe in parlamentarischen Kreisen den Eindruck, daß die Unstimmigkeiten, die in letzter Zeit in der Angelegenheit des Sicherheitspaktes aufgetreten seien, nunmehr als überwunden gelten könnten.

Zu den Ausführungen Stresemanns vor dem Auswärtigen Ausschuß am 17. 7. s. die Aufzeichnung des RAM in: Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 146 ff.

23

S. Dok. Nr. 127.

24

S. Dok. Nr. 129.

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