1.14.2 (ma12p): 2. Aussprache über Industrie- und Agrarzölle.

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2. Aussprache über Industrie- und Agrarzölle.

Ministerialdirektor von Stockhammern berichtete über den Stand der Verhandlungen mit Österreich über einen Handelsvertrag1. Ein Modus vivendi sei gefunden worden. Eine Hauptschwierigkeit bilde jedoch noch die Frage der Agrarzölle. Österreich erwarte hier – besonders aus parlamentarischen Gründen – ein Entgegenkommen, und zwar handle es sich im wesentlichen um die Zölle für Vieh-, Pferde- und Holzeinfuhr. Er glaube kaum, daß es möglich sein werde, den Vertrag abzuschließen, wenn die Deutsche Regierung in diesem Punkte keine Zugeständnisse mache. Der Nichtabschluß sei aber aus außenpolitischen Gründen, z. B. im Hinblick auf die Verhandlungen mit der Tschechoslowakei, sehr bedenklich.

1

Vgl. Dok. Nr. 118, P. 1.

Der Reichswirtschaftsminister trat den Ausführungen von Stockhammerns bei und glaubte, daß man die Konzession auf dem Gebiete der Agrarzölle auf sich nehmen müsse.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft sprach sich gegen die Konzession aus. Seine politischen und persönlichen Bedenken beabsichtige er in der anschließenden Ministerbesprechung vorzutragen. Hier möchte er nur darauf hinweisen, daß er es für außerordentlich bedenklich halte, mit Österreich einen zweifellos vorschnellen Handelsvertrag zu schließen, der die Regierung in wesentlichen Fragen festlegen und es ihr später nicht gestatten werde, bei anderen Verhandlungen anders zu verfahren2. Er mache darauf aufmerksam, daß auch der Reichsforstwirtschaftsrat gegen die Regelung sei, und er bitte, die Agrarzollfrage aus dem Vertrag herauszulassen, was umso mehr berechtigt sei, als es sich voraussichtlich nur um einen kurzen Aufschub handle.

2

In einem Schreiben an den RK vom 15. 4. hatte der Präs. des Reichslandbundes, Graf Kalckreuth, die Bitte ausgesprochen, die Verhandlungen mit Österreich auszusetzen und solange keine handelspolitischen Abmachungen mit anderen Ländern zu treffen, bis die Arbeiten am neuen dt. Zolltarif beendet seien. Andernfalls sei zu befürchten, daß die von dt. Seite zugestandenen Zollherabsetzungen auf dem Wege über die Meistbegünstigung auch anderen Staaten ohne Gegenleistung zugute kommen (R 43 I /107 , Bl. 25).

[717] MinDir. v. Stockhammern hielt einen Aufschub für bedenklich. Nach seiner Meinung müßten die Verhandlungen so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden, um nicht den Anschein zu erwecken, als breche Deutschland die Verhandlungen ab. Ohne die Agrarzölle scheine ihm ein Abschluß nicht möglich.

Der Reichswehrminister trat den Bedenken des Reichsernährungsministers bei.

MinDir. v. Stockhammern bat um eine Stellungnahme zu der Frage der Gewährung von Kontingenten an Österreich. Vielleicht sei es möglich, durch die Gewährung solcher Kontingente die Frage der Agrarzölle vorläufig auszuschalten.

Staatssekretär Meissner teilte mit, daß Exzellenz v. Riedl beim Reichspräsidenten gewesen sei und habe durchblicken lassen: die bisherige Stellungnahme der Österreichischen Regierung in der Frage der Agrarzölle sei nicht das letzte Wort. Er (Riedl) beabsichtige, nach Wien zu reisen, um in dieser Frage zu vermitteln und habe den Wunsch, die Deutsche Regierung möge sich vor diesem Schritt nicht festlegen.

MinDir. v. Stockhammern meinte, daß deswegen die Verhandlungen nicht verschoben zu werden brauchten. In den ersten Verhandlungen, die am Dienstag [24. 6.] beginnen sollten, könnten andere Punkte vorweggenommen werden.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ersuchte, Beschlüsse nicht zu fassen, bevor er seine Ausführungen in der Ministerbesprechung gemacht habe. Er schlug vor, die Kabinettssitzung abzubrechen und in die Ministerbesprechung einzutreten.

Das Kabinett stimmte dem Vorschlage zu.

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