2.28.1 (feh1p): [Folgen des Kohleabkommens von Spa]

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[Folgen des Kohleabkommens von Spa]

a) Allgemeiner Bericht, b) Ernährungslage, c) Bekleidung der Bergarbeiter.

Der Reichsminister des Auswärtigen gab zunächst einen allgemeinen Bericht über die Verhandlungen in Spa und machte sodann nähere Ausführungen über die finanziellen Folgen des Kohlenabkommens1. Er teilte ferner mit, daß es hinsichtlich der Wiedergutmachung zweckmäßig erschienen wäre, keine festen Zahlen zu nennen, weil die öffentliche Meinung in Frankreich und England noch nicht genügend auf die geringen Zahlen vorbereitet sei; infolgedessen[72] hätte man nur ein skizzenhaftes Programm über den Wiederaufbau vorgelegt2. Für die in Genf demnächst in Aussicht genommene Konferenz3 schlage er eine gründliche Vorbereitung vor, und zwar nach dreifacher Richtung:

1

Zum Kohlenprotokoll der Konferenz von Spa s. RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363 , Anlage 21. Was die finanziellen Folgen des Kohlenprotokolls von Spa anging, so sah Ziffer 2 des Protokolls vor, daß die Alliierten für die Befugnis, sich Kohlen besonderer Sorten und Qualitäten liefern zu lassen, eine Prämie in Höhe von 5 GM je t in bar zahlen sollten. Dieses Geld sollte zur Anschaffung von Lebensmitteln für die dt. Bergarbeiter verwandt werden.

Ziffer 6 des Kohlenprotokolls besagte, daß die Alliierten der dt. Seite im Rahmen der Zahlungen für die Kohlenlieferungen einen bestimmten Betrag als Vorschuß gewähren sollten. Die Höhe dieses Betrages sollte der Differenz zwischen dem dt. Inlandpreis und dem dt. bzw. brit. Ausfuhrpreis entsprechen. Hier war ein bestimmter Verwendungszweck nicht angegeben.

Diese Zahlungen auf Grund der Ziffern 2 und 6 des Kohlenprotokolls wurden von dt. Seite auf monatlich 56 Mio Papiermark in bar und 903 Mio Papiermark als Vorschuß berechnet. Vgl. RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363 , Anlagen 21 und 22.

2

Am 12.7.1920 hatte die dt. Delegation in Spa den Alliierten eine Denkschrift überreicht, die den Titel „Anregung für die Durchführung des Wiederaufbaues der zerstörten Gebiete“ trug. In dieser Denkschrift wurde vorgeschlagen, den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete durch ein großes internationales Siedlungsunternehmen vornehmen zu lassen. Zu diesem Zweck sollte ein internationales Syndikat gebildet werden, an dem sich alle Staaten beteiligen konnten. Dieses Syndikat sollte Unternehmer und Arbeiter aus den all. und den neutralen Ländern sowie aus Dtld. heranziehen und an den Wiederaufbauarbeiten beteiligen. Vgl. dazu im einzelnen RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363 , Anlage 25.

3

Die Reparationsfrage war auf der Konferenz von Spa nur kurz behandelt worden. Zum Abschluß der Konferenz hatte daher Delacroix vorgeschlagen, eine weitere Erörterung dieser Frage einer internationalen Sachverständigenkonferenz vorzubehalten, die wenig später in Genf stattfinden sollte (RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363, S. 21 ).

1. Aufstellung eines endgültigen Finanzprojekts mit genauen Ziffern, gegebenenfalls Alternativvorschläge entsprechend der Anregung von Lloyd George unter Hervorhebung der notwendigen Voraussetzungen;

2. Aufstellung eines Programms über die Verbesserung der deutschen Wirtschaft (Besserungsscheine)4. Es müsse ein Indexschema ausgearbeitet werden durch Finanzwissenschaftler und Banktechniker, wozu man Melchior und Urbig heranziehen solle: Verstärkung der Annuitäten, schleunige Abarbeitung des Reparationskontos usw.

4

Vgl. Dok. Nr. 1, Anm. 16.

3. Vertiefung der technischen Fragen des Wiederaufbaues; die Frage eines Syndikatsvertrages sei zu erwägen5. Zu Mitarbeitern sollten Walther Rathenau und Geheimer Justizrat Kempner herangezogen werden.

5

Siehe o. Anm. 2.

4. Endlich müsse auch die technische Seite für die Zusammenkunft in Genf besser vorbereitet werden, als dies in Spa geschehen sei. Er habe daher dem deutschen Konsul in Genf bereits Auftrag zur Vorbereitung einer sachgemäßen Unterbringung der Kommission und einer sicheren telefonischen und telegrafischen Verbindung mit der Heimat gegeben.

Der Reichswirtschaftsminister erstattete einen Bericht über die wirtschaftliche Bedeutung des Kohlenabkommens und wies darauf hin, daß zunächst mit den Bergarbeitern verhandelt werden müsse, für die man in erster Linie eine Verbesserung der Lebenshaltung schaffen müsse. Hierzu müßten sowohl die Mittel aus Ziff. 2 als auch ein Betrag aus Ziff. 6 des Abkommens aufgewendet werden6. Ferner sei es notwendig, daß die Entente die in der oberschlesischen Frage hinsichtlich der Berücksichtigung Deutschlands gemachten Zusagen halte7. Auch noch einige Fragen organisatorischer Natur würden notwendig werden, außerdem eine stärkere Heranziehung der Braunkohle.

6

Siehe o. Anm. 1.

7

Es handelte sich hier um die Frage der Verteilung der oberschlesischen Kohle. Vgl. dazu Dok. Nr. 24, Anm. 4.

Gemäß Ziffer 4 des Kohlenprotokolls der Konferenz von Spa hatten die Alliierten beschlossen, eine Kommission zu bilden, die über die Verteilung der oberschlesischen Kohle beraten sollte. Dtld. sollte an dieser Kommission beteiligt werden, doch sollte die endgültige Entscheidung der Repko vorbehalten bleiben (RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363 , Anlage 21).

[73] Der Reichsernährungsminister gab einen eingehenden Bericht über die hinsichtlich der Ernährungslage von ihm gepflogenen Verhandlungen und bat um eine Entscheidung des Kabinetts über die Verwendung der Vorschüsse aus Ziffer 6.

Staatssekretär Schroeder bat, die Entscheidung hierüber bis zur Anwesenheit seines Ministers auszusetzen.

Der Reichswirtschaftsminister empfahl gleichfalls, sofort einen entsprechenden Beschluß zu fassen, weil bereits am nächsten Tage Bergarbeiterverhandlungen in Essen unter Hués Leitung stattfänden8.

8

Über diese Verhandlungen ließ sich in R 43 I nichts ermitteln. Ebenfalls unter Hués Leitung fand am 25.7.1920 in Bochum eine Konferenz der Vertrauensleute und Betriebsratsmitglieder des Verbandes der Bergarbeiter Deutschlands statt, die sich mit den Ergebnissen der Konferenz in Spa beschäftigte. Zu den Entschließungen, die auf dieser Konferenz gefaßt wurden, vgl. Dok. Nr. 32.

Der Reichsarbeitsminister trug Bedenken, heute bereits einen Beschluß zu fassen, da es sich nicht nur um eine Frage des gesamten Bergbaues handele, sondern auch der ganzen Ergänzungsgewerbe. Die Frage sei von großer Bedeutung und müsse sorgfältig geprüft werden.

Der Reichspräsident hielt die Angelegenheit zwar für eilig, empfahl aber keine Überstürzung, da alles davon abhinge, wie die ganze Aktion bei der Arbeiterschaft eingeleitet würde. Grundsätzlich müßten alle Organisationen gleich behandelt werden. Ob es richtig sei, alle diese Fragen gleich in einer großen Versammlung zu besprechen, sei zweifelhaft. Er würde es für besser halten, die berufensten Vertreter des Bergbaues aus dem Reich zusammenzubitten und zunächst mit diesen die Angelegenheit zu besprechen. Wenn man an die Arbeiter herantrete, so müsse die Regierung ganz genaue Vorschläge haben. Endlich sei er der Auffassung, daß nicht nur für die Bergarbeiter, sondern auch für die verwandten Betriebe etwas Besonderes getan werden müsse.

Der Reichsminister des Auswärtigen stellte fest, daß der Reichsfinanzminister bereits in Spa grundsätzlich der Verwendung der Vorschüsse aus Ziff. 6 zugestimmt hätte.

Der Reichsernährungsminister schlug vor, die Angelegenheit heute abzusetzen und in einer Chefbesprechung zwischen Arbeitsminister, Wirtschaftsminister, Finanzminister und ihm zu klären. Nach weiteren längeren Erörterungen erklärt sich das Kabinett mit der Absendung eines Telegramms an die betreffenden Verbände einverstanden. Das Telegramm soll etwa den Inhalt haben, daß das Kabinett sich mit der Frage befaßt und entschlossen habe, sofort eine Konferenz einzuberufen, um gemeinsam zu beraten, wie man die Angelegenheit durchführen könne. Gleichzeitig sollte mitgeteilt werden, daß das Kabinett auf dem Boden der Abmachungen von Spa stehe. Der Reichswirtschaftsminister wird im Benehmen mit dem Reichsarbeitsminister die entsprechenden Telegramme absenden9.

9

Diese Telegramme ließen sich in R 43 I nicht ermitteln.

[74] d) Essener Kommission10.

10

Gemäß Ziffer 5 des Kohlenprotokolls von Spa sollte in Essen unter dt. Beteiligung eine Kommission gebildet werden, die untersuchen sollte, mit welchen Mitteln die Lebensbedingungen der Bergarbeiter verbessert werden konnten (RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363 , Anlage 21).

Wegen der Zusammensetzung der Essener Kommission empfiehlt der Reichsminister des Auswärtigen in die Kommission auch einen Vertreter der Preußischen Regierung zu entsenden. Zweck der Kommission sei, Mittel ausfindig zu machen, durch welche die Lebensbedingungen der Bergarbeiter, insbesondere hinsichtlich der Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidern, gebessert werden könnten.

e) Neugestaltung der Kohlenkommission11.

11

Durch eine VO vom 14.2.1920 war in Essen eine Kohlenkommission errichtet worden, deren Aufgabe es war, die von Dtld. auf Grund des Friedensvertrages zu leistenden Lieferungen von Kohle und Kohlenebenprodukten durchzuführen (RGBl. 1920, S. 235  f.).

Der Reichsminister des Auswärtigen regte an, in der Kohlenfrage organisatorische Änderungen vorzunehmen. Über die Kohlenmengen hätte er Ziffern bekommen, die sich später als nicht richtig herausgestellt hätten; auch habe eine Berücksichtigung der Braunkohlenausbeute nicht in genügendem Umfange stattgefunden. Die bisherige diktatorische Stellung des Reichskohlenkommissars12 und Unterstellung unter das Kabinett sei nicht mehr angängig; seiner Auffassung nach müßte er unter ein Ministerium gestellt werden. Ferner müsse auch die Stellung des Kohlenkommissars zur Kohlenkommission geregelt werden.

12

Das Amt des RKom. für die Kohlenverteilung war durch die Bekanntmachung vom 28.2.1917 geschaffen worden. Der RKom. war direkt dem RK unterstellt und war für die gesamte Kohlenversorgung verantwortlich. Zu diesem Zweck war das Amt des RKom. mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet worden (RGBl. 1917, S. 167  f. und S. 193 f.).

Der Reichswirtschaftsminister übernimmt es, entsprechende Vorschläge dem Kabinett zu unterbreiten13.

13

In seiner Sitzung vom 14.8.1920 stimmte das Kabinett einem vom RWiM vorgelegten VOEntw. zu, der vorsah, daß der RKom. für die Kohlenverteilung künftig der Dienstaufsicht des RWiM unterstehen sollte. Vgl. Dok. Nr. 49, P. 7. Die entsprechende VO wurde am 15.8.1920 erlassen (RGBl. 1920, S. 1594 ).

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