2.61 (vpa1p): Nr. 61 Reichsfinanzminister a. D. Dietrich an den Reichsminister des Innern. Karlsruhe, 15. Juli 1932

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[218] Nr. 61
Reichsfinanzminister a. D. Dietrich an den Reichsminister des Innern. Karlsruhe, 15. Juli 1932

R 43 I /2179 , Bl. 231–236

[Erwerb der Aktienmehrheit der Gelsenkirchener Bergwerks AG durch das Reich]

Sehr verehrter Herr Reichsminister!

Zunächst bitte ich zu entschuldigen, daß ich Ihren Brief vom 1. Juli1, der mir mit erheblicher Verspätung zuging, erst heute beantworte. Ich bin seit längerer Zeit auf Wahlagitation und es fehlte mir deswegen die Möglichkeit, diese Antwort zu entwerfen und ausfertigen zu lassen.

1

Das Schreiben nicht bei den Akten der Rkei. Mit dem Schreiben hatte der RIM offenbar dem Beschluß der RReg. vom 1. 7. entsprochen, Dietrich aufzufordern, den Sachverhalt bezügl. des Ankaufs der Gelsenkirchen-Aktien durch das Reich eingehend darzulegen (Dok. Nr. 46, P. 5).

Ich schicke zunächst voraus, daß die Angelegenheit Gelsenkirchen/Stahlverein durch Herrn Dr. von der Porten, der die Reichsregierung in vielen wirtschaftlichen Angelegenheiten, wie Sie wissen, berät, an mich herangebracht worden ist, daß er von Anfang bis Abschluß die Sache bearbeitet hat und daß er in der Lage ist, der Regierung das gesamte Material über die Vorgänge mündlich oder schriftlich vorzulegen. Ich darf die Bitte aussprechen, ihn zur Sache zu hören. Es wird dies um so notwendiger sein, als ich selbst nur wenige Notizen besitze und erst bei meiner neulichen Anwesenheit in Berlin durch eine Rücksprache mit von der Porten mir soviel Material beschaffte, um, ohne Irrtümer im einzelnen zu begehen, meinen Standpunkt niederzulegen2.

2

Außerdem hatte Dietrich in Berlin noch mit seinem früheren StS Schäffer gesprochen (5. 7.) und von ihm „einige Ratschläge für die Herstellung der Denkschrift über diese Sache“ erhalten (Schäffer-Tagebuch, IfZ ED 93, Bd. 21, S. 635–650).

Schon im Januar dieses Jahres erfuhr Dr. von der Porten von Herrn Dr. Friedrich Flick und Dr. Albert Vögler, daß die Charlottenhütte keine Bilanz mehr machen könne. Verschiedene Vorschläge, durch Transaktionen diesen Zustand zu beheben, scheiterten3. Der Aktienbesitz von Charlottenhütte war völlig entwertet und die Bankschulden an in- und ausländische Banken erheblich. Die Situation war mehr wie bedenklich. Die Herren Dr. Vögler und Dr. Flick meldeten nun eines Tages Herrn von der Porten, daß sie ein Angebot von Fritz Thyssen besäßen, durch welches der Zusammenbruch bei Charlottenhütte abgewendet werden könnte. Die Einzelheiten dieses verwickelten Vorschlags sind bei Herrn Dr. von der Porten schriftlich niedergelegt. Im wesentlichen kam dieser Vorschlag darauf hinaus, daß die Charlottenhütte gegen Herausgabe der Beteiligung der Charlottenhütte an Gelsenkirchen den Bergwerksbesitz, den früher die[219] Essener Steinkohlenbergwerke hatten (6 Millionen Tonnen Kohlenförderung)4, schuldenfrei aus dem Besitz von Gelsenkirchen und außerdem 34 Millionen Mark bares Geld (20 Millionen holl. Gulden) bekommen sollte. Auf eine Nachfrage der Herren Dr. Vögler und Dr. Flick, wo die 34 Millionen Mark (20 Millionen holl. Gulden) herstammten, erklärte Thyssen, daß das Geld beschafft werde von Dr. Mannheimer in Amsterdam, der es von Pariser Banken erhalte. Späterhin wurde aus einer anderen Quelle festgestellt, daß das französische Konsortium bestand aus

3

Hierzu vgl. die Mitteilungen Flicks gegenüber Schleicher vom 29. 6. (Dok. Nr. 44).

4

Die Essener Steinkohlenbergwerke AG war Anfang 1930 mit der Gelsenkirchener Bergwerks AG fusioniert worden, nachdem sich in Verhandlungen „über ein gemeinsames Vorgehen“ die „Erkenntnis“ durchgesetzt hatte, „daß die gleichgerichteten Belange beider Gesellschaften sowohl in kaufmännischer als verwaltungsmäßiger Hinsicht – sowie insbesondere hinsichtlich der Verwertung der Beteiligungsziffern innerhalb des Rhein-Westf. Kohlensyndikats – am besten durch eine Fusion gewahrt sind“ (Schreiben des Vorstands der Gelsenkirchener Bergwerks AG an die Mitglieder des Aufsichtsrats vom 20. und 26.2.30 in NL Silverberg  637, Bl. 104–109).

der Banque Union Parisienne,

Schneider – Creusot,

Arbed,

Comptoir d’Escompte.

Bei diesem Stand der Dinge wurde ich von Dr. von der Porten unterrichtet. Ich begab mich zu dem Herrn Reichskanzler und unterrichtete ihn von der Gefahr, die ich in diesen Vorgängen erblickte, wobei sich ergab, daß der Reichskanzler von irgend einer dritten Seite bereits Wind von der Angelegenheit bekommen hatte. Er stellte sich sofort auf den Standpunkt, daß die Aktion verhindert werden müsse. Ich ließ darauf Herrn Dr. von der Porten Verhandlungen mit Herrn Dr. Flick und Herrn Dr. Vögler aufnehmen und verhandelte auch selbst mit Flick. In diesen Verhandlungen wurden vor allen Dingen die Schulden von Charlottenhütte, Gelsenkirchen und Vereinigten Stahlwerken erörtert und festgestellt. Es ergab sich, daß die 3 Unternehmungen allein an deutschen Bankschulden 174 Millionen haben. Sodann wurde die Höhe der Forderungen, die die Charlottenhütte erhob, erörtert. Ich ging davon aus, daß diese Forderungen zwar angesichts der gegenwärtigen Börsenlage hoch waren, die Werte aber nicht überstiegen, welche Thyssen-Mannheimer an Hand des französischen Angebots zu geben bereit waren. Die Essener Steinkohlenwerke, welche 6 Millionen Tonnen Kohlen fördern können, wurden zu etwa 60 Millionen bewertet (jede Million Tonnen Förderungsmöglichkeit = 10 Millionen Mark). Diese sollte bekanntlich Charlottenhütte schuldenfrei bekommen. Dazu 34 Millionen Mark in bar. Der Wert der Bergwerke und die Barzahlung zusammen ergaben ungefähr die Verpflichtungen, die das Reich schließlich übernommen hat.

Die beiden Gesichtspunkte, von denen aus ich im Einvernehmen mit dem Reichskanzler gehandelt habe, waren

a)

die Gefahr einer erneuten Erschütterung der soeben rekonstruierten deutschen Banken5,

b)

die Gefahr der Überfremdung.

5

Zur Bankenreform (Febr./März 1932) vgl. diese Edition: Die Kabinette Brüning I/II, Dok. Nr. 658; 671; 674; 676; 677.

Die letztere hat den Anlaß zu meinem Eingreifen gegeben. Die erstere aber[220] war ausschlaggebend für die Intervention. Ich äußere mich daher zunächst zu der ersteren.

1.) Als wir die 3 Großbanken rekonstruierten, bzw. neu aufbauten, war ich mir vollkommen im Klaren, daß diesen Banken noch zwei große Gefahren drohten. Zunächst aus der schwierigen Lage der Schiffahrtsgesellschaften, Norddeutscher Lloyd und Hamburg-Amerika-Linie, sodann aus der Lage der Kohlen- und Eisenindustrie. Die erste Gefahr haben wir damals durch Übernahme großer Garantien für die Schiffahrtsgesellschaften beseitigt, ohne daß wir dafür eine Gegenleistung bekamen. Die zweite Gefahr kannten wir seit dem Sommer 1931. Schon damals hatte es große Mühe gekostet, gewisse Schwierigkeiten, die von Oberschlesien herkamen, und die zu allerhand falschen Nachrichten in der Presse Veranlassung gaben, zu bewältigen. Die verschiedenen Reichsämter, insbesondere das Auswärtige Amt, aber auch das Wirtschafts- und Finanzministerium, sind das ganze Jahr mit den oberschlesischen Sorgen bepackt gewesen, die auch jetzt noch nicht erledigt sind. Von dorther vermuteten wir, würde der Stoß auf das Gebäude Charlottenhütte, Gelsenkirchen, Stahlverein kommen. In der Tat waren ja auch Flick und Vögler in den letzten Tagen meiner Amtstätigkeit außer Stande, die Löhne für Oberschlesien aufzubringen6. Daß nun durch das Thyssen’sche Angebot die ganze westfälische Frage unter einem anderen Gesichtspunkt aufgerollt wurde, änderte nichts an der Tatsache, daß die Charlottenhütte bankrott war und daß mit ihrem Bankrott Gelsenkirchen und der Stahlverein in den Strudel eines ungeheueren Zusammenbruchs mit hineingezogen worden wären. In diesem wären die großen Banken nicht nur erneut schwer geschädigt und ins Wanken gebracht worden, sondern es wäre auch die Rheinisch-Westfälische Bankenwirtschaft (Hirschland und Louis Hagen) in Köln zerstört worden. Der Einwand, daß trotz Zusammenbruchs von Charlottenhütte Gelsenkirchen und der Stahlverein unbeschädigt hätten weiterarbeiten können, scheint mir keinesfalls stichhaltig. Bei der Nervosität des deutschen Publikums und bei dem Stand der Börsenkurse bin ich überzeugt, daß jeder Konkurs an der Ruhr, wenn er eine der großen Gesellschaften trifft, die Kurse der Ruhraktien auf den Nullpunkt bringt und den letzten Kredit der Kohlen- und Eisenunternehmungen zerstören würde. Um aber sicher zu gehen, habe ich zu der Frage, ob die Banken einen solchen Stoß aushalten können, Herrn Ritscher und Herrn Goetz von der Dresdner Bank gehört, bei der ja ein erheblicher Teil der Schulden, die das Reich übernommen hat7, bereits domiziliert sind. Ich bitte diese Äußerung – sie wird bei den Akten des Reichs oder[221] von der Porten sein – beizuziehen8. Im übrigen wurde die Transaktion so geführt, daß im Endeffekt alles, was das Reich an Verpflichtungen übernommen hat, den Banken zufließen wird.

6

Die in den Auseinandersetzungen über den Ankauf der Gelsenkirchen-Aktien mehrfach aufgetretene „oberschlesische Frage“ (vgl. auch Anm. 1 zu Dok. Nr. 44) hängt mit einem industriellen Engagement zusammen, in das die RReg. zusammen mit einer westdeutschen industriellen Gruppe (Gelsenkirchener Bergwerks AG, Charlottenhütte, Thyssen, Vereinigte Stahlwerke) 1927 eingetreten war, um den ehemals dt. Industriebesitz in dem an Polen gefallenen Teil Oberschlesiens im Interesse der dortigen dt. Minderheit unter dt. Einfluß zu halten. Es handelte sich um eine mit Subventions- und Garantieverpflichtungen des Reiches versehene Mehrheitsbeteiligung vor allem bei der „Kattowitzer Bergbau- und Hüttenbetriebe AG“ und der „Laurahütte“, der sog. „Polenlaura“, die zusammen mehr als 50% der poln. Kohlen- und Eisenindustrie umfaßten. Näheres zur Vorgeschichte (1927–1932), Wirtschaftslage und weiteren Subventionierung der ost-oberschlesischen Unternehmen s. in Dok. Nr. 75, P. 3, dort bes. Anm. 12, 13 und 15.

7

Vgl. Anm. 4 zu Dok. Nr. 33.

8

Hierzu in den Akten der Rkei und des RFMin. nichts ermittelt. – Am 25. 6. hatte Ritscher bei einer auf Wunsch des RWiM einberufenen „Sondersitzung“ des Aufsichtsrats der Dresdner Bank darauf hingewiesen, daß er und Goetz „lediglich als Berater vom Herrn Reichsfinanzminister herangezogen worden“ seien. „Herr Ritscher bemerkte, daß er seinerzeit erhebliche Einwendungen gegen das Geschäft geltend gemacht habe.“ Zur Mitwirkung der Dresdner Bank an der Gelsenkirchen-Transaktion wurde sodann in der Sitzung dargelegt: Die Bank stehe „zu diesem Geschäft in doppelter Hinsicht in Beziehung, einmal wegen ihres eigenen Engagements Charlottenhütte, sodann wegen ihrer 25% betragenden Kapitalbeteiligung bei der Firma Hardy & Co. GmbH, welche die Transaktion durchführt, ohne selbst irgendwelche Kredite an die Charlottenhütte gegeben zu haben. […] Unter den Gläubigern, deren Forderungen an die Charlottenhütte durch das Reich abgelöst werden sollen, befindet sich die Dresdner Bank mit einer Forderung von RM 18.500.00, davon sind RM 7 Millionen gedeckt. Ein Teil der Deckung – 2 Millionen Gelsenkirchen-Aktien – müßte bei Übernahme der Forderung durch die Hardy & Co. für das Reich ausgeliefert werden, während die anderen Deckungen der Bank verbleiben. Es ist ein zwischen der Dresdner Bank und Hardy & Co. zu schließender Vertrag vorgesehen, wonach Hardy & Co. der Dresdner Bank die Forderung an das Reich übertragen soll, deren Existenz infolge der Haltung der neuen Regierung zu diesem Vertrage unsicher ist. Ehe sich die Dresdner Bank an Stelle der Forderung an die Charlottenhütte eine Forderung an das Reich zedieren läßt, muß die Reichsregierung der Dresdner Bank bestätigen, daß die von Hardy an die Dresdner Bank zu übertragende Forderung an das Reich existent ist.“ (Sitzungsbericht des RbkDir. Schippel, dem RbkPräs. vorgelegt am 27. 6., in: NL Luther  343).

2.) Die Gefahr der Überfremdung, die ich im nationalen Interesse glaubte vermeiden zu müssen, ist m. E. aus der kurz oben gegebenen Darstellung genügend belegt. Ich darf aber darauf hinweisen, daß schon im März Herr Dr. Flick nach den Rücksprachen mit Dr. von Porten und mir an Thyssen einen Brief geschrieben hat, daß er das Angebot des Herrn Thyssen und seiner Hintermänner nicht weiter glaube verfolgen zu dürfen, nachdem die Pariser Geldquellen des Herrn Mannheimer für dieses Geschäft bekannt geworden sind. Dieser Brief dürfte für die Beurteilung der Angelegenheit von entscheidender Bedeutung sein. Soviel mir im Laufe der Verhandlungen mitgeteilt wurde, hat besonders Herr Dr. Vögler Wert darauf gelegt, daß ein Eindringen fremder Kräfte in den Stahlverein und Gelsenkirchen nicht stattfindet. Ich will die Frage unerörtert lassen, ob ein Industrievolk wie das deutsche überhaupt zusehen kann, wie seine lebenswichtigen Betriebe in fremde Hände geraten. Ich will nur drei Gründe, die zu meinem allgemeinen Gesichtspunkt hinzukommen, zusammenstellen:

1.) Die einzige Geschoßfabrik, die der Versailler Vertrag uns gelassen hat, ist im Besitze von Gelsenkirchen.

2.) Die Majorität der Alpinen Montan, die das einzige Eisenvorkommen Europas besitzt, welches im Falle europäischer Verwicklungen für uns und Österreich erreichbar ist, ist im Besitz des Stahlvereins.

3.) Ich habe immer die Absicht gehabt und diese Absicht gelegentlich auch dem französischen Botschafter9 auseinandergesetzt, anläßlich der Lausanner Konferenz eine große Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet zwischen Deutschland und Frankreich vorzuschlagen. Die wichtigsten Kooperationen sehe ich auf dem Gebiete von Eisen und Kohle. Nur wenn wir die beherrschenden[222] Unternehmen Westfalens in deutschem Besitze behielten, wäre eine solche Kooperation möglich10.

9

François-Poncet.

10

Dietrich hierzu bei einer Unterredung mit Schäffer am 5. 7. u. a.: Er habe „wirklich befürchtet, daß die Franzosen […] in den Besitz von Gelsenkirchen kämen. Das sei ihm weniger unter dem Gesichtspunkt der Überfremdung unangenehm gewesen, als deswegen, weil damit die Möglichkeiten, den Franzosen auf der Lausanner Konferenz etwas zu gewähren, erheblich erschwert seien. Er hat sich immer gedacht, daß man durch gemeinsame Kohlen- und Eisenexporte, bei denen die Franzosen einen größeren Anteil am Erlös erhalten sollten, ihnen eine Art Gegenleistung für die Streichung der Reparationen gewähren könnte. Wenn sie selbst den Stahlverein schon in ihrer Macht gehabt hätten, wäre dieser Weg verschlossen gewesen. Von der Porten hatte einen ähnlichen Gedanken gehabt, indem er als Gegenleistung eine Beteiligung der Franzosen an den Kohlenwerken vorgesehen hatte. Diese Beteiligung, die zu der im Frieden erworbenen Minette auch noch den Koks hinzugefügt haben würde, hätte für den französischen Ministerpräsidenten eine gute innenpolitische Lage begründet. Dann sei er, Dietrich, schon lange der Auffassung, daß die großen bürokratisierten Industrien in die Hand des Staates gehörten, vor allem die Kohle. Bezüglich des Eisens könne man noch im Zweifel sein. Auch im Naumannschen Programm sei schon diese Überführung der Naturschätze auf den Staat vorgesehen.“ (Schäffer-Tagebuch, IfZ ED 93, Bd. 21, S. 636).

Auch die Lösung des oberschlesischen Problems11, bei dem sehr viel Geld für das deutsche Reich noch auf dem Spiele steht, ist nur durch eine Zusammenarbeit Deutschland – Frankreich möglich.

11

Vgl. oben Anm. 6.

Zum Schlusse möchte ich noch einige Feststellungen machen. Das Vorabkommen vom 4. Mai habe ich in Allensbach unterzeichnet, nachdem ich durch Herrn Dr. von der Porten den ganzen Sachverhalt Herrn Warmbold, der damals Wirtschaftsminister war, hatte vortragen lassen und nachdem Herr Dr. von der Porten mir schriftlich mitgeteilt hatte, daß Dr. Warmbold durchaus einverstanden sei. Ich habe selbst Herrn Dr. Warmbold in stundenlangen Erörterungen die ganze Sachlage berichtet; er hatte Bedenken im einzelnen, grundsätzlichen Einspruch hatte er jedoch nicht erhoben12.

12

Vgl. Dok. Nr. 33, P. 1; 36.

Eine zweite Feststellung möchte ich zur Übernahmesumme13 machen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das Reich nicht mehr gezahlt hat, als anderweitig angeboten war. Rechnet man den Kurs der übernommenen Aktien aus, so ist dieser allerdings hoch. Er ist aber schon verständlich, wenn man berücksichtigt, daß wir durch den Verkauf der Braunkohlenbeteiligung zum Kurs von 200 über 25 Millionen Schulden von Gelsenkirchen beseitigt und damit den inneren Wert von Gelsenkirchen verbessert haben. Wie es in solchen Fällen gehen kann, beweisen die Vorgänge im Jahre 1925, in dem Aktien von Deutsch Lux meines Wissens zu 58 ins Ausland verkauft wurden und später 1/1 mit Gelsenkirchen getauscht wurden, welche dann im Januar/Februar 1927 zu 180 bis 190 wieder aus dem Ausland zurückgekauft wurden. Das Ausland hat uns also schon einmal ausgeplündert.

13

Vgl. Anm. 4 zu Dok. Nr. 33.

Schon aus dem Grunde, solche Vorgänge zu verhüten, aber auch aus sonstigen staatspolitischen Erwägungen heraus, bin ich schließlich der Meinung, daß eine Einflußnahme der öffentlichen Hand auf die monopolähnlichen Gebilde Westfalens eine Notwendigkeit ist. Das Reich wird seine Machtstellung besonders dazu benützen können, um aus den Konzernen des Stahlvereins und Gelsenkirchens alles wieder herauszulösen, was irgendwie durch Selbständigmachung[223] wieder lebensfähig werden kann. Ich teile hierin durchaus die Meinung der „Bergwerkszeitung“ vom 29. Juni.

Ich hoffe, die Transaktion, die ich im Einvernehmen mit dem Reichskanzler gemacht habe und die auch die grundsätzliche Zustimmung des Reichswirtschaftsministers gefunden hat, mit meinen Darlegungen ausreichend begründet zu haben. Über alle Einzelheiten wissen Herr von der Porten, Ritscher, Goetz und Ministerialrat Schwand Bescheid je nach ihrer Zuständigkeit. Herrn von Krosigk hatte ich, als er selbst die Nachricht, der Stahlverein drohe an die Franzosen wegzuschwimmen, aus Badenweiler mitbrachte, ohne auf die Einzelheiten einzugehen, über die Sache im Ganzen kurz unterrichtet.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr stets sehr ergebener

Hermann Dietrich

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