2.26.4 (sch1p): 4. [Arbeiterräte in der Verfassung]

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[103]4. [Arbeiterräte in der Verfassung]

Reichsminister Bauer trug die anliegenden beiden Entwürfe A und B8 über die Verankerung der Arbeiterräte in der Verfassung vor. Er empfahl die allgemeinere Fassung des Entwurfs A.

8

Die vorgelegten Art.Entw. über die Verankerung der Arbeiterräte in der Verfassung sollten als Erweiterung des Art. 34 in dem der NatVers am 21.2.1919 vorgelegten RegEntw. eingefügt werden (vgl. Dok. Nr. 18, P. 6). Der Entwurf A, der ebenso wie der Entwurf B das Datum des 22.3.1919 trägt, lautet: „Die Arbeitskraft steht unter dem besonderen Schutz des Reichs.

Die Arbeitnehmer erhalten zur Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheit nach Betrieben und Wirtschaftsgebieten gegliederte gesetzlich geordnete Vertretungen in Betriebs- und Bezirksarbeiterräten und einem Reichsarbeiterrat. Die Bezirks-Arbeiterräte und der Reichs-Arbeiterrat bilden zusammen mit den Vertretungen der übrigen schaffenden Stände Bezirkswirtschaftsräte und einen Reichswirtschaftsrat. Der Reichswirtschaftsrat hat das Recht, dem RT GesEntw. wirtschafts- und sozialpolitischen Inhalts vorzulegen.

Bildung, Aufgaben und Befugnisse der Arbeiter- und Wirtschaftsräte werden durch besondere bis zum …zu erlassende Gesetze geregelt.“ (R 43 I /1348 , S. 269). Der Wortlaut des Entwurfs B: „Die Arbeit steht unter dem besonderen Schutz des Reiches.

Den Arbeitern wird die gleichberechtigte Mitwirkung bei der Regelung der Arbeitsverhältnisse gewährleistet.

Zur Teilnahme an der Ordnung des Wirtschaftslebens und zur Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten sind von den Arbeitern nach Wirtschaftsgebieten gegliederte Bezirks-Arbeiterräte und ein Reichs-Arbeiterrat zu wählen, die zusammen mit den Vertretungen der übrigen schaffenden Stände Bezirks-Wirtschaftsräte und einen Reichs-Wirtschaftsrat bilden.

Die Wirtschaftsräte haben alle für ihr Wirtschaftsgebiet geplanten Gesetze oder Verordnungen wirtschafts- und sozialpolitischen Inhalts zu begutachten und das Recht, den für ihr Wirtschaftsgebiet bestehenden Volksvertretungen selbst solche Gesetze vorzulegen. Bildung, Aufgaben und Befugnisse der Arbeiter- und Wirtschaftsräte werden durch besondere bis zum …zu erlassende Gesetze geregelt.“ (ebd., ebd. R 43 I /1348 , S. 271).

Reichsminister Preuß regte an, sich in der Verfassung noch allgemeiner auszudrücken und alles übrige dem Reichsgesetz zu überlassen; er verlas den im Reichsministerium des Innern ausgearbeiteten Entwurf C9.

9

„Die schaffenden Berufsstände des Volkes werden durch Reichsgesetz organisiert werden, um ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, ihre Interessen zu fördern und der Regierung und den Volksvertretungen des Reichs und der Länder als Berater für Gesetzgebung und Verwaltung zur Seite zu stehen.

Sie werden nach Wirtschafts-Gebieten gegliedert und in einen Reichswirtschaftsrat zusammengefaßt, der berechtigt ist, dem Reichstag Gesetzentwürfe aus dem Bereich des Arbeiterrechts und der Vergesellschaftung vorzulegen.

Die Wahl und Einrichtung der Vertretung, ihre Rechten und Pflichten werden durch Reichsgesetz geregelt.“ (R 43 I /1348 , S. 273).

Reichsminister Gothein zog demgegenüber den früheren Entwurf des Reichsarbeitsministeriums (Anlage D)10 vor.

10

„Die Gesamtheit des arbeitenden Volkes ist im Volkswirtschaftsrat (Zentralarbeitsrat) verkörpert, der als höchstes Organ der deutschen Gemeinwirtschaft aus dem Rate der schaffenden Stände gebildet wird. Der Lohnarbeiterschaft insbesondere wird in dem Arbeiterrate eine öffentlich rechtliche Vertretung ihrer wirtschaftlichen Interessen gewährleistet.“ (R 43 I /1348 , S. 275).

[104] Reichsminister Schiffer entwarf während der Beratung den anliegenden Entwurf E11.

11

„Bei der Ausübung dieses Schutzes bedient sich das Reich der Arbeiter- und Betriebsräte als gesetzliche Organe zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer. Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz.“ (R 43 I /1348 , S. 277).

Gegen den Entwurf C wurde besonders eingewendet, daß er die Ausdrücke Arbeiterrat, Betriebsrat, Zentralrat nicht enthalte; ebenso wurde das Fehlen des für die Arbeit besonders wichtigen Begriffes der Betriebsräte in den Entwürfen B und D bemängelt. Zum Entwurf A schlugen vor:

Reichsminister Erzberger: Am Schlusse nur zu sagen, daß die Gesetze „vorzulegen“ seien, da auch mit der Ablehnung der vorgelegten Gesetzentwürfe gerechnet werden müsse; ferner zur näheren Begründung des Begriffs der schaffenden Stände hinter diesen Worten einzufügen „in Landwirtschaft, Gewerbe und freien Berufen“.

Reichsminister David: Im Absatz 2 Satz 2 hinzuzufügen: „Sie haben bei Sozialisierungsmaßnahmen mitzuwirken und sind zur Kontrolle sozialisierter Betriebe und Gewerbezweige zuzuziehen“, um sich möglichst eng an das anzulehnen, was man Anfang März den Vertretern der Arbeiter versprochen habe12. Ferner, statt schaffende Stände zu sagen „wirtschaftliche Berufe“.

12

Siehe Dok. Nr. 18, Anm. 6.

Reichsminister Gothein: Vielleicht den Ausdruck „wirtschaftliche Berufsvertretungen“ zu wählen. Ferner, statt „vorzulegen“ am Schlusse des 2. Absatzes zu sagen „zu beantragen“.

Reichsminister Preuß: Den Ausdruck „Stände“ jedenfalls zu vermeiden.

Reichsminister Bauer: Den 2. Satz aus dem Entwurf B in den Entwurf A zu übernehmen.

Im Laufe der Beratung erklärte Reichsminister Giesberts, man bekenne sich mit dem Entwurf zum wirtschaftlichen Rätesystem und solle dies mit Bewußtsein und ohne Furcht tun. Es handele sich zwar um ein kostspieliges Nebenparlament, das aber fruchtbare Arbeit tun könne.

Reichsminister David stimmte dem zu und wies auch für seinen Teil Furcht vor dem wirtschaftlichen Rätesystem zurück.

Der Ministerpräsident schlug vor, auf Grund des Entwurfs A zunächst mit den Mehrheitsparteien zu verhandeln.

Reichsminister Bauer möge den Entwurf auf Grund der heutigen Beratungen nochmals durcharbeiten und die Verhandlungen übernehmen.

Dementsprechend wurde beschlossen13.

13

Siehe Dok. Nr. 34, P. 1.

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