2.13.1 (vsc1p): Arbeitsbeschaffungsprogramm.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Kabinett von Schleicher Kurt von Schleicher Bild 102-14090Franz Bracht Bild 183-2007-1009-501Friedrich Syrup Bild 146-1986-031-11Bild 183-H27728

Extras:

 

Text

RTF

Arbeitsbeschaffungsprogramm.

I.

Zunächst wurde die Ausarbeitung des Reichswirtschaftsministers „Material zur Klärung der allgemeinen Fragen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms“ durchgesprochen und entsprechend der Anlage formuliert2.

2

Das „Material“ war den Teilnehmern der Chefbesprechung vom 6. 12. vom RWiM am 7. 12. übersandt worden. Das dem Protokoll beiliegende Exemplar weist zahlreiche textliche Veränderungen und Ergänzungen auf, die während der Sitzung hschr. eingefügt sein dürften. In 10 Punkten enthielt die Vorlage „Gesichtspunkte für die Auswahl der Arbeiten“ und „Gesichtspunkte für die Organisation der Arbeitsauswahl und Arbeitsdurchführung seitens der Zentralstelle“. Unter Berücksichtigung der in der Sitzung vorgenommenen Textänderungen, lauten die wichtigsten grundsätzlichen Ausführungen: „Zuzulassen sind nur solche Arbeiten, die nach der Entwicklung der Wirtschaft und der Finanzen als notwendig und als geeignet zur Tragung der durch den Kapitalaufwand entstehenden Zukunftslasten anzusehen sind. Würde man andere Arbeiten ausführen, so würde dadurch eine Vertrauenserschütterung heraufbeschworen werden können. Darüber, welche Arbeiten zugelassen werden, entscheidet ein Ausschuß, dessen Zusammensetzung durch die Reichsregierung bestimmt wird. Den Vorsitz des Ausschusses führt der Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung.

2. Auch wenn nach den Gesichtspunkten unter 1.) verfahren wird, bleibt eine solche Arbeitsbeschaffung, volkswirtschaftlich betrachtet, immer noch mit größeren Risiken behaftet als eine auf natürlichem Wege eintretende Arbeitsvermehrung. Der Umfang der durch Arbeitsbeschaffungsprogramme geschaffenen Arbeit, muß daher in dem Momente auf ein Mindestmaß zurückgeführt werden, in dem die natürliche Arbeitsbeschaffung wieder ein genügend großes Volumen erreicht hat. Aus diesem Grunde muß in dem gegenwärtigen Arbeitsbeschaffungsprogramm darauf geachtet werden, daß in der Hauptsache nur solche Arbeiten ausgeführt werden, die im Laufe der nächsten 9–10 Monate beendet werden können. Nur in geringem Umfang und nur ausnahmsweise dürften Arbeiten zugelassen werden, deren Vollendung erst nach einem solchen Zeitraum möglich ist und die sich womöglich über mehrere Jahre erstrecken würden, so daß der diesjährige Aufwand nur eine erste von mehreren Raten darstellen würde.

3. Bei dem gegenwärtigen Arbeitsbeschaffungsprogramm scheiden daher Luxusaufwendungen vollkommen, aber auch Neuinvestitionen nahezu aus. Das Arbeitsbeschaffungsprogramm muß daher auf die Instandsetzung der vorhandenen Produktionsgüter und auf ihre Verbesserung abgestellt werden.“ Der bei den „nur unter besonderen Umständen nach genauer Prüfung“ zugelassenen Arbeiten ausdrücklich aufgeführte „Bau von neuen Automobilstraßen“ war aus dem Katalog dieser Arbeiten wieder gestrichen worden (R 2 /18659 ).

II. Finanzierung.

Trotz wiederholter Einwendungen des Reichsfinanzministers erhoben mehrmals Minister Popitz und Reichskommissar Dr. Gereke die Forderung der Unverzinslichkeit der Darlehen an die öffentlichen Körperschaften, d. h. der Übernahme[46] der Zinsen für die Darlehen auf das Reich. Übereinstimmend war man der Meinung, daß höchstens 2jährige Wechsel von der Reichsbank hereingenommen würden, daß bei der Amortisation mindestens 1 Freijahr gegeben, und daß die Dauer des Darlehns mit der Lebensdauer der ausgeführten Arbeiten in Übereinstimmung gebracht werden müsse. Das bedeute, daß im allgemeinen die Darlehen in 20 Jahren getilgt würden.

Der Reichsfinanzminister hielt die in Aussicht genommene Regelung nicht für eine endgültige Finanzierung, sondern als die Vorfinanzierung einer unter allen Umständen auszugebenden Konsolidierungsanleihe für vertretbar. Den Gedanken, Schuldverschreibungen einem Wechselkredit zugrunde zu legen, die nicht kursfähig seien, hält er nicht für möglich. Staatssekretär Schwarzkopf ist der gleichen Auffassung und glaubt, daß die Reichsbank nicht in der Lage sei, auf die von Minister Popitz gedachte Zeit von 20 Jahren die Wechsel prolongieren zu können, weil sich die Reichsbank nicht auf eine solche lange Zeit mit einem Block toter Wechsel belasten dürfe.

Demgegenüber wies Minister Popitz darauf hin, daß die Banken nicht die ganze Zeit entlastet zu werden bräuchten, bei einem genügenden Rückhalt durch ein Rediskontversprechen der Reichsbank werde die Reichsbank verhältnismäßig wenig in Anspruch genommen.

Ausgeschaltet wurde die Frage der Zuteilung von Steuergutscheinen wegen Mehrbeschäftigung an die Gemeinden, weil nach den Grundsätzen über die Auswahl der Arbeiten Regiebetriebe möglichst vermieden werden sollten. Etwas anderes sei es, ob man nicht Steuergutscheine, losgelöst von einem Nachweis der Mehrarbeit, in jedem einzelnen Falle als zusätzliche Unterlage für den laufenden Wechselkredit geben könnte.

Minister Popitz wies auf die Notwendigkeit einer guten Ausgestaltung der Finanzierung hin, wenn die Reichsbank zur Refinanzierung geneigt gemacht werden solle: zunächst zur materiellen Sicherung Gutschriften auf ein Sperrkonto, Auszahlung nur an die Unternehmer nach genauem Nachweis der geleisteten Arbeit, absolute Sicherheit der Tilgungsraten durch Einschaltung von Rechtsnormen, daß die Verpflichtungen zur Tilgung dieser Arbeitsbeschaffungsdarlehen allen anderen Verpflichtungen vorgehen müßten, Verpfändung gewisser Einnahmen für diese Zwecke; in letzter Linie zusätzlich hierzu die Möglichkeit, die Tilgungsraten von den Überweisungen oder Zuschüssen einzubehalten. Das Zwangsrecht sei unbedingt nötig. Die Reichsbürgschaft hält er für reizvoll, ist jedoch der Meinung, daß die Landesbürgschaft in erster Linie das Richtige sei, da es sich hier um die kommunalen Aufsichtsbehörden handele. Für die kleineren Länder könne eine Bürgschaft größerer Länder in Frage kommen (Beispiel: Preußen für Mecklenburg bei der Osthilfe); dann könne die Reichsbürgschaft in eine Rückbürgschaft übergeleitet werden. Da z. B. nach preußischem Recht die Bürgschaft des Landes ein Gesetz zur Voraussetzung habe, schlug Ministerialrat Raps die Regelung der Bürgschaft als eine zwangsläufige in der zu erlassenden Notverordnung vor.

Der Reichsfinanzminister zweifelt, ob all diese Maßnahmen den Banken genügen. Der Schwerpunkt für die Gewährung des Kredits liege in der Refinanzierung.[47] Sein Gedanke sei, daß es sich um eine effektive Anleihe handele, sie könne nur im jetzigen Augenblick nicht genommen werden; daher müsse eine Zwischenfinanzierung durch die Banken eingeschaltet werden, bis die Anleihe herausgebracht werden kann. Es müßten dann Sicherungen für den Zwischenkredit und für die Anleihe selbst getroffen werden. Die Reichsbank braucht demnach nur zuzusagen, die Refinanzierung bis zu dem Zeitpunkt zu übernehmen, in dem die endgültige Anleihe möglich ist.

Geheimrat Poerschke schlägt vor, nach Ablauf der Wechsel eine kurzfristige Emission von Schuldverschreibungen des darlehngebenden Instituts, z. B. der Öffa, vorzusehen (etwa 5 Jahre). Diese kommunalen Schuldverschreibungen oder vielmehr Schatzanweisungen könnten die Zeit zwischen dem Ende der Wechsel und der Aufnahme einer Anleihe überbrücken. Die Reichsbürgschaft und die Bürgschaft der Länder für diese Zwischenanleihe könnte in Aussicht genommen werden. Dem Reichsfinanzminister ist der Vorschlag sympathisch; die Sicherheit sei ausgezeichnet. Es hafte nicht bloß die Öffa mit ihrem außerordentlich großen Vermögen, dahinter stünden die Gemeinden mit der besonderen von Popitz vorgeschlagenen Deckung. Die Rückbürgschaft des Reiches, noch hinter eine Länderbürgschaft gesetzt, könne den Anreiz der kommunalen Obligationen erhöhen. Grundsätzlich sei er allerdings ein Freund von größerer Zurückhaltung bei der Übernahme von Reichsbürgschaften, weil sonst der Kredit der Reichsbürgschaft abgenützt werde.

Eingehend wurde noch einmal über die Zinsfrage gesprochen. Minister Popitz und Dr. Gereke betonten, daß für die Gemeinden und Provinzen kein Anreiz bestehe, verzinsliche Darlehen zu nehmen. Der Reichsfinanzminister und der Reichsarbeitsminister hatten große Bedenken wegen der Unverzinslichkeit, einerseits deswegen, weil die Gemeinden später durchaus in die Lage kommen könnten, den vollen Schuldendienst zu übernehmen, andererseits wegen der gefährlichen Rückwirkung derartiger Bedingungen auf die Darlehen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Arbeiten. Es wurden zum Ausgleich der Bedenken mehrere Vorschläge gemacht:

Der Vorschlag Raps ging dahin, an das Ende der Tilgungszeit einige weitere Tilgungsraten zu setzen zum Ausgleich für die nicht gezahlten Zinsen.

Minister Popitz schlug vor, die Schuld der Gemeinden gegenüber der Öffa rascher tilgen zu lassen, als die Öffa bzw. das Reich gegenüber den Banken. Bei einer Erhöhung der Tilgungsraten um 1/10 würden die Zinsen für eine Jahresrate auf 5 Jahre gewinnen.

Ministerialdirektor Weigert schlug Zuschuß zu den Kosten der Arbeiten, nämlich entsprechend dem Vorschlag im „Kommunalen Arbeitsprogramm“ des Reichsfinanzministeriums, vor3. Der Reichsfinanzminister wies darauf hin, daß die Übernahme der Zinsen durch das Reich, auf 500 Millionen Anleihe gerechnet und 20jährige Dauer, eine Last des Reiches in Höhe von etwa 300 Mill. betrage. Der Reichskommissar betonte den Widerstand der öffentlichen Körperschaften gegen neue Verschuldung. Dieser könne bloß durch den neuen Gedanken[48] der Unverzinslichkeit überwunden werden. Übereinstimmend war man der Meinung, daß eine Vergebung von Darlehen der Öffa zu den seither üblichen Bedingungen kaum mehr möglich sei. Es ergebe sich eine praktische Suspension der seitherigen Tätigkeit der Öffa. Der Reichsfinanzminister wies im Zusammenhang mit dem Straßenbau nach, daß durch einen besseren Bau von Straßen, z. B. von Kleinpflasterstraßen, eine Entlastung der Haushalte der Straßenbaupflichtigen auch dadurch eintrete, daß die Ausgaben geringer würden. Er könne nicht einsehen, warum die Gemeinden nicht in guten Jahren Zinsen leisten könnten.

3

Ein entsprechender Referentenentw. (R 43 I /2046 , Bl. 62–67) lag der Ministerbesprechung des Kab. v. Papen vom 2.11.1932, P. 3 zugrunde.

Der Reichskommissar hielt es für unmöglich, den Gemeinden zu sagen, daß und wann dieser Zeitpunkt gekommen sei. Der Reichsfinanzminister gibt den in der Unverzinslichkeit liegenden psychologischen Gesichtspunkt zu. Die Gemeinde könne vielleicht auch 6% bezahlen, wenn sie 5% bezahlen könne.

Der Vorschlag, vertraulich mit Exzellenz Dernburg in der Frage Fühlung zu nehmen, wurde zurückgestellt.

Minister Popitz machte bei der Zinsfrage auf die politischen und psychologischen Momente aufmerksam.

Der Reichsfinanzminister faßte zusammen, man wolle eine normale Anleihe ins Auge fassen, die jetzt vorfinanziert werde, und zwar in den ersten beiden Jahren durch Wechsel, dann allenfalls durch kurzfristige Kommunalschuldverschreibungen, dann durch eine endgültige Emission vor sich gehe. Für eine Übergangszeit könne das Reich für die Zahlung eintreten. Der Reichswirtschaftsminister kommt wegen der Dauer der Anleihe noch einmal auf die Frage der Übereinstimmung zwischen Amortisation und Lebensdauer der Anlagen zu sprechen. Das Anrecht zu den Zuschüssen der öffentlichen Hand, insbesondere des Reichs, gebe der Gedanke, daß durch die Verminderung der Arbeitslosigkeit im Augenblick eine Entlastung der Haushalte eintrete. Der Vorteil sei sehr groß, solange die Arbeitslosigkeit bestehe, werde kleiner in demselben Maße als die Arbeitslosigkeit behoben werde. Der Vorteil sei häufig kleiner, als dem Träger der Arbeiten an Vermögen zuwachse. Aus dieser Tatsache könne man nicht folgern, daß für die Zeit, in der sich die Entlastung des Haushalts auswirkt, die Zinsen vom Reiche getragen werden.

Bei der Frage der Lebensdauer dürfe man nicht allzu streng vorgehen. Es wäre richtig, in der Zeit starker Entlastung der Haushalte durch die neuen Arbeiten auch starke Opfer der Entlasteten zu verlangen, also Entlastung von den Zinsen etwa auf 3 bis 4 Jahre.

Minister Popitz regte eine Zweiteilung der zu gebenden Kredite an

a)

verzinsliche: soweit es sich um Darlehen zu Arbeiten handele, die in sich eine erhebliche Rente enthielten, z. B. Gas, Wasserleitung, Elektrizität,

b)

unverzinsliche für normale Arbeiten, bei denen eine Rente nicht in Frage kommt und bei denen die Übernahme von Zinsen einer gesunden Finanzwirtschaft widerspricht.

Es wird beschlossen, durch Ministerialrat Raps, in Zusammenarbeit mit den Sachbearbeitern der Ressorts, einen Plan über die Finanzierung auf Grund der Besprechung aufzustellen und am Dienstag Nachmittag die Besprechung fortzusetzen,[49] falls den Beteiligten vorher der Entwurf zugestellt worden ist. Der Entwurf soll mit Beispielen versehen werden.4

4

Dazu ist es nicht mehr gekommen. – Zum Fortgang s. Dok. Nr. 15.

Zum Schluß gab Reichskommissar Gereke die Anregung zur Erwägung anheim, ob nicht die Rentenbank von neuem tätig sein und einen Kredit hingeben könnte etwa in ähnlicher Weise wie bei der Osthilfe. Der Reichsfinanzminister hält eine Ausgabe von Rentenbank-Schuldverschreibungen als zusätzliche Unterlage bei der Wechselfinanzierung nicht für abwegig, warnt aber dringend vor jedem darüber hinausgehenden Gedanken.

Extras (Fußzeile):