2.77.4 (sch1p): 4. [Deutsche Gegenvorschläge]

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4. [Deutsche Gegenvorschläge]

Die Reichsminister Erzberger, Dernburg und Preuß äußern die Befürchtung, daß die Gegenvorschläge gegen den Entwurf der Entente6 sich in Einzelheiten verlieren und den großen politisch wirksamen Grundzug dadurch verwischen könnten. Von anderer Seite wird erwidert, daß zu dieser Befürchtung kein Grund gegeben sei und daß man sich vor einem Eingreifen in die Arbeiten der damit befaßten Stellen zunächst den Grundriß dieser Arbeiten zeigen lassen möge.

6

Die Vorschläge der zuständigen Ressorts für die Abfassung der dt. Gegenvorschläge finden sich zusammengestellt, ausnahmslos ohne Anschreiben in: R 43 I /2 .

[318] Im Laufe der sachlichen Aussprache ergibt sich Einigung darüber, daß sich – vorbehaltlich einer Rückäußerung der Delegation – für die Gegenvorschläge folgende Grundsätze empfehlen dürften:

a) Es werden nicht Gegenvorschläge zu jeder Bestimmung gemacht, sondern die Gegenvorschläge werden auf einige große grundsätzliche Gesichtspunkte beschränkt, aus denen alles übrige später zu folgern ist.

b) Die Gegenvorschläge beginnen mit einer Darlegung der Rechtsbasis, d. h. mit einer übersichtlichen Darstellung der Verhandlungen vom Oktober und November 1918 und der daraus sich ergebenden grundsätzlichen Bindung beider Teile. Ein vom Reichsminister Erzberger aufgestellter Entwurf für eine solche Einleitung soll sofort mit dem Referenten der hiesigen Geschäftsstelle für die Friedensverhandlungen und dem in Versailles den gleichen Gegenstand bearbeitenden Professor Schücking ausgetauscht werden7.

7

Beide Entwürfe sind in den Akten der Rkei nicht zu ermitteln.

c) An diese Einleitung wird sich zweckmäßig eine schlagende Darstellung darüber knüpfen, in welchem Maße die Rechtsgrundlage durch den Entwurf der Entente verletzt ist. Reichsminister Bell regt an, auszudrücken, daß der Entwurf eine Aufforderung zum Vertragsbruch bedeute, da Deutschland, wenn die Entente sich an den Vorvertrag nicht halte, geradezu aufgefordert werde, seinerseits auch den endgültigen Vertrag nicht zu halten8 .

8

Der Anregung Bells wurde bei der Abfassung der dt. Gegenvorschläge nicht entsprochen.

d) Darauf wäre in erster Linie die Forderung nach einem wirksamen Völkerbund zu erheben9. Reichsminister Erzberger empfiehlt, auch hier weiter keine Einzelheiten mehr zu geben, aber mit aller Bestimmtheit die Forderung auszusprechen: daß Deutschland sofort als gleichberechtigtes Mitglied in den Völkerbund aufgenommen werde10.

9

Die dt. Vorschläge über die Errichtung eines Völkerbundes waren bereits in einer dt. Note an Clémenceau vom 9.5.1919 niedergelegt worden, s. Schultheß 1919, I, S. 195 f.; II, S. 525.

10

Der Völkerbund wurde im 2. Teil, Kapitel 1 der dt. Gegenvorschläge vom 29.5.1919 in der von RM Erzberger skizzierten Weise erwähnt (Materialien betr. die Friedensverhandlungen, Teil III: Die dt. Gegenvorschläge zu den Friedensbedingungen der all. und ass. Mächte, hrsg. v. AA, Charlottenburg 1919, S. 29 ff. ).

e) Sodann würden Ausführungen über die deutschen Grenzen folgen können. Verschiedene Mitglieder des Kabinetts wiesen darauf hin, daß man die Ausarbeitung nicht dem Referenten und Sachverständigen überlassen könne, sondern daß man diesen zuerst eine politische Direktive geben müsse. Reichsminister Erzberger empfiehlt als solche: Anerkennung der von der Entente gezogenen Grenze in dem Sinne, daß innerhalb dieser Gebiete abzustimmen ist. Hierüber ergibt sich indessen noch keine Einigkeit. Botschafter Graf Bernstorff und Minister Heine übernehmen es, mit größter Beschleunigung Grundlagen zur Beurteilung dieser Frage zu beschaffen.

Reichsminister Bell regt an, in den Gegenvorschlägen oder in der Öffentlichkeit immer wieder auszusprechen, daß der Militarismus, der Imperialismus und das Wettrüsten die wahren Schuldigen am Kriege seien und daß daher diese Ursachen beseitigt werden müßten.

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