2.163.1 (ma31p): [Anlage 1]

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Text

RTF

[468] [Anlage 1]

Berlin, den 30. Juni 1923

Zwischen dem Reichswehrminister und dem Preußischen Minister des Innern ist folgende Vereinbarung getroffen6:

1.

In Sachen des Landesschutzes soll engstes Einvernehmen und dauernde Zusammenarbeit zwischen den Militär- und Verwaltungsbehörden hergestellt und aufrecht erhalten werden.

Unter Landesschutz ist Schutz der Grenzen gegen feindliche Überfälle und die Abwehr gewaltsamer verfassungsfeindlicher Bestrebungen und anderer gewaltsamer Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu verstehen.

2.

In diesem Sinne haben die Wehrkreiskommandos mit dem zuständigen Oberpräsidenten Vereinbarungen zu treffen, die der Zustimmung der Zentralstellen unterliegen. Die Zentralstellen verpflichten sich, ihre Entscheidung nur im Einvernehmen mit dem anderen Ressort zu treffen.

3.

Die Vereinbarungen erfolgen nach Maßgabe folgender Richtlinien:

a)

Überzählige Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände aller Art, die sich in unerlaubtem Besitz oder Verwahrsam Privater befinden, sind zu erfassen und dem Reiche sicherzustellen.

b)

Genaue Listen über die in den einzelnen Bezirken vorhandenen überzähligen Bestände sind bei den Wehrkreiskommandos in unbedingt zuverlässiger Hand niederzulegen. Den Oberpräsidenten ist zur Unterrichtung über die Höhe der Bestände, der Lagerplätze und der Persönlichkeiten der Verwahrer auf Wunsch Einblick in die Listen zu gewähren.

c)

Mit der Verwahrung von Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenständen sind nur solche Persönlichkeiten zu betrauen, die unbedingt jede gewaltsame Änderung der Verfassung und der verfassungsmäßigen Einrichtungen ablehnen und das Vertrauen der Behörde[n] und der Bevölkerung genießen.

d)

In den Fällen, in denen Zivilbehörden durch Anzeigen, durch politische [469] Erfordernisse oder andere triftige Gründe zu polizeilichen Durchsuchungen oder zu Beschlagnahmen von Ausrüstungs- oder Waffenlagern veranlaßt werden, muß es ebenfalls oberster Grundsatz bleiben, alles aufgefundene oder beschlagnahmte Gerät dem Reiche zu erhalten.

e)

Bei Transporten der Lagerbestände sollen die Zivilbehörden auf Ersuchen Hilfe leisten.

f)

Über jede Vermehrung von überzähligem Gerät sind die zuständigen Zivilbehörden zur Vermeidung von Störungen unterrichtet zu halten.

g)

Über die in den einzelnen Provinzen vorhandenen und für den Landesschutz erforderlichenfalls verwendbaren Bestände [an] Pferden, Fahrzeugen aller Art sowie den zur Versorgung nötigen Vorräten und allen weiteren für den Landesschutz erforderlichen Materialien sind statistische Unterlagen zu sammeln.

h)

Die Organisation von Meldestellen bei den Zivilbehörden, bei denen sich im Falle eines Aufrufs des Reichspräsidenten Freiwillige zu melden haben, ist vorzubereiten. Die entsprechenden Pläne sind bei den Oberpräsidenten in unbedingt zuverlässiger Hand niederzulegen.

i)

In den östlichen Grenzgebieten können besondere Vorbereitungen getroffen werden. Soweit sie sich auf personellem Gebiet bewegen, gilt Artikel 3 Absatz c entsprechend.

4.

Die Unterrichtung von Freiwilligen in der Verwendung von Waffen jeder Art unterbleibt.

5.

Die Unterstützung privater Bestrebungen zur körperlichen Ertüchtigung der Jugend insbesondere durch Gestellung von Lehrern sowie durch Überlassung von Schießständen unterbleibt bis zum Erlaß weiterer Bestimmungen.

6.

Die Aufstellung namentlicher Listen, die Registrierungen und Werbungen aller Art sowie Ermittlungen über die Abkömmlichkeit von Zivilpersonen unterbleiben.

7.

Alle Vorbereitungen zum Landesschutz treffen ausschließlich die Reichswehr- und Verwaltungsbehörden. Organisationen irgendwelcher Art dürfen weder an den Vorarbeiten, noch an der Durchführung der angeordneten Maßnahmen beteiligt werden. Vereine usw., die unter irgendeinem Vorwand Verbände mit militärischen oder polizeilichen Befugnissen aufstellen oder vorgeben, militärische Geräte für den Landesschutz aufzubewahren, sind unzulässig und unterliegen der Auflösung.

8.

Die Vereinbarung gilt als aufgehoben, wenn eine Zentralstelle beharrlich gegen ihre Bestimmungen verstößt, oder wenn sie sich weigert, Beschwerden der anderen Zentralstelle über Verstöße der unteren Organe abzuhelfen.

Fußnoten

6

Der Text dieser Vereinbarung zwischen RWeM Geßler und dem PrIM Severing vom 30.6.23 (auch „Richtlinien“ genannt) ist abgedr. in: Severing, Mein Lebensweg, Bd. II, S. 129 f. Zur Entstehung der „Richtlinien“ siehe diese Edition, Das Kabinett Cuno, Dok. Nr. 188. Die vom RWeMin. erlassenen internen „Ausführungsbestimmungen zu den Richtlinien für das Zusammenwirken der Militär- und Zivilbehörden in Sachen des Landesschutzes“ vom 21.7.1923 befinden sich in Abschrift in R 43 I /686 , Bl. 215–225.

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