1.24 (mu22p): Nr. 280 Der Reichsfinanzminister an den Reichsarbeitsminister. 31. August 1929

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Nr. 280
Der Reichsfinanzminister an den Reichsarbeitsminister. 31. August 1929

R 43 I /2036 , Bl. 3, hier: Bl. 3 Umdruck

[Betrifft: Darlehen an die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.]

Den Ausführungen Ihres obengenannten Schreibens, mit dem Sie die Einsetzung von 100 Millionen RM in den Haushalt 1930 für Darlehen an die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wünschen, bedauere ich, mich in keiner Weise anschließen zu können1. Wie Ihnen bekannt ist, gehen die zur Zeit stattfindenden Verhandlungen über die Reform der Arbeitslosenversicherung darauf hinaus, das Reich von der Hergabe weiterer Mittel für Zwecke der Arbeitslosenversicherung zu entlasten. Falls die in finanzieller Hinsicht in der Regierungsvorlage noch enthaltene Lücke von 47 Millionen RM für das Rechnungsjahr 1930 durch die Beschlüsse des Reichsrats[900] und des Reichstags ausgefüllt wird, ist für das Rechnungsjahr 1930 der Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben der Reichsanstalt hergestellt. Aus diesem Grunde ist nicht zu ersehen, warum ein Darlehen gemäß § 163 AVAVG und noch dazu in der Höhe von 100 Millionen RM in den Reichshaushalt 1930 eingestellt werden soll. Die Einstellung eines solchen Betrages könnte in der Öffentlichkeit geradezu den Eindruck hervorrufen, als ob die Reichsregierung trotz der Reform der Arbeitslosenversicherung das finanzielle Gleichgewicht nicht für hergestellt erachtet. Ein solcher Eindruck muß selbstverständlich unter allen Umständen vermieden werden. Wie mein Vertreter bei den Verhandlungen über die Reform der Arbeitslosenversicherung wiederholt ausgeführt hat, darf in Zukunft auf eine Inanspruchnahme des Reiches für Zwecke der Arbeitslosenversicherung nur noch in ganz außergewöhnlichen Fällen (Katastrophen) gerechnet werden. Der Eintritt solcher außergewöhnlicher Fälle kann weder vorausgesehen werden, noch ist es möglich, im voraus einen Betrag anzugeben, der etwa für den Fall eines solchen außergewöhnlichen Ereignisses als Darlehen an die Reichsanstalt gegeben werden müßte. Wenn daher in den Reichshaushalt 1930 überhaupt ein Titel „Darlehen an die Reichsanstalt“ eingesetzt werden sollte, so kann es sich nur um einen Leertitel handeln. Ob dieser Leertitel in den außerordentlichen oder in den ordentlichen Haushalt einzusetzen ist, darf der Erwägung zu gegebener Zeit vorbehalten bleiben2.

Abschrift dieses Schreibens habe ich dem Herrn Staatssekretär in der Reichskanzlei, sämtlichen Herren Reichsministern sowie dem Herrn Reichssparkommissar übersandt.

In Vertretung

gez. Popitz

Fußnoten

1

Zum Inhalt des Schreibens des RArbM vom 17. 8. siehe Dok. Nr. 274, Anm. 2.

2

Hierauf erwiderte RArbM, ihn überzeuge die Argumentation nicht. Es sei erforderlich, daß in den Haushalt für 1930 ein Darlehen für die Reichsanstalt eingesetzt werde, sonst bestehe die Gefahr, daß erneut Angriffe gegen die Etatspolitik vorgebracht würden. Auf Grund der Abstimmung im RT am 3. 10. erhöhe er seine Darlehensforderung von 100 Mio RM auf 234 Mio RM. Eine Verringerung des Darlehens sei möglich, wenn die Veränderung der ALV in Richtung einer „geldlichen Entlastung“ der Reichsanstalt führe. „Da aber Art und finanzielle Bedeutung der etwa noch eintretenden Änderung völlig ungewiß ist, wird man einstweilen von der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung ausgehen müssen“ (14. 10.; R 43 I /2036 , Bl. 353 f., hier: Bl. 353 f.).

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