2.137 (feh1p): Nr. 137 Das Bayerische Ministerium des Äußern an den Reichskanzler. München, 14. Dezember 1920

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Nr. 137
Das Bayerische Ministerium des Äußern an den Reichskanzler. München, 14. Dezember 1920

R 43 I /609 , Bl. 174

[Betrifft: Bayerische Änderungsanträge zum Entwurf des Wehrgesetzes]1

Die Bayerische Staatsregierung hatte zum Entwurf des Reichswehrgesetzes (Reichsratsdrucksache Nr. 293) verschiedene Anträge gestellt2, die auf der Weimarer Vereinbarung beruhten3.

[352] Nach den Berichten der Bayerischen Gesandtschaft sind diese Anträge in den zuständigen Reichsratsausschüssen in der 1. Lesung zum Teil überhaupt nicht angenommen worden, zum Teil wurden sie durch Zusätze und Einschränkungen derart verwässert, daß sie in ihrer praktischen Auswirkung nahezu wertlos werden4.

Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Angelegenheit und auf die am 18. Dezember stattfindende 2. Lesung im Reichsrat ist der bayerische Ministerrat heute zur Beratung zusammengetreten und hat folgende Stellung eingenommen:

Soviel der Bayerischen Regierung bekannt wurde, erkennt die Reichsregierung nur eine moralische, keine rechtliche Bindung zur Beachtung der Weimarer Vereinbarungen an, da nicht sie, sondern eine frühere, politisch anders zusammengesetzte Reichsregierung die Vereinbarung abgeschlossen hat.

Der Ministerrat vermag dieser Auffassung nicht beizutreten. Bei der Weimarer Vereinbarung handelt es sich um ein zwischen der Reichsregierung und der Bayer. Regierung abgeschlossenes Übereinkommen, das die Voraussetzung für die Zustimmung Bayerns zu der Aufgabe seines Militär-Reservatrechtes war. Es wird kaum zu bestreiten sein, daß infolge des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes der Rechtskontinuität von Verträgen, die eine Regierung abgeschlossen hat, auch die nachfolgende ohne weiteres binden. Die Bayerische Regierung hat also einen rechtlichen, nicht nur einen moralischen Anspruch darauf, daß die Weimarer Vereinbarungen in den Entwurf des Reichswehrgesetzes ohne jede Änderung übernommen werden.

Auch für den Reichstag besteht zum mindesten eine moralische Bindung insofern, als seine Vorgängerin, die Nationalversammlung, in Kenntnis dieser Vereinbarungen und ohne gegen sie Widerspruch zu erheben, dem Art. 79 der Reichsverfassung zustimmte.

Die Bayerische Regierung wird zur 2. Lesung im Reichsrat die beiden Anträge nochmals stellen, daß der bayer. Landeskommandant zugleich Befehlshaber des Bayer. Verbandes ist und daß der bayerische Anteil einen in sich geschlossenen Verband unter einheitlicher Führung bildet, und zwar ohne die in der 1. Lesung beschlossene Einschränkung5.

Im Auftrag des bayer. Gesamtministeriums beehre ich mich, die Reichsregierung auf die Wichtigkeit der beiden Anträge mit allem Nachdruck hinzuweisen[353] und sie dringend zu ersuchen, von der Weimarer Vereinbarung nicht einseitig abzuweichen6.

I. V.

Dr. Matt

Fußnoten

1

Zu dem Entw. eines Wehrgesetzes und zu den Verhandlungen im Kabinett s. Dok. Nr. 102, P. 6 und Dok. Nr. 104, P. 1.

2

Über diese Anträge war in R 43 I nichts zu ermitteln. Sie betrafen offenbar die Bestimmungen des Wehrgesetzentw., daß der Landeskommandant in Bayern zugleich Befehlshaber des bayer. Verbandes sein sollte und daß der bayer. Anteil einen geschlossenen Verband unter einheitlicher Führung bilden sollte. Siehe dazu auch u. Anm. 5.

3

Zur „Weimarer Vereinbarung“ s. Dok. Nr. 102, Anm. 10.

4

In der Sitzung des RR vom 13.11.1920 war der Entw. eines Wehrgesetzes zur Beratung an den IX., X., V., III. und VII. Ausschuß des RR überwiesen worden (RR-Niederschriften, Jg. 1920, § 1044 b).

Über die Ausschußberatungen des RR ließ sich in R 43 I nichts ermitteln.

5

Es handelte sich hier um den § 10 Abs. 2 und den § 12 Abs. 1 Satz 2 des Wehrgesetzentw.

§ 10 Abs. 2 des GesEntw. lautete: „Der Landeskommandant in Bayern ist zugleich Befehlshaber des bayerischen Verbandes. Ausnahmen sind im Einvernehmen mit der bayerischen Landesregierung zulässig“, und im § 12 Abs. 1 Satz 2 des GesEntw. hieß es: „Der bayerische Anteil bildet hierbei einen in sich geschlossenen Verband des Reichsheeres unter einheitlicher Führung. Ausnahmen regelt der Reichspräsident im Einvernehmen mit der Bayerischen Landesregierung.“

Der Wortlaut der bayer. Anträge war in R 43 I nicht zu ermitteln. Zu der Einschränkung des § 12 Abs. 1 Satz 2 des GesEntw. s. RT-Drucks. Nr. 1330, Bd. 365 .

6

Siehe dazu weiter Dok. Nr. 151, P. 6.

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