2.91 (vpa1p): Nr. 90 Ministerialdirektor Brecht an den Reichskanzler. 28. Juli 1932

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[336] Nr. 90
Ministerialdirektor Brecht an den Reichskanzler. 28. Juli 19321

R 43 I /2280 , S. 494–4952

[Entlassung aus dem Amt des preußischen Bevollmächtigten zum Reichsrat]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Ihr Telegramm vom 28. 7.3 mit der Mitteilung meiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand4 habe ich erhalten und unter Vorbehalt der Rechtsfrage von dem Inhalt Kenntnis genommen.

Meine Amtsgeschäfte in meinem Nebenamt im Preußischen Finanzministerium habe ich heute morgen meinem Stellvertreter übergeben.

Die Amtsgeschäfte meines Hauptamtes als Bevollmächtigter zum Reichsrat kann nach meiner nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommenen Prüfung der Herr Reichskanzler mir weder als solcher noch auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung als Reichskommissar abnehmen. Während es im allgemeinen nicht Sache des Beamten ist, dem Befehl eines Vorgesetzten zu widersprechen, ist es in diesem besonderen Falle Pflicht des Beamten zu prüfen, ob der, der ihm den Befehl erteilt, sein Vorgesetzter oder sonst zur Erteilung von Befehlen an ihn befugt ist. Die Prüfungspflicht gilt in den Fällen des Artikel 48 nur in ganz wenigen Fragen, dazu gehört aber gerade die Zugehörigkeit zum Reichsrat (Brauchitsch, Verwaltungsgesetze für Preußen, 22. Auflage 1932, Bd. II, Halbb. 1, S. 387, Anmerkung 7 e zu Artikel 48 und S. 384, Anmerkung 4 nebst Zitaten). Ich bin daher zu meinem lebhaften Bedauern in die für einen Beamten überaus peinliche Lage versetzt worden, nach meinem besten Wissen und Gewissen zu entscheiden, ob Ihre Anweisung oder die der Staatsminister für mich gültig ist. Gerade dies ist in dieser Frage meine verfassungsmäßig beschworene Dienstpflicht.

Für eine Personalunion und für eine engere Verbindung von Reich und Preußen bin ich seit Jahren nach Kräften eingetreten. Ich halte dies nach wie vor für ein gesundes und erstrebenswertes Ziel. Ich glaube aber mit dem Herrn Reichspräsidenten und mit Ihnen, Herr Reichskanzler, darin einig zu sein, daß[337] bei der Herbeiführung dieses Zieles die Grenzen der Reichsverfassung gewahrt werden müssen. Jedenfalls ändern diese politischen Wünsche nichts an meinen verfassungsmäßigen Dienstpflichten.

Ich bin ferner Mitglied und in Vertretung des erkrankten Präsidenten Sämisch zur Zeit stellvertretender Vorsitzender des Reichsschuldenausschusses. Auch diese Geschäfte kann ich nicht übertragen, da ich zum Mitglied des Reichsschuldenausschusses vom Reichsrat bestellt worden bin.

In ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebener

Brecht

Fußnoten

1

Abgedr. bei Brecht, Mit der Kraft des Geistes, S. 178 f. Eine Abschrift dieses – auch in der Presse (z. B. „Vorwärts“ vom 29. 7., Ausschnitt in R 43 I /2280 , S. 496) veröffentlichten – Schreibens sandte Brecht an den RPräs., indem er u. a. hinzufügte: „Nach Ihrer hohen Auffassung des Amtes als Reichspräsident bin ich überzeugt, das Sie selbst es von mir verlangen, auch in einem solchen Falle die Pflichten zu erfüllen, die mir die Reichsverfassung auferlegt.“ Zweck dieses Schreibens sei nicht nur Rechtfertigung gegenüber dem RPräs. gewesen, sondern auch die Absicht, „Hindenburgs Gewissen hinsichtlich der Vermeidung von Verfassungsverletzungen zu schärfen. Ich hatte Grund zu vermuten, was spätere Ereignisse bestätigt haben, daß diese Frage sein Gewissen zunehmend belastete.“ (Brecht ebd., S. 180).

2

Am Kopf des Schreibens verfügte StS Planck mit Datum vom 29. 7.: „Keine Antwort“.

3

Randvermerk hierzu: „nicht bei Rkei“.

4

Beschlossen in den Sitzungen des PrStMin. am 22. und 27. 7. (Dok. Nr. 80 und 87).

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