2.103.1 (vpa1p): [Anlage]

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 6). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett von Papen Band 1Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

Extras:

 

Text

RTF

[Anlage]

Besprechung in der Reichskanzlei am 13.8.32.

Dauer insgesamt von 16.15 Uhr bis 16.35 Uhr.

Anwesende:

Reichspräsident

Adolf Hitler

Reichskanzler von Papen

Minister Dr. Frick

Staatssekretär Dr. Meißner

Stabschef Röhm.

Der Reichspräsident begrüßt Adolf Hitler und seine Begleiter und eröffnet die Unterredung:

„Herr Hitler, ich habe Sie zu mir gebeten, um Ihnen ganz offiziell die einfache Frage vorzulegen: Sind Sie bereit, sich zur Mitarbeit an der Regierung zur Verfügung zu stellen?“

Hitler: „Ich habe schon dem Herrn Reichskanzler eingehend die Gründe auseinandergesetzt, die es mir und der Partei unmöglich machen, in eine Regierung einzutreten, in der nicht wir die Führung haben.“

[394] Reichspräsident: „Sie verlangen damit also die gesamte Regierung?“

Hitler: „Das ist damit nicht gesagt. Über die weitere Zusammensetzung des Kabinetts müßten natürlich noch Verhandlungen gepflogen werden, die nicht von heute auf morgen zu beenden sind.“

Reichspräsident: „Das kann ich in meiner Eigenschaft als überparteilicher Reichspräsident nicht zugeben. Ich muß mein Amt unparteiisch ausüben. Auch innen- und außenpolitische Gründe sprechen dagegen4. Im übrigen bin ich Ihnen doch weitestgehend entgegengekommen. Ich habe meine Versprechen eingelöst, den Reichstag aufgelöst, das Verbot der SA aufgehoben und Ihnen wieder die Uniform gegeben. Wenn Sie mir jetzt sagen, daß Sie Ihr Versprechen, die Regierung auch nach den Wahlen zu stützen5, nicht halten wollen, so nehme ich Ihnen das nicht übel, weil ich einsehe, daß Sie sich durch Tatsachen dazu gezwungen fühlen können. Wenn noch immer Terrorakte stattfinden, so sind doch auch Terrorakte durch die SA verübt worden. Ich will damit nicht sagen, daß Sie dafür verantwortlich sind.“

Reichspräsident von Hindenburg fährt fort: „Eigentlich wäre ja damit die Unterredung schon beendet. Mein Standpunkt ist also eindeutig und fest. Ich halte Sie aber auch jetzt trotzdem für vaterlandsliebend, wenn auch unsere Wege jetzt auseinandergehen. Sie wollen nun, wie ich höre, in die Opposition treten. Ich nehme Ihnen das nicht übel, bitte Sie aber, diesen Kampf ritterlich zu führen.

Ich reiche Ihnen auch jetzt noch einmal als einem alten Kriegskameraden die Hand.“

Adolf Hitler und die übrigen Herren hatten sich unterdes schon von ihren Sitzen erhoben und verabschiedeten sich vom Reichspräsidenten. Sofort anschließend daran fand im Flur der Reichskanzlei eine weitere kurze Aussprache zwischen Adolf Hitler und seinen Herren und Herrn von Papen und Herrn Meißner statt.

Adolf Hitler: „Herr Reichskanzler, ich habe gebeten, daß ich zu dieser Unterredung nur geladen werde, wenn zumindest noch keine Entscheidung getroffen ist. Wie kommt der Staatssekretär Planck dazu, Herrn Minister Dr. Frick zu versichern, daß eine solche Entscheidung noch nicht gefallen sei, während tatsächlich der Beschluß bereits gefaßt war?“6

[395] Der Reichskanzler darauf verlegen: „Das kann nur ein Mißverständnis sein.“

Meißner: „Ich dachte, Herr Hitler, Sie würden dem Reichspräsidenten noch einmal all die Gründe darlegen.“

Hitler: „Das war garnicht möglich, da ja der Herr Reichspräsident sofort betonte, daß sein Entschluß feststehe. Ich hätte dem Herrn Reichspräsidenten sonst ja auch erwidert, daß ein Versprechen, die Regierung nach den Wahlen zu tolerieren, nie abgegeben worden ist, sondern daß ich auf den von Ihnen, Herr Meißner, selbst gebrachten Einwand, daß ja nach der Wahl das Kabinett durch ein oder zwei Minister ergänzt werden könnte, erwiderte, daß auch nach der Wahl die national-sozialistische Partei eine Regierung tolerieren könne, die unseren Interessen entsprechend tätig ist.

Ich habe übrigens auch General Schleicher eindeutig erklärt, daß eine Tolerierung nur infrage kommen könne, wenn uns die Regierung eine solche Tolerierung ermögliche.“

Staatssekretär Meißner erklärt darauf: „Das ist möglich. Wir haben geglaubt, das als eine Art Versprechen auffassen zu können.“

Hitler: „Davon konnte keine Rede sein.“7

Reichskanzler: „Ich bin tief bewegt über diesen Ausgang, der für Deutschland von den schwersten Folgen sein kann.“8

Hitler: „Ich muß natürlich jetzt in Opposition zu Ihrer Regierung treten, denn die Art, wie Sie bisher regiert haben, hat dem Marxismus, wie ich schon betonte, mindestens zwei bis drei Millionen Stimmen wieder zurückgerettet9. Und wenn so weiter regiert wird, kann im Winter der Marxismus nicht nur ziffernmäßig, sondern auch innerlich wieder erstarkt sein.

Wie wollen Sie denn überhaupt regieren? Glaubt die Regierung, daß sie mit diesem Reichstag arbeiten kann?“

Von Papen (mit überlegener Handbewegung): „Ach, der Reichstag! Ich wundere mich, daß grade Sie noch auf den Reichstag einen Wert legen. Ich werde jedenfalls die staatlichen Machtmittel gleichmäßig scharf sowohl gegen rechts wie gegen links einsetzen.“

Dr. Frick: „Herr Reichskanzler, Sie wollen also eine Militärdiktatur ohne jede Resonnanz im Volke aufrichten?“

Reichskanzler Papen: „Ja, wenn Sie in die Regierung eingetreten wären, in drei Wochen wären Sie ohnehin dort gewesen, wohin Sie heute wollten.“

[396] Die Unterredung fand damit ihren Abschluß. Die Herren verabschiedeten sich und gingen auseinander.

Röhm

Frick

Adolf Hitler

Fußnoten

4

Dieser Satz nachträglich mit Schreibmaschine eingefügt.

5

Bezieht sich vermutlich auf die Unterredung Hindenburgs mit Hitler am 30.5.32. Über Verlauf und Ergebnis vgl. Meissners Aktennotiz vom 31. 5., abgedr. bei Hubatsch, Hindenburg und der Staat, Dok. Nr. 84.

6

Über diesen Vorgang „VB“ am 17. 8. u.a.: „Zwanzig Minuten vor 4 Uhr [nachmittags am 13. 8.] wurde von der Reichskanzlei angerufen und gebeten, der Führer möchte dennoch zum Reichspräsidenten kommen. Staatsminister Frick, der das Gespräch abnahm, frug den Staatssekretär der Reichskanzlei nunmehr ausdrücklich, ob entsprechend der Forderung des Führers ein Entscheid bereits vorliege, da dieser in diesem Falle keine Veranlassung sehe, auch durch seine Mitwirkung die Verantwortung des Kabinetts auf andere Schultern überladen zu helfen. Und hier setzt ein Vorgang ein, den jeder für sich selbst beurteilen mag. Staatsminister Frick erhielt den Bescheid, daß ein Entschluß des Reichspräsidenten noch nicht gefaßt sei. Zwei Stunden später war festgestellt, daß 15 Minuten vorher dieselbe Reichskanzlei bereits der Presse mitteilte, die Entscheidung sei bereits gefallen und dem Besuch des Führers beim Reichspräsidenten komme nur mehr formale Bedeutung bei.“

7

Vgl. demgegenüber die Ausführungen des RK in der Ministerbesprechung vom 15. 8. (Dok. Nr. 104, P. 1) und die Aufzeichnung der Wehrmachtabteilung des RWeMin. vom 16.9.32 über den „Treubruch der nationalsozialistischen Führung“, in der – unter Hinweis auf eine „ganze Anzahl Zeugen“ – betont wird, Hitler habe unmittelbar vor der Bildung des Papen-Kabinetts dem RPräs. versichert, „daß die nationalsozialistische Führung ein Präsidial-Kabinett während der Wahlen tolerieren würde.“ Außerdem habe er „für die Zeit nach den Wahlen zugesagt, das Präsidial-Kabinett nicht nur zu tolerieren, sondern sogar zu unterstützen, ohne an seine Zusage Bedingungen für die Beteiligung seiner Partei zu knüpfen“ (Abdruck bei Vogelsang, Zur Politik Schleichers gegenüber der NSDAP 1932, in: VfZG 6 (1958), S. 102–104.

8

In diesem Zusammenhang Planck gegenüber Pünder am 17. 8. u. a.: Nach der „völligen Absage der Nazis“ sei „einer der wesentlichsten Gründe der Bildung der Reichsregierung von Papen illusorisch geworden“ (Pünder, Politik in der Reichskanzlei, S. 140, Tagebucheintragung vom 18.8.32).

9

So Hitler gegenüber Papen bei ihrer Unterredung am Vormittag des des 13. 8. Vgl. die Mitteilungen des RK in der Ministerbesprechung am 15. 8. (Dok. Nr. 104, P. 1).

Extras (Fußzeile):