2.4.1 (feh1p): Verhandlung in Spa.

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Verhandlung in Spa1.

1

Vgl. dazu insgesamt Dok. Nr. 1

Die Ausarbeitung Melchiors bildet eigentlich die Grundlage dieser Chefbesprechung, ohne daß sein Name jedoch in der endgültigen Fassung des Protokolls genannt wurde. Siehe u. Anm. 5 und 7.

Reichsminister des Auswärtigen Dr. Simons: Es sei daran gedacht, bei den Verhandlungen in Spa ein festes Angebot über die Höhe der Wiedergutmachungssumme zu machen. Er halte es jedoch nicht für empfehlenswert, daß der Kanzler selbst dieses Angebot mache. Es erscheine ihm zweckmäßiger, wenn ein präzisiertes Angebot in einer Kommissionssitzung gemacht würde, wobei dann gleichzeitig die Begründung zu geben sei. Um das Angebot verständlich zu machen, halte er es für nötig, das Denkschriftenmaterial mit den fremdsprachigen Übersetzungen möglichst noch heute abend an den Hohen Rat und die einzelnen Gegner zu senden; es sei sonst eine ungünstige Stimmung zu befürchten, wenn das Material verspätet einginge2.

2

Zu den Denkschriften s. Dok. Nr. 1, Anm. 3

Die Denkschriften wurden den an der Konferenz beteiligten Regierungen am 1. 7. überreicht (RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363, S. 5 ).

Von bestimmter Seite sei vorgeschlagen, garantierte Annuitäten mit der Versprechung anzubieten, die Alliierten an einer etwaigen Besserung des deutschen Wirtschaftslebens teilnehmen zu lassen3, aber unter Einhaltung der festzulegenden Gesamtsumme. Die Annuitäten dürften nicht reine Barzahlungen sein, sondern mindestens teilweise Sachleistungen, die zum Weltmarktpreis anzurechnen seien.

3

Vgl. Dok. Nr. 1, Anm. 16.

Auf Kohlenlieferungen dürften die Inlandspreise nur so lange angesetzt werden, bis die zerstörten französischen Gruben wiederhergestellt seien4.

4

Nach § 6 der Anlage V zu Teil VIII VV war Deutschland verpflichtet, die durch den Vertrag vorgeschriebenen Kohlenmengen zu Inlandspreisen zu liefern. Hinzugerechnet werden konnten lediglich noch die Frachtkosten bis zur jeweiligen Grenze.

Nach § 2 der Anlage V zu Teil VIII VV hatte Deutschland gleichzeitig die Verpflichtung, die während des Krieges zerstörten und beschädigten nordfrz. Bergwerke aufs schnellste wieder instandzusetzen.

[15] Eine Geldleistung sei nur in der Form für möglich erklärt, daß man die Schulden Frankreichs übernähme5. Er, der Minister, glaube allerdings nicht, daß wir hiermit durchdringen würden.

5

Dieser Satz lautete ursprünglich: „Melchior habe eine Geldleistung nur in der Form für möglich erklärt, daß man die Schulden Frankreichs übernähme.“ MinR Kempner verbesserte diesen Satz handschriftlich, so daß er die oben abgedruckte Fassung erhielt. Eine Begründung für diese Änderung ließ sich in R 43 I nicht ermitteln.

Zwei Möglichkeiten seien nach Ansicht jener Sachverständigen nur gegeben: entweder überhaupt kein bestimmtes Angebot zu machen oder ein solches, das Annuitäten von mindestens 1 Milliarde Goldmark vorsähe. Eine solche Leistung sei jedoch nur dann möglich, wenn die Kosten der Besatzungsarmee auf die Annuitäten genommen würden.

Es sei ferner vorgeschlagen worden, Zahlungen an Belgien gesondert zu versprechen, desgleichen die Restitutionen. Gegen dies letztere hätten sich jedoch alle Ressorts gewandt, damit die überaus lästige Tätigkeit der fremdländischen Kommissionen endlich zum Abschluß käme6.

6

Zur Restitutionsverpflichtung s. Dok. Nr. 1, Anm. 9. Zur Überwachung der Restitutionen waren verschiedene all. Kommissionen eingesetzt worden.

Der Minister betont nochmals die Notwendigkeit, auf die Festsetzung einer Höchstsumme hinzuweisen.

Reichsminister der Finanzen Dr. Wirth kann die vorgetragenen Vorschläge und ihre Wirkungen noch nicht übersehen, da er sie erst vor wenigen Minuten kennengelernt hätte7.

7

Dieser Satz lautete ursprünglich: „Reichsminister der Finanzen Wirth kann die Vorschläge Herrn Melchiors und ihre Wirkungen noch nicht übersehen, da er sie erst vor wenigen Minuten kennengelernt hätte.“ MinR Kempner verbesserte diesen Satz in die im Dokument abgedruckte Fassung. Siehe auch o. Anm. 5.

Wenn wir in der großen Verhandlung ein Angebot nicht machten, so beraubten wir uns eines großen Effekts. Bei jedem Angebot handle es sich um ein großes Wagnis, dieses müßten wir in besonders feierlicher Form auf uns nehmen.

Ihm scheine Einigkeit zu herrschen, daß erstens ein bestimmtes Angebot zu machen sei, welches zweitens an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen sei.

Die Finanzlage habe sich in letzter Zeit erheblich verschärft, worauf er in diesen Tagen im Reichstag deutlich hinweisen werde8.

8

Dies geschah am 1.7.1920, RT-Bd. 344, S. 88  f.

Er empfehle, zunächst nur Sachleistungen anzubieten. Geldleistungen zu garantieren, würde von vielen Seiten für verhängnisvoll erachtet. Wir müßten vorwiegend in Kohle anbieten und in Kohle zahlen und hierbei sofort die Weltmarktpreise ansetzen.

Reichsernährungsminister Dr. Hermes: Auch er sei der Ansicht, daß das Angebot an Voraussetzungen geknüpft werden müsse, wobei jedoch vorsichtig zu verfahren sei. In den genannten Voraussetzungen vermisse er eine, nämlich die, welche die Ernährungsfrage betrifft. Es sei darauf hinzuweisen, daß die befriedigende Lösung der Ernährungsfrage die erste Voraussetzung jeder Wiedergutmachung sei9. In England sei diese Erkenntnis bereits wach geworden.

9

Am 1. und 2.7.1920 fanden daraufhin zwei Chefbesprechungen über Ernährungsfragen im Zusammenhang mit der Konferenz von Spa statt. Protokolle dieser Sitzungen wurden nach Angabe MinR Kempners nicht angefertigt (R 43 I /1345 , Bl. 89 u. 90).

[16] Reichswirtschaftsminister Dr. Scholz schlägt vor, zwei verschiedene Angebote mit subtiler Berechnung bereitzuhalten, je nachdem Oberschlesien bei Deutschland verbleibt oder nicht. Bei der Kohle müßte der Weltmarktpreis angesetzt werden. Zweifelhaft sei, ob das Angebot an so viele verschiedene Voraussetzungen geknüpft werden sollte. Bei der Entente würde dann leicht der Gedanke entstehen, daß Deutschland noch nicht eingesehen habe, daß es geschlagen sei. Außerdem sei zu befürchten, daß, wenn diese Bedingungen in Spa ausdrücklich abgelehnt würden, hiermit eine endgültige Entscheidung dieser Fragen gegeben sei.

Zu prüfen sei, ob nicht zweckmäßig steigende Annuitäten angeboten werden sollten.

Es wird beschlossen, die Besprechung der sachlichen Frage auf den 30. Juni, 8 Uhr früh, im Reichskanzlerhause zu vertagen10.

10

Siehe dazu Dok. Nr. 6.

In der Personenfrage herrscht Einigkeit, daß, wenn die Regierungschefs der Ententemächte nach Spa gingen, die deutsche Delegation vom Reichskanzler geführt werden müsse. Weiter herrscht Einigkeit, daß die Minister des Äußeren, der Finanzen, der Ernährung und der Wirtschaft sowie für den noch fehlenden Wiederaufbauminister der Staatssekretär Müller nach Spa gehen müssen. Die Ressorts sollen dem Auswärtigen Amt die Herren schriftlich benennen, die sie nach Spa mitzunehmen gedenken. Die Zahl dieser Personen sei möglichst einzuschränken11.

11

Zu der dt. Delegation auf der Konferenz von Spa gehörten dann schließlich der RK, die Minister Simons, Wirth, Hermes, Geßler, Scholz, zeitweise auch RJM Heinze, die StS Albert, Bergmann, Schroeder, Müller, General von Seeckt, die MinDir. v. Stockhammern, v. Simson und v. Le Suire, die MinR Merz, Ruppel und Beusch, die Sachverständigen Melchior und Prof. Bonn, Staatsrat v. Meinel von der bayer. Regierung und MinR v. Flotow von der pr. Regierung sowie eine Reihe von Beamten aus dem AA, dem RWiMin., dem RFMin. und dem RWeMin. Eine vollständige Liste der dt. Teilnehmer findet sich in R 43 I /402 , Bl. 22.

Siehe dazu auch Schultheß 1920, I, S. 197.

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