1.24 (bru3p): Nr. 538 Chefbesprechung vom 4. November 1931, 17 Uhr

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RTF

Nr. 538
Chefbesprechung vom 4. November 1931, 17 Uhr

R 43 I /1811 , Bl. 52–53

Anwesend: Dietrich, Joël, Warmbold, Treviranus, Schlange-Schöningen; MinDir. Dammann, Reichardt, Wachsmann; Dir. Nötzel; MinR Reichard, Wölz, Ronde, Quassowski, Koehler; Protokoll: MinR Feßler

Der Reichsminister der Finanzen ging die einzelnen Bestimmungen der Vorlage durch und erläuterte sie1.

1

Vgl. zur Vorlage Dok. Nr. 537, Anm. 1.

Wegen der Bürgschaften, die das Reich übernehmen soll, wurde festgestellt, daß die 850 Millionen in § 18 des Osthilfegesetzes nicht in Frage kommen. Die Bürgschaften würden nicht über 250 Millionen hinausgehen (§ 17 des Osthilfegesetzes). Ablösungsscheine seien noch nicht ausgegeben2. Die Rentenbank und die Preußenkasse seien bereit, für 30 MioRM davon hereinzunehmen, hätten aber noch keine wesentlichen Mengen übernommen. Die Verwertung der Verpflichtungsscheine[1909] werde schwierig sein; auch sie seien noch nicht ausgegeben worden. Es sei aber beabsichtigt, die Gläubiger zu ¾ ihrer Forderung mit diesen Scheinen und zu ¼ in bar abzufinden. Dabei wurde festgestellt, daß die Gelder der Bank für Industrieobligationen nur zur Umschuldung oder Entschuldung verwendet werden können, nicht aber als Zuschüsse bei Akkorden. Dafür seien die Betriebsmittel vorgesehen in Höhe von insgesamt 90 Millionen, von denen noch 49 Millionen zur Verfügung ständen. Ein Teil dieser Gelder sei zur Ermöglichung der Zinszahlungen an Landschaften geflossen, ohne daß der Reichsminister der Finanzen rechtzeitig Kenntnis erhalten habe.

2

§ 17 des OsthilfeGes. vom 31.3.31 ermächtigte den RFM, Bürgschaften in Höhe von 250 MioRM für die Gewährung von Entschuldungsdarlehen zu übernehmen; § 18 begrenzte die Ermächtigung des RFM für Ausfallbürgschaften zugunsten von Entschuldungsdarlehen auf 850 MioRM. Nach § 17 Abs. 2 konnten Bürgschaften bis zu 100 MioRM auch für die Einlösung verzinslicher Verpflichtungsscheine zentraler Kreditinstitute (Ablösungsscheine) mit fünfjähriger Laufzeit übernommen werden (RGBl. I, S. 117 , hier S. 119–120).

Der Abgeordnete Schlange-Schöningen führte folgendes aus: der vorgelegte Entwurf der Verordnung entspreche nicht den Auffassungen, die in der Unterredung zwischen dem Reichskanzler und dem Preußischen Ministerpräsidenten festgestellt worden seien3. Wenn er das Ostkommissariat übernehme, dann wolle er nicht durch einengende Bestimmungen gebunden sein. Er erbitte einen Erlaß, nach dem das Verhältnis zu Preußen im vereinbarten Sinne neu geregelt würde und ihm die Ermächtigung gegeben werde, die geltenden Bestimmungen entsprechend den Bedürfnissen der Lage abzuändern. Die Landstellen sollten umgebaut und verkleinert werden. Es sei notwendig, dazu andere Kräfte heranzuziehen, die Verwaltung müsse mehr dezentralisiert werden als bisher. Auf Einzelheiten allerdings wolle er sich nicht einlassen. Verhandlungen mit Vertretern der Bank für Industrieobligationen hätten ergeben, daß diese die Verfügung über die Gelder behalten wolle, zumal ein Teil der Industrie die Einrichtung bekämpfe4. Er beabsichtige, die Bank einzuschalten und nicht zu verprellen.

3

Eine Aufzeichnung über die Besprechung zwischen dem RK und dem PrMinPräs. am 2.11.31 war in den Akten der Rkei nicht zu ermitteln. Vgl. aber Dok. Nr. 541, Anm. 5.

4

Vgl. Dok. Nr. 537, Anm. 19.

In einer Aussprache mit Reichsminister Treviranus hätte er dann die Fassung der Verordnung angenommen, die sich klar gegen die Bank wende. Er bitte aber nun, ihm die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Industriebank zu überlassen. Er werde versuchen, mit den geltenden Bestimmungen praktisch zu arbeiten und, soweit sich das nicht ermöglichen lasse, Anträge auf Abänderung durch Notverordnung stellen.

Nach längerer Aussprache hierüber, in der besonders klar gestellt wurde, daß der Reichskanzler ein Anweisungsrecht des Ostkommissars an die Industriebank in den Bestimmungen habe sichergestellt wissen wollen5, bestand Einverständnis darüber, daß Preußen aus der Beteiligung an der Osthilfe ausscheiden solle, und daß Bürgschaften in Höhe von rund 90 Millionen vom Reich übernommen werden6.[1910] Hierzu behielt sich der Reichsminister der Finanzen noch die endgültige Stellungnahme vor.

5

In einem Vermerk für StS Pünder hatte MinR Feßler „im Interesse einer straffen Durchführung der Osthilfe“ die Weisungsbefugnis des Osthilfekommissars gegenüber der Bank für Industrieobligationen gefordert. In rein kaufmännischen Angelegenheiten könne die Bank vorerst noch unabhängig entscheiden, doch habe der Osthilfekommissar im Einzelfall das Interventionsrecht gegenüber der Bank. Für Konfliktfälle sei eine oberste Entscheidungsinstanz unter dem Vorsitz des RFM vorzusehen. Jedenfalls müsse die Bank für Industrieobligationen von der RReg. abhängig bleiben und dürfe keinesfalls einen der Rbk irgendwie ähnlich souveränen Status erreichen. Auch bei den internen Regelungen der Bank müsse der RKom. ein entscheidendes Mitspracherecht haben, dazu zwinge schon der hohe Geschäftsbedarf der Bank (Vermerk vom 4.11.31, Nachl. Pünder  Nr. 113, Bl. 40). Vgl. auch Dok. Nr. 541, Anm. Nr. 2.

6

Siehe Dok. Nr. 541, Anm. Nr. 5.

In der Debatte hatte der Reichsminister der Justiz noch rechtliche Ausführungen darüber gemacht, daß das Gesetz keinesfalls durch einen Erlaß des Reichspräsidenten geändert werden könne, und daß es zum mindesten zweifelhaft sei, ob eine Delegation der Befugnisse des Reichspräsidenten an den Ostkommissar mit Artikel 48 der Reichsverfassung vereinbar wäre7.

7

Inwieweit die Ausführungen des RJM sich auf die Formulierungen des Erlasses des RPräs. über die Bestellung eines Rkom. für die Osthilfe vom 5. 11 und die NotVo. zur Sicherung der Osthilfe vom 6.11.31 (RGBl. 1931 I, S. 665 ) auswirkten, läßt sich aus den Akten der Rkei nicht feststellen.

Die endgültige Entscheidung wurde der Ministerbesprechung vom 5. November vorbehalten8.

8

Siehe Dok. Nr. 541, P. 1.

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