1.64 (bru3p): Nr. 578 Aufzeichnung des Oberregierungsrats Planck über den Besuch des Polnischen Gesandten beim Reichskanzler, 1. Dezember 1931, 12.30 Uhr

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[2030] Nr. 578
Aufzeichnung des Oberregierungsrats Planck über den Besuch des Polnischen Gesandten beim Reichskanzler, 1. Dezember 1931, 12.30 Uhr

R 43 I /126 , Bl. 6–7

Zu Beginn des Gesprächs versicherte der Polnische Gesandte dem Herrn Reichskanzler, daß es sein dringendstes Bestreben sei, die bedauerlichen Gegensätze, die noch immer zwischen Deutschland und Polen herrschten, beseitigen zu helfen.

Der Reichskanzler wies hier auf die Haltung der polnischen Presse hin unter besonderer Bezugnahme auf die jüngsten Erklärungen Lednickis1. Der Gesandte erwiderte hierauf, daß man die Pressestreitigkeiten vielleicht mildern könne, wenn ein deutsch-polnisches Pressekomitee gegründet würde, das in solchen Fällen durch gegenseitige Aussprache eine Verständigung erleichtern würde.

1

Der Präs. des poln. Zweiges des Paneuropa-Komitees, Alexander Lednicki, hatte in einem Gespräch mit der amerikanischen Zeitung Washington Star mitgeteilt, daß Polen den Korridor nie aufgeben werde, es sei aber bereit, mit Dtld. einen Nichtangriffspakt abzuschließen, wenn das Dt. Reich Ostpreußen völlig entmilitarisieren würde. Außerdem hatte Lednicki die zollfreie Einfuhr poln. Waren nach Ostpreußen vorgeschlagen, dann „würde sich dieses jetzt verkümmernde Gebiet bald erholen“ (WTB Nr. 2523 vom 30.11.31, R 43 I /126 , Bl. 3).

Der Gesandte kam dann auf die polnische Unzufriedenheit wegen des Ausbleibens der deutschen Ratifizierung des Handelsvertrages zu sprechen2.

2

Vgl. Dok. Nr. 24, Anm. 7.

Der Reichskanzler erwiderte, daß die Haltung beider Staaten hier ja etwas schwankend gewesen sei. Erst hätten die Polen nicht gewollt, jetzt die Deutschen3. Er sei aber bereit, in absehbarer Zeit noch einmal mit ihm über diese Dinge zu sprechen4. Herr Wysocki meinte, es gäbe doch noch verschiedene Mittel und Wege,[2031] um einen Teil der von Deutschland beanstandeten Dinge praktisch nicht wirksam werden zu lassen. So brauche doch zum Beispiel das Kohlenkontingent, wenn es von Deutschland offiziell zugestanden werden sollte, hinterher nicht voll eingekauft werden5.

3

Der poln. Sejm hatte den dt.-poln. Handelsvertrag am 12.3.31 mit 180 gegen 75 Stimmen angenommen (WTB Nr. 539 vom 12.3.31, R 43 I /1109 , Bl. 276). Gegen eine dt. Ratifizierung des Handelsvertrages hatten der Oberschlesische Berg- und Hüttenmännischer Verein am 20.4.31 und 3.11.31 und der Dt. Ostmarken-Verein am 2.7.31 protestiert (R 43 I /1109 , Bl. 280–291). Für die Inkraftsetzung des Handelsvertrags war die IHK Breslau in ihrem Telegramm vom 14.3.31 eingetreten (R 43 I /1109 , Bl. 272–273).

In einer Aufzeichnung vom 6.10.31 hatte Gesandter v. Moltke für eine Wiederaufnahme der dt.-poln. Wirtschaftsverhandlungen plädiert, da der Zollkrieg sich negativ auf die dt. Interessen auswirke. Zusammenfassend hatte Moltke ausgeführt: „Sollte aber aus innerpolitischen Erwägungen die Inkraftsetzung des Vertrages weder in seiner ursprünglichen noch in verbesserter Fassung möglich sein, so wird es sich auf jeden Fall empfehlen, den Polen eine Mitteilung zukommen zu lassen, aus der sie ersehen, daß die gegenwärtige vorhandene Unmöglichkeit der Inkraftsetzung des Vertrages auf gebieterische Notwendigkeiten der grundlegend veränderten deutschen Wirtschaftslage zurückzuführen ist, also auf Umstände, die außerhalb des guten und bösen Willens der Deutschen Regierung liegen, und daß durch diese uns selbst höchst unerwünschte Entwicklung unser Wunsch, sobald wie möglich zu einer Normalisierung der Beziehungen zu kommen, in keiner Weise berührt wird. Trotz des negativen Inhalts einer solchen Eröffnung würde ich mir hierdurch immerhin eine gewisse Auflockerung des gespannten Verhältnisses versprechen, während ein Totschweigen dieser von der Presse beider Länder fast täglich ventilierten Frage auf die Dauer nicht gut möglich erscheint“ (Durchschrift in R 43 I /1109 , Bl. 298–304, Zitat Bl. 304).

4

Nach Ausweis der „Tagesnotizen für Reichskanzler und Staatssekretär“ empfing der RK den poln. Gesandten Wysocki vor seinem Rücktritt nur am 29.2.32 um 17.30 Uhr wegen der Inkraftsetzung des dt. Zollobertarifs (vgl. Dok. Nr. 688, P. 7): Nachl. Pünder , Nr. 44, Bl. 93. Vgl. auch die Aufzeichnung ORegR Plancks über diese Unterredung in R 43 I /126 , Bl. 91–92.

5

Zur Handelspolitik gegenüber Polen siehe Dok. Nr. 698.

Der Reichskanzler ging auf diese Anregung nicht ein, da ihm ihre praktische Durchführbarkeit zweifelhaft war, und Herr Wysocki erwähnte weiter, man könne den Vertrag ja erst einmal ratifizieren, um ihn dann sofort zu kündigen und in neue Vertragsverhandlungen einzutreten. Es liege doch auch für Deutschland ein großes Interesse an der Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen mit Polen vor. Polen sei noch immer sehr aufnahmefähig für deutsche Maschinen, und wenn jetzt nicht einmal deutsche Ersatzteile hereinkämen, würden viele sich eben auf englische Maschinen umstellen müssen.

Der Gesandte kam dann auf die innerpolitische Lage Deutschlands zu sprechen und erkundigte sich danach, ob man denn wirklich mit Wahrscheinlichkeit auf eine Hitler-Regierung rechnen müsse6. Der Reichskanzler erklärte, daß diese Entwicklung nicht notwendig eintreten müsse, äußerte sich aber im übrigen über die Persönlichkeit Hitlers eher lobend. Hitler zeige in Wirklichkeit mehr Mäßigung als sein Ruf erwarten lasse. Schlimm sei nur das französische Spiel mit einer deutschen Rechtsregierung7. Der polnische Gesandte zeigte sich über die französische Haltung sehr unterrichtet. Er meinte, man halte in Frankreich die gegenwärtige Reichsregierung für schon so weit rechts verankert, daß ihre Forderungen vermutlich ebenso schlimm sein würden, wie die der ausgesprochenen Rechten. In Polen allerdings, meint Herr Wysocki, würde es sehr große Aufregung hervorrufen, wenn Hitler ans Ruder käme.

6

Anlaß zu dieser Frage war wahrscheinlich die Entdeckung der „Boxheimer Dokumente“: Dok. Nr. 572 und Dok. Nr. 574, P. 3.

7

Vgl. Dok. Nr. 540.

Es wurde schließlich noch vom Befinden des Marschalls Pilsudski gesprochen, das der Gesandte als befriedigend bezeichnete. Das Verhältnis Polens zu Rußland wurde nicht erwähnt.

Pl[anck]

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