Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung Band 22. 1969
herausgegeben für das Bundesarchiv von Michael Hollmann
bearbeitet Walter Naasner und Christoph Seemann
unter Mitwirkung von Christine Fabian und Uta Rössel
R. Oldenbourg Verlag München 2012
ISBN 978-3-486-71727-3
Nach Überwindung der Rezession und erfolgreicher Umsetzung wesentlicher Reformvorhaben wie der Notstandsgesetzgebung und der Finanz- und Haushaltsreform traten im Laufe des Jahres 1969 die inhaltlichen Gegensätze innerhalb der Großen Koalition wieder deutlicher hervor, etwa in der Diskussion über eine mögliche Aufwertung der DM. Ebenfalls mit unterschiedlichen Akzentsetzungen wurde im Kabinett beraten über Bedrohungen der demokratischen Staatsordnung von links durch die Studentenbewegung bzw. von rechts durch die NPD und rechtsextremistische Publikationen sowie über die Frage einer Verfolgungsverjährung für schwerste NS-Verbrechen. Auf außenpolitischem Gebiet standen nach wie vor die Unterzeichnung des Nichtverbreitungsabkommens und der Umgang mit den zunehmend erfolgreichen Anerkennungsbestrebungen der DDR gegenüber Staaten der Dritten Welt auf der Tagesordnung. Im Gefolge der Bundestagswahlen im Herbst 1969 vollzog sich nach 20 Jahren CDU-geführter Bundesregierungen mit der Bildung einer sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt ein „Machtwechsel“, der sich im selben Jahr bereits bei der Wahl Gustav Heinemanns zum Bundespräsidenten angekündigt hatte.