Text
Arbeit und Soziales
Der Entwurf eines Sechzehnten Rentenanpassungsgesetzes sah neben der Erhöhung der Altersrenten um 11,35% zum 1. Juli 1973 und der Unfallrenten um 9,1% zum 1. Jan. 1974 eine Modifizierung der Niveausicherungsklausel vor, die im vorangegangenen Jahr mit dem Rentenreformgesetz eingeführt worden war und eine Bemessung am vorausgeschätzten Wert des aktuellen durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts vorschrieb. Nach dem Entwurf waren zusätzliche Rentenanpassungen von der Bundesregierung erst dann zu prüfen, wenn das bei durchschnittlichem Einkommen und 40 Beitragsjahren erreichte Rentenniveau in zwei aufeinanderfolgenden Jahren 50% des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts des jeweils vorletzten Jahres unterschritt. Eine automatische Rentenanpassung, die künftig aufgrund der jeweiligen Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage erfolgen sollte, war zwar beabsichtigt, kam aber nicht zustande. 126 Im Zuge des Siebzehnten Rentenanpassungsgesetzes wurden Ende des Jahres 1973 Erhöhungen der Altersrenten um 11,2% zum 1. Juli 1974, der Unfallrenten um 11,6% zum 1. Jan. 1975 sowie der Altersgelder in der Altershilfe der Landwirte um 11,2% zum 1. Jan. 1975 auf den Weg der parlamentarischen Beratung gebracht. Den erforderlichen Gesetzentwurf zur Eingliederung der Altershilfe in das System der Rentendynamisierung hatte das Kabinett bereits im Mai 1973 verabschiedet. 127
Während es das Rentenreformgesetz zugelassen hatte, dass bei Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze neben dem Altersruhegeld ein voller Arbeitsverdienst bezogen werden konnte, sah der von den Bundestagsfraktionen der SPD und FDP vorgelegte Initiativentwurf eines Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vor, das bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres aus der Weiterbeschäftigung erzielte Arbeitseinkommen auf 30% der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu beschränken. Bei der parlamentarischen Behandlung setzten sich Bundestag und Bundesregierung letztlich über die Bedenken des Bundesrates hinweg, der den Entwurf als zustimmungsbedürftig betrachtete, sodass das Gesetz noch im März 1973 vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden konnte. 128
Weitere Maßnahmen im Bereich der Altersbezüge ergriff die Bundesregierung mit der Angleichung des Anpassungstermins für die Versorgungsbezüge der Kriegsopfer an die Rentenversicherung 129, Verbesserungen bei der betrieblichen Altersversorgung 130 und der Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft. 131
Auf der Grundlage des Wohnungsbauänderungsgesetzes 132 hatte die Bundesregierung bereits 1971 ein langfristiges Wohnungsbauprogramm auf den Weg gebracht, mit dem sie den sozialen Wohnungsbau unter Einbeziehung strukturpolitischer Aspekte zu fördern beabsichtigte. 133 Danach sollte der Bau von jährlich 250 000 mietpreisgünstigen Wohnungen in den Ländern durch zusätzliche Bundesmittel unterstützt werden. Als Folge der stabilitätspolitischen Maßnahmen stiegen jedoch mehrmals die Kapitalmarktzinsen, sodass die Baumaßnahmen wegen der gestiegenen Kosten nicht wie geplant umzusetzen waren. Von den ursprünglich geplanten 125 000 Sozialbauwohnungen konnten die Länder 1973 lediglich für etwa 75 000 Wohnungen Mittel bereitstellen. Um den Bau der restlichen 50 000 Wohnungen 1973 doch noch zu realisieren, beschloss das Kabinett, für ein Hypothekenvolumen in Höhe von 2,5 Milliarden DM über fünf Jahre hinweg das Zinsniveau von 10% auf 8,5% zu verbilligen und hierfür insgesamt 60 Millionen DM in den Bundeshaushalten der Folgejahre bereitzustellen. Allerdings verhinderten diese Zinssubventionen nicht, dass die Ergebnisse des geförderten Sozialwohnungsbaus nach einem vorübergehenden Anstieg letztlich hinter den gesteckten Zielen zurückblieben. 134
- 132
Gesetz vom 17. Dez. 1971 (BGBl. I 1993).
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Vgl. 64. Sitzung am 25. März 1971 TOP 2 (Kabinettsprotokolle 1971, S. 126).
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Vgl. 35. Sitzung am 17. Okt. 1973 TOP A und 40. Sitzung am 22. Nov. 1973 TOP 5.
Zu einer weiteren Intervention sah sich die Bundesregierung veranlasst, nachdem Zinsanpassungen bei zinsvariablen Hypotheken in einzelnen Fällen erhebliche Belastungserhöhungen im sozialen Wohnungsbaubestand nach sich gezogen hatten, was zu Mietsteigerungen von 70 DM pro Monat und mehr und folglich zu Unruhe unter den Betroffenen führte. Besonders stark waren die Auswirkungen in Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hessen und Berlin. Um für diese Folge der Hochzinsphase einen Ausgleich zu schaffen, schlug der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Hans-Jochen Vogel (SPD) die Gewährung von Aufwendungszuschüssen vor, für die der Bund den Ländern die Hälfte der anfallenden Kosten erstatten sollte. Obwohl Schmidt Bedenken erhob, da er u. a. präjudizierende Wirkungen für Forderungen anderer Gruppen wie der Wertpapiersparer befürchtete, beschloss das Kabinett eine entsprechende Erstattung für die Jahre 1974 und 1975. 135