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Ulbrich, Christel (1908-1996)

Nachlass
Stadtarchiv (StA) Bautzen

Biographische Angaben

Biographische Notiz
Charlotte Christine Thiermann, später verheiratete Ulbrich, wurde am 15. Oktober 1908 in Tharandt geboren. Ihr Vater, Georg Rudolf/ Rudolph Thiermann (1878 - 1954), war Aspirant an der Forstakademie. Später begleitete er das Amt des Oberförsters bzw. Forstmeisters. Am 4. August 1906 heiratete er Margarethe Susanne Müller (1883 - 1916). Das Ehepaar bekam 1914 eine zweite Tochter namens Ursula Dorothea. Der einzige gemeinsame Sohn Ralph Georg Thiermann, welcher 1912 geboren wurde, starb bereits 1913. Nach dem frühen Tod seiner Frau ging Rudolf/ Rudolph Thiermann 1918 eine neue Ehe mit Olga Elisabeth Grießbach (1891 - 1977) ein. Mit ihr hatte er den Sohn Johannes Georg Thiermann (1920 - 1943).
In den Jahren 1914 bis 1918 besuchte Christel Thiermann die Volksschule in Wolfsgrün, anschließend bis 1922 die Realschule in Eibenstock. Ihr Elternhaus war sehr musikalisch und sie lernte Klavier, Gitarre und Flöte. 1925 schloss sie die Realschule in Grimma ab.
Für die Ausbildung zur Kindergärtnerin und Hortnerin von 1926 bis 1928 ging Christel Thiermann an das Sozialpädagogische Frauenseminar Henriette Goldschmidt in Leipzig. Die praktischen Ausbildungsphasen fanden 1927 im städtischen Erholungs- und Kinderheim Marienhöhe in Eisenach und 1928 im Sächsischen Kinderheim Wiek auf Rügen statt. Während der Ausbildung nahm sie auch am Unterricht in der Bildungsanstalt von Hellerau in Dresden teil und lernte die rhythmische Arbeitsweise nach dem Schweizer Émile Jaques-Dalcroze kennen. Dies und auch der Kontakt zu dem Theologen und Philosophen Dr. Johannes Müller (1864 - 1949) auf Schloss Elmau ab 1929 prägten ihre Arbeit.
Als staatlich geprüfte Kindergärtnerin trat Christel Thiermann1928 ihre erste Stelle in Bautzen im Kindergarten von Ilse Dürbeck an. Dieser befand sich in der Gartenstraße 4 (heute Dr.-Ernst-Mucke-Straße). Nach der Heirat von Ilse Dürbeck übernahm Christel Thiermann die Leitung des Kindergartens. Zunächst zog dieser aus Platzgründen in die Kaeublerstraße 1 (sogenannte Schnabelsche Villa, heute Clara-Zetkin-Straße) und 1934 in die Wilhelmstraße 1 (Villa Weigang, heute Weigangstraße) um. Zwischenzeitlich besuchte Christel Thiermann nochmals das Sozialpädagogische Frauenseminar in Leipzig und erhielt den Abschluss als staatlich geprüfte Jugendleiterin. Neben ihrem Beruf begann sie öffentliche Laien-, Märchen- und Puppenspiele anzuleiten und betätigte sich im Kunstgewerbe. Für die Handpuppenspiele, welche Sie bis ins hohe Alter ausübte, fertigte sie selbst ihre Puppen an.
1938 heiratete Christel Thiermann den Maler und Bühnenbildner Max Walter Ulbrich. Sie wohnten ab 1939 in der Kriegersiedlung 45 (heute Erich-Weinert-Straße) und seit 1944 in der Wettinstraße 9 (heute Karl-Liebknecht-Straße). Aus der Ehe gingen die drei Kinder Hubertus Veit (1940 - 2003), Berta/ Bertha Almut, später verheiratete Jungnickel, und Johannes Friedemann (1944 - 1999) hervor.
Als der von Christel Ulbrich geleitete Kindergarten nach dem Zweiten Weltkrieg städtisch wurde, arbeitete sie zunächst im heimischen Kunstgewerbe. Über Dr. Paul Nedo vom Sorbischen Volksinstitut (heute Sorbisches Institut e.V.) wurde sie als Ausbilderin für Kindergärtnerinnen am sorbischen Lehrerbildungsinstitut tätig. Ab 1948 besaß sie zudem die Genehmigung zur musikalischen Früherziehung für Kinder, die sie privat unterrichtete. In den 1950er Jahren leitete Christel Ulbrich die Sparte Volkstanz im Kreis Bautzen beim Rat des Kreises, Abteilung Kultur- und Volkskunstkabinett und bildete im Haus der Jungpioniere, Abteilung Kunsterziehung, Hortner und Pionierleiter aus. Außerdem übernahm sie öffentliche Ämter bspw. als Mitglied im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund und in der Beratungskommission für Leistungsschauen.
Bis 1960 war sie Mentorin für Musik, Gymnastik und Tanz beim Ministerium für Volksbildung für Kindergärten, Horte und Heime in den Kreisen (Stadt- und Landgebiet) Bautzen und Bischofswerda. Parallel dazu betreute Christel Ulbrich ehrenamtlich auch die Arbeitsgemeinschaft Tanz.
Etwa um 1960 kam sie mit polizeilichen Behörden der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Konflikt. Ihre Tätigkeit für staatliche Einrichtungen war kaum mehr möglich. Aus diesem Grund arbeitete sie als freischaffende Tanzgruppenleiterin sowie Handpuppenspielerin vor allem für kirchliche Einrichtungen. Hierbei konnte sie ihre rhythmischen Konzeptionen weiterentwickeln. Diese "Tanztherapie" wurde von dem Gesundheits- und Sozialwesen der DDR anerkannt und sie wird als Wegbereiterin der Tanz- und Bewegungstherapie angesehen. Hintergrund für die Entwicklung ihrer Tanztherapie war auch der gesundheitliche Schicksalsschlag in der Kindheit Christel Ulbrichs: Schon im Alter von vier Jahren stellte man eine Verkrümmung der Wirbelsäule bei ihr fest und sie erkrankte mit 16 an Rheuma. Christel Ulbrich bemerkte im Umgang mit ihrer Krankheit, dass einfache Bewegungen und nicht zu anstrengende Tänze neben ärztlichen Behandlungen ebenfalls eine positive Wirkung auf die Rheumabeschwerden hatten.
Auch nachdem sie 1968 das Rentenalter erreicht hatte, blieb Christel Ulbrich aktiv und gestaltet u. a. Tanz- und Rhythmik-Rüsten des Diakonischen Werkes. Außerdem gab sie Unterricht an der Bautzener Musikschule. Bis kurz vor ihrem Tod leitete sie Tanzgruppen u. a. in Bautzen und Dresden. Das Rudolstädter Tanz- und Folkfest begleitete sie über mehrere Jahrzehnte von den Ursprüngen bis kurz vor ihrem Tod.
Neben Lehrgängen nahm Christel Ulbrich schon vor 1990 an internationalen Tagungen teil und veröffentlichte Fachaufsätze sowie -publikationen. 1982 erschien in Zusammenarbeit mit Jutta Brückner und Ingrid Mederacke "Musiktherapie für Kinder". Ihre zweite Publikation aus dem Jahr 1992 trug den Titel "Tanz dich gesund! Tanz als Bewegungstherapie". Im darauffolgenden Jahr publizierte Christel Ulbrich "Kinder singen, tanzen, musizieren, spielen, gestalten, improvisieren. Anregungen mit vielen Übungen und Spielen für Pädagogen, Therapeuten, Eltern". Das Weihnachtslied "Oh, es riecht gut" gehört neben den Märchen "Kaspar wünscht sich das Pfefferkuchenherz" und "Weihnachten im Erzgebirge" zu ihren ältesten Werken.
Nicht unerwähnt sei die politische Betätigung Christel Ulbrichs: In den Jahren von 1965 bis 1969 war sie Stadtverordnete von Bautzen.
Zu der Vielzahl an Persönlichkeiten, mit denen Christel Ulbrich zusammenarbeitete gehörte u. a. der Musik- und Tanzwissenschaftler Dr. Kurt Petermann (1930 - 1984), welcher das Tanzarchiv Leipzig gründete. Mit dem Vorsitzenden des Bundesverbandes Rhythmische Erziehung, Karl Lorenz (1915 - 2009), und Prof. Karl-Heinz Taubert (1912 - 1990), dem Begründer des Berliner Ensemble für Historischen Tanz, stand sie ebenfalls in häufigem Kontakt. Von der Zusammenarbeit mit Detlev Cramer, welcher die Professur für "Werken und Arbeitslehre in Sonderschulen" am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin inne hatte, zeugen im Bestand beispielsweise auch zahlreiche Bildmaterialien. Die Arbeit und der Austausch mit Professor Bernhard Wosien (1908 - 1986), Tänzer und Ballettmeister, prägte Christel Ulbrichs Schaffen ebenfalls sehr stark. Viele Jahre arbeitete sie auch mit der Bautzener Lehrerin Erika Suschke zusammen, welche das Werk von Christel Ulbrich in Sachsen und Thüringen fortsetzte.
Christel Ulbrich starb am 24. März 1996 im Alter von 87 Jahren und wurde auf dem Bautzener Taucherfriedhof beigesetzt. Der Landesfrauenrat Sachsen e. V. widmete ihr 2018 eine Gedenktafel im Rahmen des Projektes "frauenorte sachsen". Musikalisch begleitete die Gruppe Tikwat Shearim die Veranstaltungen, welche früher Christel Ulbrich auf der Bühne oft zur Seite stand oder ihre Werke vertonten.
Beruf
Tanzpädagogin
Geburtsname
Charlotte Christine Thiermann

Bestandsinformationen

Signatur
67020
Inhaltsangabe
Inhaltlich bietet der Bestand umfassende Einblicke in das private und familiäre Leben von Christel Ulbrich. Zu ihrer Kindheit und Jugend, aber auch zum Familienleben mit ihrem Mann Walter Ulbrich und den drei Kindern Hubertus, Friedemann und Almut sind zahlreiche Briefe, Fotografien und andere Egodokumente, wie autobiographischen Aufzeichnungen überliefert. Der berufliche Werdegang und Christel Ulbrichs vielfältige Wirkungsbereiche sind ebenfalls gut dokumentiert. Zeugnisse, Arbeitsmaterialien, Ausarbeitungen oder die akribisch geführten Jahreskalender seien beispielhaft genannt. Innerhalb der Überlieferung sind einzelne Archivalien aufgrund von Schutzfristen noch nicht zugänglich.
Laufzeit
1870-2010
Umfang
4,5 lfdM.
Erschließungszustand
Datenbank
Online-Findbuch
© Bundesarchiv 2004/2005 Zum Seitenanfang Seitenanfang