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Kaiserreich und Weimarer Republik

Ausländische Arbeitskräfte unter dem Nationalsozialismus

Nach Kriegsende: Displaced Persons und Repatriierte

Der Erste Weltkrieg

Der Einsatz von zivilen Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg wird häufig als ein Probelauf für die Organisation der Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Aus den Erfahrungen zogen die Nationalsozialisten wesentliche Lehren für eine nach kaltem ökonomischen Kalkül erfolgreiche Planung und Durchführung menschenverachtender Ausbeutung und Behandlung ausländischer Arbeitskräfte. Nach Schätzungen betrug der Anteil ausländischer Arbeitskräfte im Ersten Weltkrieg zu keiner Zeit mehr als 10 % aller abhängig Beschäftigten in Deutschland.

Arbeitskräfte aus dem Osten

 
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Bewachte russische Zivilarbeiter im Forsteinsatz

Quelle: BArch, Bild 146-2007-0171

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Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs änderte sich die Qualität des Arbeitsverhältnisses der Polen maßgebend. Die Rückkehr in ihre Heimat wurde ihnen untersagt. Sie waren als landwirtschaftliche Arbeitskräfte nicht mehr entbehrlich. Bereits zu Kriegsbeginn hatten 3 Mio Deutsche, die in der Landwirtschaft tätig waren, als Kriegsfreiwillige oder Wehrpflichtige ihre Arbeitsstätten verlassen. Ausländische Arbeitskräfte erlangten existentielle Bedeutung, um die Leistungsfähigkeit der preußischen Landwirtschaft und damit ein gleichbleibendes Niveau der Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. Um den Bedarf einigermaßen decken zu können, wurden in den besetzten östlichen Gebieten weitere Arbeiter angeworben und zum Teil Zwangsdeportationen durchgeführt. Ihren Höhepunkt erreichten diese im Herbst und Winter 1916/1917. Betroffen waren davon vor allem polnische Juden. Diese Maßnahmen führten in Polen zu Empörungen und bereiteten dem Reich zusätzlichen außenpolitischen Schaden. Zum Einsatz von zivilen Arbeitern kamen seit der Ernte 1915 auch Kriegsgefangene aus Russland und Serbien. 

Arbeitskräfte aus dem Westen

Seit Anfang 1915 steigerte sich der Bedarf an Arbeitern in der deutschen Schwerindustrie an Rhein und Ruhr erheblich, so dass ab Herbst auch Kriegsgefangene aus Frankreich, Belgien und Italien eingesetzt wurden. Da die Werbung von Fachkräften im besetzten und von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Belgien nur recht magere Ergebnisse hervorbrachte, wurden ab Mai auch zivile polnische Arbeiter für die industrielle Beschäftigung zugelassen. Bis zum Sommer 1916 hatte sich der Arbeitskräftemangel so gesteigert, dass die deutschen Behörden ihre bisherigen Skrupel beiseite schoben und die zwangsweise Aushebung belgischer Zivilarbeiter in Gang setzten. Von Oktober 1916 bis Februar 1917 wurden so etwa 61.000 Belgier nach Deutschland verschleppt. Die Folgen dieser Zwangswerbungen waren für das Ansehen Deutschlands im Ausland katastrophal. In der Weltöffentlichkeit festigte sich das Bild des deutschen Militarismus. Die zahlreichen Proteste neutraler Staaten förderten die zunehmende Isolation Deutschlands auf dem internationalen diplomatischen Parkett. Auf Grund dieser Folgen, vor allem aber wegen des mäßigen Erfolgs der Maßnahmen, die organisatorisch nicht sonderlich geschickt koordiniert waren, und wegen des zunehmenden Drucks auch aus der deutschen Öffentlichkeit brachen die Behörden die Aktion im Februar 1917 ab. Künftig setzte man wieder auf das freiwillige Kommen ausländischer Arbeiter, indem man die Lebensbedingungen in Belgien gezielt verschlechterte und damit Anreize zur Arbeitsaufnahme in Deutschland gab. Diese Strategie war tatsächlich erfolgreich, so dass von Februar 1917 bis zum Sommer 1918 rund 100.000 belgische Arbeitskräfte neu angeworben werden konnten. 

Kriegsgefangene

Die Kriegsgefangenen machten den größten Teil der ausländischen Arbeitskräfte während des Ersten Weltkriegs aus. Ihre Anzahl belief sich während des Kriegs auf insgesamt 2.520.983 Gefangene, davon allein 1.434.529 aus Russland. Während die Gefangenen aus den westlichen Feindstaaten vorwiegend in Industriebetrieben eingesetzt wurden, waren diejenigen aus den slawischen Ländern hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig. Aus wirtschaftlicher Sicht verbuchte das Deutsche Reich durch den Einsatz der Kriegsgefangenen in Industrie und Landwirtschaft einen deutlichen Gewinn. 

Die Lebensbedingungen der ausländischen Arbeitskräfte während des Ersten Weltkriegs

 
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Russische Kriegsgefangene bei Landarbeit im Grunewald, 1915

Quelle: BArch, Bild 183-S10014

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Während der ausgeübte Zwang auf belgische Arbeiter auch innerhalb Deutschlands heftige Kritik erregte und den Behörden die Überwindung massiver Skrupel abverlangte, wurden Zwangsmaßnahmen gegenüber der russisch-polnischen Bevölkerung nahezu als Selbstverständlichkeit hin- oder gar überhaupt nicht als Unrecht wahrgenommen. Entsprechend verhielt es sich auch mit den Lebensbedingungen der ausländischen Arbeitskräfte in Deutschland, unter denen die Polen am meisten zu leiden hatten. Für sie galt ein Sonderrecht. Sie waren in Lagern untergebracht, die sie nur zur Arbeit und innerhalb festgesetzter Zeiten verlassen durften. Darüber hinaus waren sie in ihrer Freizügigkeit beschränkt. Zu den Diskriminierungen und Misshandlungen gesellte sich eine mangelhafte Ernährung, deren zusätzliche Einschränkung von den Arbeitgebern als Züchtigungs- und Disziplinierungsmittel gebraucht wurde. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Kriegsgefangenen waren nicht erheblich anders als in den anderen kriegsführenden Nationen. Das war sicher auch auf die gut funktionierenden Kontrollen durch das Internationale Rote Kreuz und die Vertretungskonsulate der Feindmächte zurückzuführen. Bei der Verpflegung der Gefangenen wirkte sich in der zweiten Kriegshälfte die insgesamt schwierigere Versorgungslage in Deutschland besonders negativ aus.