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Haftstättenverzeichnis

Polizeihaftlager und Polizeigefängnisse in den besetzten Gebieten

Die in den von Deutschland besetzten Gebieten eingerichteten Polizeihaftlager und Polizeigefängnisse sind noch immer weitgehend unerforscht. Es liegen keine länderübergreifenden und nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu einzelnen dieser Haftstätten bzw. Länder vor. Bis auf verstreute Hinweise zu diesem Lagertypus sind in erster Linie Zeugenaussagen bzw. Erinnerungsberichte ehemaliger Häftlinge der Polizeihaftlager bzw. -gefängnisse überliefert. Erschwerend kommt für die historische Erforschung hinzu, dass die Polizeihaftlager und Polizeigefängnisse in den besetzten Gebieten nicht unter einheitlicher Verantwortung standen. Auch in ihrer Erscheinungsform sowie in ihrer Funktion wichen sie zum Teil stark voneinander ab. So unterstanden die Polizeihaftlager und Polizeigefängnisse in Norwegen, den Niederlanden, im „Reichskommissariat Ostland“ sowie im „Reichskommissariat Ukraine“ in der Regel der jeweiligen deutschen Zivilverwaltung. In Belgien, Frankreich, Serbien und Griechenland hingegen waren sie der Militärverwaltung unterstellt. In ost- und südosteuropäischen Ländern standen die Lager meist unter der Regie des jeweiligen Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD. Zum Teil entstanden sie jedoch auch auf Initiative der Einsatzgruppen. In Kroatien und Italien wiederum waren die Polizeihaftlager überwiegend den jeweiligen nationalen Behörden unterstellt. Es lassen sich allerdings auch in den von den Deutschen besetzten Gebieten Lager finden, die nur indirekt unter deutscher Verantwortung standen. In jedem Fall waren in diesen Lagern Einheimische der jeweiligen Ländern an der Bewachung beteiligt.

Die Polizeihaftlager und Polizeigefängnisse unter deutscher Verwaltung in den besetzten Gebieten wurden unter unterschiedlichen Bezeichnungen geführt, die auf die verschiedenen Funktionen dieses Lagertyps verweisen. Unter anderem wurden sie „Anhaltelager“, „Auffanglager“, „Durchgangslager“, „Geisellager“, „Sühnegefangenenlager“, „Studentenhäftlingslager“ oder beispielsweise auch „Sammellager für Juden“ genannt. In den Niederlanden lassen sich zu den Polizeihaftlagern zum Beispiel die „polizeilichen Durchgangslager“ Amersfoort und Schoorl, das „Justizlager“ Ommen, das „Judendurchgangslager“ Westerbork und die „Geisellager“ Sint-Michielsgestel und Haaren zählen. Entsprechend der verschiedenen Bezeichnungen dieser Lager und Gefängnisse wurden ihnen unterschiedliche Funktionen zugewiesen. In den Polizeihaftlagern und Polizeigefängnissen in den besetzten Gebieten waren zum Beispiel politische Häftlinge inhaftiert; weiterhin gehörten Geiseln oder auch jüdische Einheimische des jeweiligen Landes zu den Inhaftierten. Die Lager und Gefängnisse dienten unter anderem der (vorbeugenden) Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher Gegner der Nationalsozialisten sowie der Einschüchterung der Zivilbevölkerung. Sammellager für Juden hatten hingegen in erster Linie die Funktion, die jüdische Bevölkerung zu isolieren und zu „konzentrieren“ sowie ihre Deportation vorzubereiten. Jüdische Häftlinge wurden von den Polizeihaftlagern aus in Ghettos, Konzentrationslagern oder aber direkt in Vernichtungslager deportiert. Zum Teil wurden jüdische Häftlinge aber auch direkt im Polizeihaftlager ermordet, beispielsweise im Lager Zemun (Semlin) in Serbien. Viele dieser Lager wiesen Elemente der Ghettos, der Konzentrationslager sowie der Vernichtungslager auf, vor allem in der letzten Phase des Krieges.

Literaturauswahl:

Benz, Wolfgang & Distel, Barbara (Hg.). Die vergessenen Lager. Dachauer Hefte 5. Dachau 1989.

Benz, Wolfgang & Distel, Barbara (Hg.). Terror im Westen. Nationalsozialistische Lager in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Berlin 2004.

Schwarz, Gudrun. Die nationalsozialistischen Lager, 2. Auflage Frankfurt a. M. 1996.