1.171.1 (ma12p): [Regierungsbildung.]

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Die Kabinette Marx I und II, Band 2 Wilhelm Marx Bild 146-1973-011-02Reichskanzler Marx vor seinem Wahllokal Bild 102-00392Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer am PutschDawes und Young Bild 102-00258

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RTF

[Regierungsbildung1.]

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Die Frage der Regierungsbildung war bereits in einer Ministerbesprechung am 2.1.25, 12.30 Uhr behandelt worden (s. das Tagebuch der Kabinettsbildung in R 43 I /1306 , Bl. 216-220, hier: Bl. 218), über die ein Protokoll in den Akten der Rkei nicht ermittelt werden konnte. In der Presse wurde dazu mitgeteilt: „Unter dem Vorsitz des RK traten heute mittag die Reichsminister zu einer Besprechung der politischen Lage zusammen. Über das Ergebnis dieser Aussprache hat der RK dem RPräs. Bericht erstattet. Daraufhin hat der RPräs. den RK Marx beauftragt, nochmals mit den Führern der Reichstagsfraktionen in Verbindung zu treten, sie wegen des Ernstes der politischen Lage und zur Vermeidung einer überparteilichen Regierung auf die dringende Notwendigkeit der sofortigen Bildung einer auf tragfähiger parlamentarischer Mehrheit ruhenden RReg. hinzuweisen und ihnen eine umgehende Nachprüfung der bisherigen Beschlüsse ihrer Fraktionen zur Regierungsbildung zu empfehlen.“ (Meldung vom 2. 1. in DAZ Nr. 4 vom 3. 1.) Zu den letzten Beschlüssen der Fraktionen vgl. Dok. Nr. 373 und Nr. 374.

Der Reichskanzler Es habe sich als notwendig erwiesen, die Lage nochmals mit den Parteien zu besprechen. Zur Zeit seien durch die vorliegenden Fraktionsbeschlüsse alle Möglichkeiten verbaut.

Noch nicht erörtert seien nur die zwei Möglichkeiten: eine Regierung aus Zentrum und Demokraten, und die Regierung der Weimarer Koalition zu bilden. Aber auch diese würden wohl ungangbar sein.

Wenn sämtliche Möglichkeiten einer Regierungsbildung auf fraktioneller Basis gescheitert seien, so bliebe nur übrig, einen Mann mit einer Kabinettsbildung ohne Rücksicht auf die Fraktion zu betrauen, so mißlich dies auch sei. Angesichts dieser ganzen Sachlage frage er die Parteiführer, ob ihre Beschlüsse noch geändert werden könnten.

Becker-Arnsberg: Er halte es für ausgeschlossen, daß das Zentrum seinen Beschluß ändere. Neben den zwei vom Reichskanzler erwähnten Möglichkeiten bestehe nur noch die eines überparteilichen Kabinetts. Er wäre dankbar, wenn die Parteien sich dahin einigen würden.

Scholz hält nach wie vor ein Kabinett mit einer sicheren Mehrheit für nötig. Die stärkste Mehrheit würde durch ein bürgerliches Kabinett zusammenkommen. Die Volkspartei könne ihren Beschluß nicht ändern. Sie lehne es auch ab, erneut mit einem Minderheitskabinett vor den Reichstag zu treten.

Koch: Er halte ein Minderheitskabinett für eine glücklichere Lösung als ein überparteiliches Kabinett, gegen das die Demokraten schwere Bedenken hätten. Was jetzt geplant sei, sei ein versteckter Bürgerblock. Die Deutsch-nationale[1260] Partei würde auch ihre Forderungen für Preußen anmelden2. Die Demokraten würden diesem überparteilichen Kabinett mit Mißtrauen gegenüber stehen. Ihre endgültige Haltung würde davon abhängen, wie das Kabinett aussehe. Seines Erachtens müsse der Reichspräsident nunmehr versuchen, eine Regierung dadurch zu bilden, daß er zunächst einen Sozialdemokraten und dann nötigenfalls einen Deutschnationalen mit der Kabinettsbildung betraue.

2

Auch die DVP wünschte eine Beteiligung der Deutschnationalen an der pr. Reg. und verlangte wegen der Neuwahl des pr. LT (7.12.24) den Rücktritt des Kabinetts Braun. Am 6.1.25 treten die beiden volksparteilichen Minister im pr. Kabinett, v. Richter und Boelitz, zurück. Vgl. Schultheß 1925, S. 1 f.; Otto Braun, Von Weimar zu Hitler, S. 78 ff.; Carl Severing, Mein Lebensweg, Bd II, S. 34 ff.

Spahn: Gegen ein Zusammengehen mit den Sozialdemokraten beständen gewisse Bedenken, da die Partei nach dem Zusammenschluß mit den Unabhängigen doch einen anderen Charakter gewonnen habe.

Becker-Arnsberg: Eine Änderung des Zentrumsbeschlusses sei ausgeschlossen. Er sehe nur den Weg, daß der Präsident einen Mann mit der Bildung des Kabinetts beauftrage, das dann vor den Reichstag trete. Die Weimarer Koalition sei für das Zentrum nicht möglich, sie hätte auch keine Mehrheit.

Scholz spricht sich dahin aus, daß der Reichspräsident zweckmäßig einen Sozialdemokraten und nötigenfalls darauf einen Deutschnationalen mit der Kabinettsbildung betraue. Zum überparteilichen Kabinett behalte sich die Volkspartei ihre Stellung vor.

Stegerwald spricht sich dagegen aus, daß der Reichspräsident erst einen Sozialdemokraten und dann einen Deutschnationalen betraue, da diese Versuche aussichtslos seien. Man müsse Männer fragen und nicht Parteien.

Hierauf wurde die Sitzung geschlossen3.

3

Um 12.30 Uhr empfängt der RK den Vorsitzenden der deutschnationalen RT-Fraktion Schiele. Ergebnis: „Die DNVP wird ihr nahestehenden Persönlichkeiten nur dann Eintritt in ein überparteiliches Kabinett gestatten, wenn die Preußenfrage bereinigt werde.“ (Vermerk im Tagebuch der Kabinettsbildung, R 43 I /1306 , Bl. 216-220, hier: Bl. 218).

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