1.126 (mu22p): Nr. 382 Der Reichsminister der Finanzen an die Länderregierungen. 13. Dezember 1929

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Nr. 382
Der Reichsminister der Finanzen an die Länderregierungen. 13. Dezember 1929

R 43 I /1033 , Bl. 85 f., hier: Bl. 85 f. Umdruck

[Betrifft: Reichsfinanzreform.]

Den Landesregierungen ist bekannt, daß außenpolitische Gesichtspunkte entscheidender Art noch zu Lebzeiten des Herrn Reichsaußenministers Dr. Stresemann und auf seinen besonderen Wunsch zu der Entscheidung geführt hatten, das Finanzprogramm der Reichsregierung erst bekannt zu geben und damit auch zur Kritik der Weltöffentlichkeit zu stellen, wenn die endgültige Annahme des Young-Planes gewährleistet war. Finanzpolitische Gesichtspunkte, die keiner besonderen Erläuterung bedürfen, sprachen gleichfalls dafür, das Finanzprogramm erst zu veröffentlichen, wenn die Entlastung des Haushalts und der Wirtschaft auf dem Gebiete der Reparationslasten international gesichert war. Zu dem Entschluß, das Finanzprogramm wenigstens in seinen […] Grundzügen dem Reichstag schon jetzt vorzulegen, ist die Reichsregierung gelangt, weil es ihr nicht mehr vertretbar erschien, abzuwarten, nachdem der Termin der 2. Haager Konferenz sich über Erwarten hinauszögerte und in immer stärkerem Maße Beunruhigung in der Wirtschaft über Inhalt und Tragweite des Finanzprogramms erkennbar geworden war. Eine solche Veröffentlichung setzte volle Übereinstimmung des Kabinetts voraus, da nur ein Programm, hinter dem die Regierung einmütig stand, den notwendigen Erfolg versprach. Daß bei der Bedeutung der Fragen, die es zu lösen galt, ebenso wie bei den widerstreitenden Interessen der großen Parteien des Reiches die einheitliche Linie nur nach eingehenden Erörterungen gefunden werden konnte, wird bei den Landesregierungen volles Verständnis finden. Die Reichsregierung hatte nach ihrem[1259] ursprünglichen Plane die Absicht, vor jeder Stellungnahme nach außen den Ministerpräsidenten der Länder Kenntnis von ihrem Programm und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nachdem durch das Memorandum des Reichsbankpräsidenten in weiten Kreisen der Anschein erweckt worden war, als bedürfe es für die Reichsregierung in diesen lebenswichtigen Fragen des deutschen Volkes irgendeiner Mahnung zum Handeln, konnte diese Absicht nicht mehr verwirklicht werden. Dieser Zeitverlust hätte der irrigen Meinung Nahrung geben können, daß die entscheidenden Vorbereitungen für das Finanzprogramm im Augenblick des Memorandums noch nicht getroffen waren. Dies hätte aber die Schlagkraft jeder Aktion der Reichsregierung in erheblichem Umfange vermindert. Die Reichsregierung bedauert auf das lebhafteste, durch den Gang der Dinge an der Verwirklichung ihrer Absicht gehindert und des Vorteils beraubt worden zu sein, der in der Erörterung ihres Programms mit den Ländern gelegen hätte. Sie bittet, der Besonderheit der innen- und außenpolitischen Sachlage Rechnung zu tragen und es nur dieser Besonderheit zuzuschreiben, wenn die Veröffentlichung der Grundzüge des Programms nunmehr vor dieser Erörterung erfolgt ist. Ich gestatte mir aber, namens der Reichsregierung darauf hinzuweisen, daß die Festlegung des Programms auf seine Grundzüge beschränkt ist, und daß die Verhandlungen über die Einzelheiten nicht weitergeführt werden, ohne daß den Landesfinanzministern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Ich darf mir daher vorbehalten, die Herren Landesfinanzminister in der nächsten Zeit hierher zu bitten, um mit ihnen die Gesamtlage sowie die Einzelheiten der bestehenden Pläne eingehend zu behandeln. Dabei wird sich auch Gelegenheit bieten, näher auf die Umstände einzugehen, die es der Reichsregierung zur zwingenden Pflicht gemacht haben, durch die Veröffentlichung ihres Finanzprogramms Schäden für die Gesamtpolitik des Reiches abzuwenden1.

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Siehe hierzu Dok. Nr. 396.

gez. Hilferding

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