1.105 (str2p): Nr. 219 Staatssekretär Kempkes an Kommerzienrat Hagen, Oberbürgermeister Jarres, Oberbürgermeister Adenauer, Bankdirektor von Waldthausen, Professor Moldenhauer. 3. November 1923

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Nr. 219
Staatssekretär Kempkes an Kommerzienrat Hagen, Oberbürgermeister Jarres, Oberbürgermeister Adenauer, Bankdirektor von Waldthausen, Professor Moldenhauer. 3. November 1923

R 43 I /2440 , Bl. 234–235 Reichsdiensttelegramm1 Entwurf

1

Das Telegramm wurde um 21 Uhr abgesandt.

[Betrifft: Wertbeständiges Notgeld im Rheinland2.]

2

In der Frage der Währungsentwicklung im Rheinland und dem Plan der Goldnotenbank hatte der Geschäftsinhaber der Diskonto-Gesellschaft Solmssen MinDir. v. Schubert mitgeteilt: „Es besteht ein Komitee, bestehend aus den Herren Adenauer, Hagen, Vögler, Pferdmenges, Silverberg u. v. Waldthausen, welches bereits den Plan für eine solche Bank mit dem Kapital von 100–150 Millionen Gold fertig ausgearbeitet hat. Die Herren haben aber erklärt, daß sie den Plan nur zur Durchführung bringen würden, wenn die Reichsregierung damit einverstanden sei.“ Solmssen habe festgestellt, daß innerhalb der Ressorts und der Rbk in dieser Frage „ein ziemliches Durcheinander zu bestehen“ scheine. Solmssen hatte in der Bank die Vorstufe für eine Abtrennung vom Reich gesehen. „Der Reichsminister für die besetzten Gebiete, Herr Fuchs, hat Herrn Solmssen gegenüber erklärt, daß er selbst diesem Plane abgeneigt sei, er hat aber angedeutet, daß vielleicht dem Finanzminister oder seinen Hinterleuten die Gründung einer solchen Bank in der Erwägung ganz recht sein würde, weil das Reich dadurch die Finanzierung des Rhein- und Ruhrgebietes loswürde.“ Nach v. Schuberts Aufzeichnung hatte Solmssen ferner ausgeführt, „daß die Herren Adenauer und Hagen bis jetzt sich einen kühlen Kopf bewahrt hätten. Herr Hagen habe neulich in einer Versammlung erklärt, die Währungsfrage gehöre zu den Hoheitsrechten des Staates, und es stehe Privaten nicht zu, ohne Einwilligung der Reichsregierung in dieser Beziehung Schritte zu tun.“ Solmssen sei der Meinung gewesen, daß man sich die Währung evtl. von den Franzosen oktroyieren lassen müsse, aber keine eigenen Schritte in dieser Richtung tun dürfe (1.11.23; Pol. Arch.: Büro RM 15, Bd. 3).

Die deutsche Reichsregierung hat sich mit den alliierten Regierungen wegen Anerkennung der Rentenbank und der von ihr auszugebenden Rentenmarkscheine[961] in Verbindung gesetzt, um die Organisation der Rentenbank über das Gebiet des ganzen Deutschen Reichs auszudehnen3. Weiterhin sind die nötigen Maßnahmen getroffen, um in kürzester Frist die Ausgabe wertbeständigen Notgelds im besetzten Gebiet unter erleichterten Bedingungen zu ermöglichen4. Unter diesen Umständen erscheint Entscheidung über dortige Pläne keineswegs dringlich. Ersuchen, Unterlagen Reichsregierung zu unterbreiten5. Bei Verhandlungen Ausschusses mit Tirard erscheint es Reichsregierung unmöglich,[962] daß Herr Tirard Auswahl unter Persönlichkeiten trifft, die diese Verhandlungen führen. Ernennung dieser Persönlichkeiten ist lediglich Sache deutscher Organisationen6. Verhandlungen über staatsrechtliche Verhältnisse können nur unter Beobachtung verfassungsmäßiger Grundlagen geführt werden7.

3

MinDir. von Schubert vom AA hatte dem RFM am 29.10.23 mitgeteilt, die deutschen Vertretungen in Brüssel, London und Paris seien angewiesen worden, bei den Regierungen vorstellig zu werden, damit die Irko und die Militärbefehlshaber bei der Durchführung der VO zur Errichtung der Rentenbank keine Schwierigkeiten machen. Entsprechende Instruktionen seien auch an die Kriegslastenkommission und an die Vertretungen in Rom ergangen (BA: R 2 /2438 ; dort auch der Text der Verbalnote, die am 4.11.23 in dieser Frage von dem deutschen Geschäftsträger von Hoesch dem frz. MinPräs. Poincaré übergeben wurde).

4

Dem Abg. Wieland hatte der RK auf dessen Schreiben vom 27. 10., in dem wertbeständige Zahlungsmittel für das besetzte Gebiet gefordert worden waren, damit die Franzosen nicht leichtes Spiel bei der Francs-Einfuhr hätten und keine Notwendigkeit für die Industrie bestehe, mit ihnen über Notgeld zu verhandeln, am 5.11.23 geantwortet: „Auch des besonders verhängnisvollen Einflusses dieser Sachlage auf das besetzte Gebiet ist sich die Reichsregierung wohl bewußt und hat daher auf entsprechend wiederholte Anträge der beteiligten Wirtschaftsverbände dafür Sorge getragen, daß eine vorzugsweise Belieferung des besetzten Gebietes mit den neuen wertbeständigen Zahlungsmitteln nach Möglichkeit erfolgt. – Ich hoffe, daß es auf diese Weise gelingt, der allgemeinen Notlage unserer Wirtschaft im Laufe der nächsten Tage Abhilfe zu bringen und insbesondere den politisch gefährlichen Tendenzen innerhalb gewisser Kreise der Bevölkerung des besetzten Gebietes entgegen zu wirken. […] Dem Rheinischen Städtetag ist die Ausgabe wertbeständigen Geldes seitens der Reichesregieung genehmigt worden“ (R 43 I /2440 , Bl. 226–231). Gegenüber Solmssen (s. o. Anm. 2), der dafür eingetreten war, in England die Zulassung der Rentenmark und der Goldanleihe im besetzten Gebiet anzuregen, hatte MinDir. von Schubert „streng vertraulich“ ausgeführt, „daß der von ihm angeregte Schritt bereits erfolgt sei“ (1.11.23; Pol. Arch.: Büro RM 15, Bd. 3). S. a. K. v. Zwehl, Die Deutschlandpolitik Englands, S. 607 ff.

5

Auf Grund einer telefonischen Mitteilung Hagens vom 3.11.23, daß in Köln beabsichtigt sei, am Abend des gleichen Tages eine Goldbank zu errichten und „daß Herr Tirard sich neuerdings sehr freundlich zeige“, waren am 3.11.23 um 20 Uhr beim Reichskanzler des RMinbesGeb., der REM, andere Minister und StS v. Maltzan zu einer Sitzung zusammengekommen. „Es ist dem Herrn Hagen gestern noch in einem Telegramm mitgeteilt worden, daß die Reichsregierung intensive Schritte getan habe, um dafür Sorge zu tragen, daß die Rentenbank auch im besetzen Gebiet tätig sein kann. Ferner ist Herr Hagen darauf hingewiesen worden, daß die Reichsregierung durch Ausgabe von weiteren 300 Millionen Goldanleihe die Basis zur Ausgabe von wertbeständigem Notgeld geschaffen habe. Ferner ist Herrn Hagen mitgeteilt worden, daß die Reichsregierung dringend ersuche, die geplante Bank vorläufig nicht zu errichten. Endlich wurde Herr Hagen gebeten, das auf die beabsichtigte Bankgründung bezügliche Material sofort hierherzusenden, damit es hier eingehend geprüft werden könne. […]“ (Ungezeichnete Aufzeichnung in Durchschrift, 4.11.23; Pol. Arch.: Büro RM 15, Bd. 3).

6

Vgl. hierzu Anm. 82 zu Dok. Nr. 179 sowie Dok. Nr. 234.

7

Vgl. die Verhandlungen am 13.11.23.

Stresemann [!]

(N. d. H. St.S.)8

8

Bedeutet: Name des Herrn Staatssekretärs, d. h. dessen Unterschrift im Original.

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