1.147 (lut2p): Nr. 316 Aufzeichnung des Reichsministers der Justiz über eine Besprechung mit Vertretern der Regierungsparteien zur Duellfrage am 17. März 1926, 16 Uhr

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[1209] Nr. 316
Aufzeichnung des Reichsministers der Justiz über eine Besprechung mit Vertretern der Regierungsparteien zur Duellfrage am 17. März 1926, 16 Uhr1

1

Die Aufzeichnung ist nicht datiert.

R 43 I /1218 , Bl. 65-68

Am 17. März, nachmittags 4 Uhr, fand eine Besprechung der Regierungsparteien zur Duellfrage statt. Es waren anwesend unter dem Vorsitz des Abgeordneten von Guérard Vertreter der Demokraten, des Zentrums, der Deutschen Volkspartei und der Bayerischen Volkspartei. Der Justizminister legte zunächst dar, daß infolge der Annahme der Novelle zum Militärstrafgesetz2 eine schwierige Lage insofern geschaffen sei, als begründete Bedenken darüber gegeben seien, ob der Herr Reichspräsident das zustande gekommene Gesetz unterschreiben würde. Es sei auch zu befürchten, daß der Reichskanzler Bedenken trage, die Gegenzeichnung vorzunehmen. Es sei vom Kabinett die Frage beraten worden, welche Wege einzuschlagen wären, um aus der schwierigen Lage herauszukommen. Der Reichswehrminister habe ja wiederholt auch im Plenum des Reichstags erklärt, daß für ihn die Duellbestimmungen des Militärstrafgesetzes erträglich seien, wenn die Strafe der Dienstentlassung auch auf Beamte ausgedehnt werde. Das Kabinett habe geglaubt, von einer Vorlage seinerseits absehen zu sollen, weil dem Rechtsausschuß bereits der Antrag Müller-Franken Nr. 14863 vorliege, der allerdings noch verbesserungsbedürftig sei. Solche Verbesserungen könnten bei der Ausschußberatung vorgeschlagen werden. Es komme ferner in Betracht, daß die Regierungsparteien selbst in der Frage nicht geschlossen daständen, und endlich habe auch der Reichskanzler große Bedenken, die Bestimmungen des § 112 f4 auf die Beamten auszudehnen. Das Justizministerium habe, wie auch im Plenum ausgeführt, die größten Bedenken gegen diese Ausdehnung.

2

Vgl. Anm. 1, 2 und 7 zu Dok. Nr. 290.

3

Der am 16.11.25 eingebrachte Antrag (GesEntw.) fordert die Einfügung eines wie folgt lautenden § 210 a in das Strafgesetzbuch: „In den Fällen einer Verurteilung auf Grund der §§ 201, 202, 203, 206, 207, 208, 210 des Strafgesetzbuches [betr. Bestrafung des Zweikampfes] ist für alle im öffentlichen Dienst stehenden Personen auf Dienstentlassung bezw. auf fristlose Lösung des bestehenden Vertragsverhältnisses zu erkennen.“ (RT-Bd. 405 ).

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Vgl. Anm. 2 zu Dok. Nr. 290.

Der Reichskanzler habe bei der letzten Besprechung mit den Parteien sich mit aller Entschiedenheit für eine Verstärkung des Ehrenschutzes ausgesprochen5. Seiner Anregung folgend sei ein Entwurf ausgearbeitet worden, der zur Zeit mit dem Ministerium des Innern beraten würde. Bei der Schwierigkeit der ganzen Frage werde es zweckmäßig sein, den Entwurf frühzeitig mit den Regierungsparteien vertraulich zu besprechen. Die Schwierigkeiten des Entwurfs könnten nicht abgeleugnet werden. Durch seine Annahme würden aber auch kaum die Schwierigkeiten aus der Behandlung der Duellfrage sich erledigen.

5

Vgl. Dok. Nr. 295.

[1210] Bei der darauffolgenden Aussprache der Parteien wurde vom Zentrum ausgeführt, daß man nach der letzten Aussprache der Parteien mit dem Reichskanzler der Meinung gewesen sei, es sollte eine Regelung nach drei Richtungen vorgenommen werden. Einmal sollten die Bestimmungen über das Duell in verschärfter Form aus dem allgemeinen Strafgesetzbuch herausgenommen werden; ferner soll dann der § 112 f auf Beamte schlechthin ausgedehnt werden und endlich Vorschläge über die Verstärkung des Ehrenschutzes gemacht werden. Ob diese Vorschläge in einer größeren Gesetzesvorlage oder in drei verschiedenen Entwürfen gemacht werden sollten, sei nach Zweckmäßigkeitsgründen zu entscheiden.

Bei der weiteren Aussprache ergab sich, daß von allen Parteien gegen die Verstärkung des Ehrenschutzes Bedenken geäußert wurden. Jedenfalls sei diese schwierige Frage nicht so zeitig zu erledigen, daß dadurch die Bedenken bezüglich der Unterschrift des Herrn Reichspräsidenten beseitigt werden könnten. Es wurde die Ansicht geäußert, die Ausdehnung der Bestimmung des § 112 f auf Beamte schlechthin werde genügen, um die Bedenken des Herrn Reichspräsidenten6 zu beseitigen. Schließlich wurde festgestellt, daß die Regierung die einzige Stelle sei, die feststellen könne, welche Maßnahmen geeignet seien, die Bedenken des Herrn Reichspräsidenten zu beseitigen, ob die Bedenken des Herr Reichspräsidenten dieselben seien wie beim Herrn Reichswehrminister, so daß sie bei einer Ausdehnung der Bestimmung des § 112 f auf die Beamten beseitigt würden oder ob auch das nicht genüge.

6

Zur Stellungnahme Hindenburgs vgl. Dok. Nr. 323.

Vom Justizminister wurde dargelegt, daß die Bedenken wohl allseitig schwinden würden, wenn man die Mußvorschrift des § 112 f in eine Kannvorschrift verwandele. Dann beständen auch keine Bedenken, sie auf die Beamten auszudehnen.

Vom Zentrum und ausdrücklich auch von den Demokraten äußerte man sich dahin, daß an der Mußbestimmung unter allen Umständen festgehalten werde. Ebenso äußerte sich der Vertreter der Bayerischen Volkspartei.

Die Regierungsparteien erklärten als ihre übereinstimmende Meinung, daß die Verlängerung der Frist des Art. 70 der Verfassung im Sinne des Art. 72, wie sie jetzt von den Regierungsparteien beantragt sei7, dahin aufzufassen sei, daß im ganzen eine Frist von drei Monaten für die Verkündung des Gesetzes gegeben sei. Die Frist für das Militärstrafgesetz laufe also bis zum 3. Mai 1926. Es wurde allseitig als wünschenswert bezeichnet, daß der Entwurf zur Verstärkung des Ehrenschutzes vor diesem Termin erledigt werde8.

7

Vgl. Anm. 2 zu Dok. Nr. 295.

8

Das Kabinett berät über diesen Entwurf am 25. 3. (Dok. Nr. 322, P. 4 a).

Abgeordneter Dr. Koch führte bezüglich des Ehrenschutzes aus, daß für ihn die Möglichkeit einer objektiven Feststellung der Wahrheit oder Unwahrheit einer Behauptung im Strafverfahren eine wesentliche Voraussetzung darstelle. Es dürfte in einem solchen Falle auch die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht in Betracht kommen.

Marx

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