1.189 (mu22p): Nr. 445 Vermerk Staatssekretär Pünders über Mitteilungen von Staatssekretär Meissner am 15. Februar 1930

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[1458] Nr. 445
Vermerk Staatssekretär Pünders über Mitteilungen von Staatssekretär Meissner am 15. Februar 1930

R 43 I /951 , Bl. 253 f., hier: Bl. 253 f.

Herr Staatssekretär Meissner teilte mir heute mittag mit der Bitte des Herrn Reichspräsidenten um Weiterleitung an den Herrn Reichskanzler Nachstehendes mit:

a) Der Herr Reichspräsident habe in den letzten Tagen die Reichstagsabgeordneten Dr. Brüning und Dr. Scholz empfangen. Diese Empfänge wären seiner eigenen Initiative entsprungen, da er den neuen Vorsitzenden der Zentrumsfraktion bisher noch nicht gekannt habe und Herrn Dr. Scholz nach seiner langen Krankheit hätte wiedersehen wollen 1. Nunmehr habe er sich entschlossen, am kommenden Montag [17. 2.] die Abgeordneten Hugenberg und Oberfohren zu empfangen. Der Entschluß zu diesem Empfang sei ihm allerdings recht schwer gefallen, er hätte ihn aber angesichts des mehrmaligen dringenden Nachsuchens nicht absagen können2. Der Herr Reichspräsident lege besonderen Wert darauf, daß der Herr Reichskanzler dies alsbald erfahre, damit nicht der Eindruck entstünde, als ob er etwa hinter dem Rücken des Herrn Reichskanzlers und der Reichsregierung konspiriere.

1

Brüning war am 5.12.29 zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden. Scholz hatte bereits im Spätsommer seine parlamentarische Arbeit unterbrochen, da er sich einer Operation unterziehen mußte.

2

Siehe dazu Dok. Nr. 450.

b) Die Angelegenheit des Wehretats 1930 habe der Herr Reichspräsident persönlich eingehend durchgeprüft3. Er habe auf den Herrn Reichswehrminister Groener einen gewissen Druck dahin ausgeübt, daß er den Baubeginn des Panzerschiffs B fallen lasse, dafür unterstütze der Herr Reichspräsident dringend den Wunsch des Reichswehrministers auf Bewilligung der beantragten Posten für Munition und Übungen. Exzellenz Groener habe sich nach Bedenken der Anregung des Herrn Reichspräsidenten angeschlossen, werde aber voraussichtlich noch die Bedingung stellen, daß in irgendeiner Weise zum Ausdruck kommen müsse, daß die Ablehnung des Panzerschiffs B kein Präzedenzfall für künftige Jahre sein soll. Der Herr Reichspräsident lege größten Wert darauf, daß die von ihm angeregten zusätzlichen Bewilligungen für Munition und Übungen vom Kabinett gut geheißen würden, da ihm andernfalls der Rücktritt des Herrn Reichswehrministers Groener gewiß sei. Der Rücktritt von Exzellenz Groener sei für ihn persönlich aber gleichfalls unerträglich. Das Eintreten für den Young-Plan mit allen seinen zum Teil nicht sehr schönen Folgerungen, dann der Rücktritt des Reichswehrministers und zwar mit der dann doch nicht widerlegbaren Begründung, daß das Reich selbst die durch den Versailler Vertrag gegebenen Möglichkeiten nicht völlig ausschöpfe, sei für ihn völlig unerträglich.[1459] Der Herr Reichspräsident würde es daher sehr begrüßen, wenn der Herr Reichskanzler auf dieser Basis die Frage des Wehretats 1930 zur Lösung brächte4.

3

Siehe dazu Dok. Nr. 433.

4

Siehe Dok. Nr. 449, P. 3.

c) Den Herrn Reichspräsidenten beunruhigen sehr die letzten Mitteilungen über die polnischen Maßnahmen hinsichtlich der Agrarreform. Das Telegramm Rauschers genüge ihm noch nicht, zumal doch gar keine Garantie vorläge, daß das Agrarreform-Gesetz nicht noch über 1935 verlängert werde5. Der Herr Reichspräsident würde es daher sehr begrüßen, wenn die Abstimmung über den Polenvertrag wenigstens zeitlich etwas von den sonstigen Abstimmungen über die Young-Gesetze separiert werden könnte, damit doch möglichst in der Zwischenzeit in sofort aufzunehmenden deutsch-polnischen Verhandlungen ergänzende Erklärungen der Polnischen Regierung über paritätische Behandlung auch des deutschen Grundbesitzes angeknüpft werden könnten6.

5

Siehe dazu auch Dok. Nr. 430, P. 2.

6

Auch der RK hatte Sorgen wegen der Durchführung der Agrarreform in Polen und führte eine Unterredung mit Geheimrat Caro, der eine Klärung für dringend notwendig hielt. Pünder konnte dem RK mitteilen, daß das AA bereits mit dem Gesandten Rauscher in dieser Frage Verbindung aufgenommen hatte (Pünder an v. Schubert, 17.2.30; R 43 I /124 , Bl. 110 f., hier: Bl. 110 f.). Der dt. Gesandte sprach mit dem Agrarminister Staniewitz und Außenminister Zaleski und erfuhr von ihnen, daß die Liste der für die Agrarreform vorgesehenen Güter nicht widerrufen werden könne. Man wolle aber paritätisch vorgehen und die Reform nicht als Waffe gegen die Deutschen benutzen. Es sei mit einer Novelle zum Reformgesetz zu rechnen, die die Parzellierung um 50% herabsetzen werde. Die Einstellung der poln. Minister müsse geheimgehalten werden (Telegramm Rauschers v. 19. 2.; R 43 I /124 , Bl. 129-133, hier: Bl. 129-133). Zur Behandlung im Kabinett siehe Dok. Nr. 451, P. 5.

Herr Staatssekretär Meissner fügte persönlich hinzu, daß es sich bei diesem Punkt c) mehr um stimmungsmäßige Anregungen handele, die keinerlei ultimativen Charakter tragen sollten, während es dem Herrn Reichspräsidenten hinsichtlich des Punktes b) (Reichswehr-Etat) außerordentlich ernst sei.

Pünder

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